Viva Las Vegas am Baudenkmal

Wieso nach der erfolgreichen Sanierung des Müggelturms keine Ruhe einkehrt und welche Animositäten dabei eine Rolle spielen.
Gut 18 Jahre lang war das Gelände um den Müggelturm in den Müggelbergen in Köpenick kein attraktives Ausflugsziel. Wo sich zu DDR-Zeiten Tausende Gäste um Restauranttische drängelten, ragten eingestürzte Grundmauern zwischen wachsenden Müllbergen empor. Der Müggelturm, das Wahrzeichen von Köpenick und ein Leuchtturm der Berliner Denkmallandschaft sowie die dazu gehörende Gaststätte verfielen zusehens. Politiker gaben sich empört und hilflos, Investoren kamen und gingen, immer neue Ausschreibungen lockten auch Glücksritter an.

Foto: Björn Hofmann

Vor vier Jahren dann änderte sich das Bild: Matthias Große, ein Köpenicker Unternehmer, kaufte das rund 6.000 Quadratmeter große Gelände um den Müggelturm. Er versprach Denkmal und Restaurant wieder zum beliebten Ausflugsort zu machen.

Was niemand für möglich gehalten hatte, wurde Realität. Seit dem 1. Mai dieses Jahres kann man am Müggelturm wieder einkehren. Trotz anhaltender Bauarbeiten laden zwei Restaurants mit Terrassen täglich von 10 bis 20 Uhr ein. Veranstaltungen wie zum Tag der Deutschen Einheit oder die Silvesterparty werden gerade vorbereitet. Bald soll dort auch geheiratet werden können und über allem erstrahlt der Turm in neuem Glanz.

Doch gerade dieser neue Glanz schmeckt offenkundig nicht allen. Denn der symbolische Leuchtturm leuchtet jetzt auch wirklich. Auf seinen neun Etagen scheint nachts weithin sichtbar weißes und blaues Licht. Ganz oben kommt noch das rote Signal der Flugbefeuerung hinzu.

Dieses Leuchten stört einige. Es gibt Proteste gegen eine „sehr grelle Beleuchtung aus LEDs“. Sprachrohr der Kritiker ist der Köpenicker FDP-Abgeordnete Stefan Förster, der auch dem ehrenamtlichen Denkmalrat in Treptow-Köpenick vorsteht. Er habe Emails und Anrufe erhalten von Anwohnern, die sich über das „Las Vegas am Müggelturm“ beschwert hätten, sagt er. Auch eine große Berliner Boulevard-Zeitung und das Sat.1-Frühstücksfernsehen berichteten darüber.

Nun ist es so, dass die nächsten Anwohner etliche Kilometer entfernt wohnen. Und ob das Licht aus den Müggelbergen sie wirklich stört, scheint fraglich. Förster versucht inzwischen, das Ganze weniger dramatisch darzustellen.

„Es ist nicht so, als hätten wir keine größeren Probleme, aber als Chef des Denkmalrates liegt mir das Denkmal Müggelturm in dem sensiblen Naturraum dort sehr am Herzen“,

sagt er. Und fügt hinzu: Der Investor habe keine Genehmigung für die Beleuchtung.


Zwischen Respekt und Ablehnung

Illegales Tun also in den Müggelbergen? Der Müggelturm-Investor gilt ganz offenbar als Zielscheibe, ob es die Anwohnerproteste nun wirklich gibt oder nicht. Wie so mancher im Bezirk kann sich FDP-Mann Förster in Rage reden, wenn es um Matthias Große geht. Die Haltung pendelt dabei zwischen Respekt und Ablehnung.

Respekt vor der Leistung, denn dass Große die Müggelturm-Sanierung wirklich hinbekommt, daran hatten nach den Misserfolgen in der Vergangenheit nicht viele geglaubt. Respekt auch vor der Effizienz der Arbeiten am Denkmal, denn zwischen Erteilung der Baugenehmigung und der Eröffnung lagen nur wenige Monate.

Ablehnung erfährt Große aber auch, vor allem wegen seiner oft unorthodoxen Art – und wegen seines Umgangs mit Menschen, die nicht seiner Meinung sind. Matthias Große, 50 Jahre alt und Lebensgefährte von Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, ist durchaus umstritten.

Der große und kräftige Mann mit dem sehr kurzen Haupthaar gilt als Macher-Typ mit ausgefahrenen Ellenbogen. In Minsk hat er an der Militärakademie studiert, doch ehe er General wurde, fiel die deutsch-deutsche Mauer. Nach einigen Übergangs-Jobs baute er in Berlin seine Unternehmensgruppe UGMG auf. Er entwickelt Einzelhandelsflächen, setzt Currywurst-Buden in die Stadt und baut auch Wohnheime für Flüchtlinge und Obdachlose.

Und er verteidigt seine Freundin Pechstein vehement und robust gegen alle Doping-Vorwürfe. Die Süddeutsche Zeitung schrieb einmal, Großes Stimme höre sich im Stadium der Erregtheit an, als „hätte ein Kampfhund einen Einbrecher entdeckt.“

Auch die Verfasserin dieses Textes durfte einen solchen Anruf erleben. Sie wurde von Matthias Große vor Jahren lautstark und schneidend beschimpft, weil ihre damaligen Journalistenkollegen aus dem Sportressort (mit deren Arbeit sie gar nichts zu tun hatte) Pechstein wiederholt mit Doping in Verbindung gebracht hatten.

