Die Große-Berliner Ost-Zeitung. Niederbarnimer Zeitung“ vom 28. November 1931: „Ein seltenes Jubiläum feiert morgen der Kolonialwarenhändler und Hausbesitzer Joseph Heinrich. Mit welcher Liebe der Jubilar an Friedrichshagen hängt, zeigen nachstehende Daten: 40 Jahre selbständiger Kaufmann, 38 Jahre kaufmännischer Verein, 37 Jahre Evangelischer Kranken- und Armenpflege-Verein, 37 Jahre Feuerwehr, 36 Jahre Kriegerverein, 25 Jahre Haus- und Grundbesitzerverein, 20 Jahre Katholischer Kirchenchor, 10 Jahre Gesangsverein „Tanne“. Darunter eine Anzeige, in deer er für seine Lebensmittel wirbt: „Landspeck fett und mager, Pfund 63 Pfennig oder Speise-Leinöl, delikate Qualität, 1 Liter 1 Mark, 10 Pfennig, Matjesheringe 10, 15 und 20 Pfennig...“
Heute erinnern nur noch der Name und die Buchstaben über der Kneipe „Josef Heinrich“ an die Geschichte dieses Ortes und Mannes. 1891 gründete Josef Heinrich seinen Handel. Mit einem Pferdefuhrwerk, dessen Spuren man noch heute in der Tordurchfahrt sehen kann, fuhr er Milch, Mehl und Fassbutter durch Friedrichshagen bis hinter die Stadtgrenzen. Zu Pfingsten belieferte er die Gaststätten der Umgebung wie das Gesellschaftshaus hinterm Spreetunnel und machte, so erzählt man sich in der Familie, alljährlich das Geschäft des Jahres.
Den Namen „sanfter Heinrich“ erwarb er sich durch seine Art, mit Menschen umzugehen. Wer just kein Geld hatte, konnte in seinem Laden anschreiben. Wenn die Woche zu Ende war, ging der Händler los, das verdiente Geld einzusammeln. So lief er die Friedrichstraße hoch und die Friedrichstraße wieder herunter. Sein Gang wurde mit jedem Meter etwas schaukeliger. Denn anstelle das Geld einzufordern, bekam er bei jedem seiner Kunden einen Schnaps. Zurück zur Frau kam er stets betrunken und ohne einen verdienten Heller und Pfennig.
Sogar eine Straßenbahn-Haltestelle wurde nach ihm benannt.
Die Station hieß „Zum sanften Heinrich“.Und doch schien sein Geschäft ertragreich gewesen zu sein. 40 Jahre war er Kaufmann, von 1915 bis 1935 verkaufte er auf der Friedrichstraße 11. Das Haus ließ er zwischen 1914 bis 1916 bauen. Es ist das letzte Jugendstil-Haus in der Bölschestraße. Das Kolonialwarengeschäft existierte bis 1951.
Solche und ähnliche Geschichten kann Urenkelin Sabine Löffler erzählen. Seit März diesen Jahres führt sie das Café-Bistro „Heinrichs Kitchen“ in der Bölschestraße 11. Sie ist die Urenkelin von Josef Heinrich, dem Kolonialwarenhändler, der direkt nebenan 20 Jahre ein Geschäft innehatte. Nicht nur das große Herz vom Urgroßvater hat sie als freundliche Gastgeberin geerbt. Jedem Gast schenkt sie ihr Ohr.
„Ich liebe es, Menschen miteinander zu verbinden. Es ist schön, wenn Menschen sich durch mich hier in meinem Café kennenlernen. Das ist meine Bühne.“
Auch die Liebe zu den Dingen, die man für das Leben braucht, „Lebensmittel“, ist ihr gegeben. So zaubert sie mit den Früchten und dem Gemüse der Saison kleine feine Delikatessen wie Vanille-Desert mit Rharbarber, Orangenquark mit Erdbeeren oder auch Hausmannskost wie Kartoffelsalat mit Speck und Dill wie zu Omas Zeiten. Es gibt immer frisch zubereitete Speisen, jeden Tag eine neue Tagessuppe, jeden Tag ein frisches Desert, jeden Tag einen neuen frisch gebackenen Kuchen.
„Selbst das Schmalz für die Schmalzstullen bereite ich selbst zu wie auch die Marmelade fürs Frühstück.“ Denn ab sofort gibt es auch Frühstück auf dem idyllischen ,ruhigeren Teil der Bölschestraße. „Natürlich öffnet mein Bistro 9.30 Uhr. Doch wenn jemand schon 9.15 Uhr vorbei kommt, bekommt er seinen Kaffee“ Und das bei einer 6 Tage-Woche, Dienstag bis Sonntag.
Ihre erste Erfahrung? „Was mich wirklich überrascht ist, wie offen und wie nett die Leute sein können, wie schnell man gute Kontakte macht, wenn man natürlich und unverstellt den Menschen begegnet, wenn man mit dem Herzen dabei ist, wenn man natürlich ist. Dann schöpfen die Menschen schnell Vertrauen und vertrauen mir auch ihre Geheimnisse an und ich ihnen meine.
Erst drei Monate sind vergangen und ich habe bereits Stammkundschaft. Das ist doch das beste Zeichen. Alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, habe ich aus Berufung gemacht und nicht wegen des Geldes.“ Sie sei beruflich angekommen in ihrem Leben. Sie wisse, dass sie nicht reich werde mit dem, was sie tue.
„Doch wenn die Menschen mit einem Lächeln wieder bei mir rausgehen, ist das für mich der größte Lohn.“
Es ist alles auch eine Frage der Dankbarkeit. Mops „Bully und Mischling „Bella“ wissen Sabines großes Herz zu schätzen. Sie sind ihre Stammkunden. In Zukunft plant die Ur-Friedrichshagenerin auch kleine Events vor ihrem Café: „Ich finde es schön, wenn Straßenkünstler zu mir kommen und wir dann wie in Paris oder Rom den Hut rumgehen lassen und plötzlich ist Friedrichshagen nicht mehr das Dorf am Müggelsee, sondern Berlin und die große weite Welt. Bei mir heißt es „Come together“.