Unser kleiner BER

Linken-Politikerin Katalin Gennburg und Landesrechnungshof kritisieren die Kostenexplosion bei der Sanierung des Spreeparks. Der Parkbetreiber Grün Berlin widerspricht.
Die Zahlen lauten 5, 32, 48 und 72. Es sind keine Lottozahlen, sondern die Kosten für die Sanierung des Spreeparks seit 2014. Der einstige Vergnügungspark im Plänterwald, der seit 2001 brachliegt, für den das Land Berlin 2014 die Erbbaupacht zurückkaufte und der zu einem Park für Kultur, Kunst und Natur gestaltet werden soll, könnte zum Millionengrab werden. Das jedenfalls befürchtet die Linken-Politikerin Katalin Gennburg. Die Treptowerin, die bei den jüngsten Wahlen ihr Direktmandat verteidigen konnte, ist bekannt für drastische Worte. Jetzt hat sie Einsicht in die Spreepark-Akten genommen und schlägt Alarm.
Planung Spreepark der Zukunft
© ARGE Spreepark Freianlagen c/o die-grille

„Seit der Übergabe des Parks vom Liegenschaftsfonds an die Grün Berlin GmbH sind die Kosten für den Spreepark um das 15-fache gestiegen“, sagt sie. Sie verweist auf Unterlagen aus dem Aufsichtsrat des Liegenschaftsfonds von 2014. Dort steht, dass „für die touristische Erschließung“ des Areals 4,5 Millionen Euro Fördermittel des Bundes plus 450.000 Euro vom Land Berlin in Anspruch genommen werden könnten. Offensichtlich eine naive Schätzung – in den Folgejahren stieg die Summe für die Sanierung rapide an; 2017 war von 32 Millionen die Rede; 2018 sprach die zuständige Senatorin Regine Günther (Grüne) von rund 48 Millionen Euro. Inzwischen ist von 72 Millionen Euro aus Landes- und Bundesmitteln die Rede.


Auch der Bund der Steuerzahler warnt

Gennburg: „Der Spreepark ist unser kleiner BER, er wird immer teurer und niemand weiß warum.“ Denn die bisherigen Projekte wie die Sanierung des Riesenrades und des Ausflugslokals Eierhäuschen, der Umbau einer ehemaligen Werkhalle und des einstigen Groß-Restaurants zu Kulturstätten sowie die Nutzung alter Fahrgeschäfte als Spazierwege und Pavillons könnten die Ausgaben- Explosion nicht erklären.

Auch der Bund der Steuerzahler zweifelt an der Wirtschaftlichkeit bei der Umgestaltung des Parks. Hatte sich doch noch im Jahr 2014 Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) für einen minimalistischen Ausbau ausgesprochen. Davon könne jetzt keine Rede mehr sein, sagt der Chef des Berliner Landesrechnungshofs Alexander Kraus: „Aufgrund der bislang bekannten Zahlen befürchten wir, dass es noch keine abgeschlossene Planung zu dem Vorhaben gibt.“ Das heißt, mit weiter steigenden Zahlen sei zu rechnen.


Grün Berlin: keine Kostensteigerung

Von der landeseigenen Grün Berlin GmbH, die seit 2016 die Umgestaltung des gut 23 Hektar großen Spreeparks verantwortet, kommt energischer Widerspruch.

„Eine Kostensteigerung existiert nicht, da erstmalig 2020 überhaupt Kosten benannt werden konnten“

heißt es in einer Stellungnahme. Erst nach mehreren Bürgerversammlungen, auf denen Ideen und Vorschläge gesammelt worden seien, „konnte das finale Konzept erstmalig wirtschaftlich bewertet und mit Kosten belegt werden.“ Und: „Vorherige, im Jahr 2014 vom Liegenschaftsfonds benannte Zahlen, haben keinen Bezug zum aktuellen Konzept und Standort und entbehren jeglicher Grundlage.“

Planung Spreepark der Zukunft
© ARGE Spreepark Freianlagen c/o die-grille

Die aktuellen Sanierungskosten in Höhe von 72 Millionen Euro schlüsselt Grün Berlin wie folgt auf: Altlastenentfernung 12 Millionen; Wege, Plätze, Wasserflächen sowie erhaltene und neue Bauwerke für Service und Gastronomie 24 Millionen; Riesenrad mit Wasserbecken 6,4 Millionen; Umbau Werkhalle 8,9 Millionen; englisches Dorf 2,2 Millionen; Verkehrsanbindung/ Wege 18 Millionen Euro.