Stefan Förster hält den Unternehmer Große für einen „hemdsärmligen Typen“, der mache, was er wolle. Und der sich auch über amtliche Anweisungen hinwegsetze:

„In seinem Flüchtlingsheim in Rahnsdorf wurden Fenster und Türen ausgetauscht, obwohl diese denkmalgeschützt waren.“

Beim Thema Müggelturm habe der Denkmalrat angeboten, sich im Interesse größerer Umbauarbeiten für die Aufhebung des Denkmalschutzes stark zu machen. „Herr Große wollte aber unbedingt, dass der Turm ein Denkmal bleibt“, so Förster. Was andere durchaus loben würden, ist für den FDP-Politiker ein Beispiel dafür, dass der Investor nicht auf die hohen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten bei der Denkmal-Sanierung verzichten wolle.


Denkmalamt prüft Vorwürfe

„Das ist Quatsch!“, sagt der für den Denkmalschutz zuständige Baustadtrat des Bezirks Rainer Hölmer (SPD). Niemand könne den Müggelturm, der als einzigartiges Bauzeugnis aus DDR-Zeiten gelte, von der Berliner Denkmalliste nehmen. Hölmer kennt wie kein zweiter die Querelen um den Müggelturm. Er sagt, auch seine Verwaltung habe sich dabei „anfangs nicht mit Ruhm bekleckert.“

Im Bezirksamt hält man Große für „sehr speziell“. Verwaltungsrecht, so heißt es, sei für ihn manchmal eher hinderlich. Aber, so sagt der Baustadtrat anerkennend: „Beim Müggelturm gab es so viele Hürden, dass ein anderer Investor hingeschmissen hätte.“

Nicht so Matthias Große, für den Hürden vor allem Herausforderungen sind. Die er mit seinen Mitteln zu überwinden glaubt: So pinnte er, als er sich bei einer Genehmigung hingehalten fühlte, ein Flugblatt mit Namen und Telefonnummer des zuständigen Mitarbeiters im Bauamt an den Baustellenzaun.

Stadtrat Hölmer sorgte für Abrüstung – der Investor reichte endlich die fehlende Unterlagen nach, ohne die die Genehmigung unmöglich war. Das Flugblatt wurde entfernt. Selbst der damalige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel wurde bei der Müggelturm-Sanierung eingespannt. Er vermittelte, als es Streit mit der Forstbehörde gab. Hölmer:

„Wir sind alle sehr froh, dass es geklappt hat und der Müggelturm wieder ein attraktives Ausflugsziel ist.“

Was die Vorwürfe der „zu grellen Beleuchtung“ angeht, hat der Stadtrat seine Denkmalbehörde zur Prüfung auf den Weg geschickt. Eines steht bereits fest: „Die Beleuchtung im Turm ist nicht neu, sondern alt und erfolgt über Leuchtstoffröhren und nicht über LEDs“, so Hölmer. Auch zu DDR-Zeiten waren die Turmetagen beleuchtet. Mit einem Unterschied, wie Hölmer anmerkt:

„Damals hat sich keiner beschwert.“

Abgestimmt mit dem Amt sei die aktuelle Beleuchtung allerdings nicht. Wohl vor allem deshalb, weil der Investor dies nicht für notwendig hielt: Für den Müggelturm existiert laut Hölmer nämlich gar kein Beleuchtungskonzept . Jetzt lässt der Stadtrat noch prüfen, ob die Röhren nachts wirklich zu grell leuchten oder ob ihre Lichtstärke vertretbar ist für das Denkmal.


58 Watt im Treppenhaus

Verärgert über die Las-Vegas-Vorwürfe ist vor allem Investor Matthias Große. Dem FDP-Politiker und Denkmalschützer Förster wirft er mangelnde Unterstützung bei den Sanierungsarbeiten sowie „vorsätzliche Verbreitung von Unwahrheiten“ vor. Er empfinde diese als Angriff auf den Erfolg seiner Unternehmensgruppe und auf sich persönlich, schrieb er auf Facebook.

„Die Lichtkästen befinden sich seit Jahrzehnten im Treppenhaus des Turmes und sind mit 58 Watt Leuchstoffröhren bestückt.“

Statt wie von Förster behauptet Beschwerden, so Große weiter, erfahre er viel Zuspruch von hunderten Menschen, die stolz seien, dass „ihr“ Müggelturm auch nachts wieder leuchte.

Tatsächlich gibt es auf der Facebook-Seite des Müggelturms zahlreiche Einträge der Solidarität für Große, in vielen werden die Vorwürfe einer zu grellen Beleuchtung als lächerlich erklärt. Neben weiteren Erfolgswünschen für den „Müggelturm-Retter“ heißt es dort auch augenzwinkernd: „Ist ja wirklich gefährlich ... Jahrzehnte lang gab´s keine Ufo-Sichtungen mehr in den Müggelbergen... und jetzt dieses Leuchtfeuer!“


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