Noch im November werde die 1.800 Quadratmeter große MERO-Halle mit einem dauerhaften Korrosionsschutzanstrich versehen. Und der 400 Meter lange Pionierweg, der von der Neuen Krugallee zum Spreepark führt, werde repariert und saniert – inklusive Beleuchtung.


350 Teile Riesenrad im Park gelagert

Ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist das alte Riesenrad. Das wurde im Jahr 1989, zum 40-jährigen DDR-Jubiläum, aufgestellt und ist seit 2001 – wie der gesamte Park – nicht mehr in Betrieb. Seine Reaktivierung war einer der Hauptwünsche bei den Bürgerveranstaltungen. Mehrere Gutachten, von Grün Berlin beauftragt, bescheinigen dem gut 40 Meter hohen Bauwerk, das damals von einer holländischen, inzwischen insolventen Firma erbaut wurde, eine gute Perspektive.

Das Riesenrad sei grundsätzlich sanierungsfähig, allerdings müssten weitere Untersuchungen angestellt, Statik-, Festigkeitsund Rissprüfungen vorgenommen werden, heißt es. Die Elektrik sowie neun der 40 Gondeln seien nicht mehr nutzbar. Das Spezial-Büro aus Bad Salzuflen beziffert die technische Wiederherstellung auf gut 600.000 Euro.

 

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Darin nicht enthalten, so Grün Berlin, seien Kosten für den Austausch der Gondeln oder für die Beleuchtung. „Die tatsächlichen Kosten für die Sanierung des Riesenrades liegen gemäß aktuellem Gesamtkostenrahmen bei rund 3,5 Millionen Euro.“ Mit Wasserbecken (wo mindestens die Bodenplatt e erneuert werden muss) und künstlerischer Qualifizierung des Bauwerks entsprechend des Kunst-Kultur-Natur-Konzepts werden 6,4 Millionen Euro veranschlagt.

Inzwischen wurde das Riesenrad zerlegt; rund 350 Teile warten auf ihren Transport in ein Unternehmen, das die Sanierung vornehmen soll. Dies sei nach einer Ausschreibung für 2022 geplant, so Grün Berlin. Dann sollen auch die Leitungen für Strom, Wasser und Gas im Park verlegt und der Innenausbau des Eierhäuschens beendet sein. Fertigstellen will man das einstige Ausflugslokal, das Ateliers und Künstlerwohnungen sowie ein öffentliches Restaurant mit Schiffsanleger erhält, 2024.

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Forderung nach mehr Gemeinwohl statt „Disneyland“

Kritiker wie die Linke Gennburg und der Landesrechnungshof befürchten auch beim Riesenrad weitere Kosten, die noch gar nicht absehbar seien. Gennburg fordert sogar eine generelle Umkehr von den bisherigen Planungen.

„Ein eingezäuntes Disneyland braucht kein Mensch“

sagt sie. Besser wäre eine kooperative Gestaltung mit Initiativen, wie es zum Beispiel beim Haus für Statistik in Mitte oder beim Dragoner-Areal in Kreuzberg geschehe. Das wäre gemeinwohl-orientiert und würde spürbar kostengünstiger werden als die aktuelle Entwicklung. Grün Berlin gehöre dringend stärker kontrolliert, was die Wirtschaftlichkeit von Projekten angehe. Gennburg gehört zum Verhandlerteam ihrer Partei für den künftigen rot-grün-roten Senat.


Grün Berlin lädt Künstler ein

Nun wird der Spreepark nicht ausschließlich zum passiven Kulturgenuss entwickelt. Es soll Picknick-Wiesen geben sowie diverse Spielmöglichkeiten für Kinder, Umweltbildung und Möglichkeiten zum gemeinsamen Gärtnern. Und für kommendes Jahr sollen Künstler, die von Grün Berlin ausdrücklich zur Zusammenarbeit eingeladen sind, für Zwischennutzungen in die MERO- Halle einziehen.

Mit den „richtigen Bauarbeiten“ im Spreepark kann aber erst begonnen werden, wenn der Bebauungsplan für das Gelände vorliegt, das offiziell als Sondergebiet Kunst- und Kulturpark festgelegt werden soll. Das zuständige Stadtplanungsamt von Treptow-Köpenick will den Plan nach aktuellem Stand Anfang 2022 öffentlich auslegen. Dann sind Einwände und Kritiken von jedermann möglich.

Dieser Beitrag erscheint auch in der Maulbeerblatt-Sonderausgabe #114 am 29.11.2021.
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