Im 15. Jahrhundert war es das toskanische Universalgenie Leonardo aus der Nähe von Vinci, der als erste Forscher Europas sich gezielt mit der Technik des Fliegens beschäftigte, Apparate konstruierte, die dem Fliegen der Vögel und der Konstruktion ihrer Flügel nachempfunden waren. Weil seine Versuche aber noch erfolglos blieben, dachten und wagten die Menschen weiter.
Doch es dauerte noch weitere 300 Jahre, bis am 21. November 1783 erstmals der Versuch gelang, sich mit einem Fluggerät in die Lüfte zu erheben. Vorbehalten war dies dem französischen Physiker Jean-François Pilâtre de Rozier und seinem Landsmann Marquis d`Arlandes. Die ersten menschlichen Luftfahrer hoben für 25 Minuten vom Boden ab – und gelangten auch heil wieder dort zurück.
Tief beeindruckt war Alexander von Humboldt, als am 27. September 1788 Jean-Pierre Blanchard in seinem Wasserstoffballon vom Exerzierplatz vor dem Brandenburger Tor unter den Augen Tausender Berliner aufgestiegen und über den Tiergarten hinweg ins etwas zehn Kilometer entfernte Buchholz geflogen war, wo er sicher landete und von dort aus im Triumphzug nach Berlin zurückgeführt wurde.
Die Heimat der Flugpioniere
Von nun an begann in Berlin eine Geschichte, die bis in unsere Tage eine erfolgreiche und weltberühmte geworden ist: Berlin wurde zur Heimat der Flugpioniere. Als Lehrer der Königlichen Realschule in Berlin stieg Friedrich Wilhelm Jungius 1805 mit seinem Ballon 6000 Meter in die Höhe, was selbst die Königin Luise in Verzückung brachte. Unter der Leitung des Obristen Karl Ritter von Brug wurde 1884 die sogenannte Luftschifferabteilung der preußisch-deutschen Armee eingerichtet.
Und Legende geworden ist der Name Otto Lilienthals, der als erster Mensch mittels eines Flugapparates einen Gleitflug erfolgreich durchführte. Im Garten seines Hauses in der Boothstraße in Groß-Lichterfelde, bis 1920 eine eigenständige Gemeinde südwestlich von Berlin, baute Lilienthal an seinen Fluggeräten, die er später in der Umgebung Berlins ausprobierte.
Als die Wiege des deutschen Motorflugs darf mit Fug und Recht Johannisthal bezeichnet werden.
Hier begann man im Winter 1908 zwischen den Gemeinden Joachimsthal und Adlershof mit der Rodung des Waldbestandes, um ein „Aerodrom“ zu errichten, das bald den Namen „Deutsche Flugplatz- Gesellschaft m. b. H.“ bekam. Vor allem im preußischen Militär hatte man die Bedeutung der aufkommenden Motorflugzeuge und ihrer Vorzüge gegenüber den Ballonfahrzeugen verstanden. Kaiser Wilhelm II. kommentierte lakonisch beeindruckt:
„Endlich haben die Kerls eine vernünftige Idee.“
Noch bevor der Flugplatz Johannisthal eingeweiht wurde, bestaunten die Berliner auf dem Tempelhofer Feld den Amerikaner Orville Wright, der mit seinem „Flyer“ für Aufregung sorgte. Ende September 1909 starteten in Johannisthal belgische und französische Motorflieger zum „Konkurrenz-Fliegen der ersten Aviatiker der Welt“. Die Gazetten Berlins hatten ihr großes Thema gefunden.
Als der Franzose Hubert Latham mit seinem Flugapparat von Tempelhof nach Joachimsthal flog und damit den ersten Überlandflug in Deutschland vollzog, fand er keine Gnade vor dem harten Auge des Gesetzes und wurde „wegen groben Unfugs“ mit einer Geldbuße von 150 Mark belegt.
Der Entwicklung Johannisthals tat dies hingegen keinen Abbruch. Bald schon wurden viele neue Schuppen als zu vermietende Unterstellplätze für die Fluggeräte errichtet, das Flugfeld erweitert und Werkstätten für die Aeroplane gebaut. Von den 817 deutschen Piloten, die vor dem ersten Weltkrieg eine Fluglizenz erwarben, waren 404 in Johannisthal ausgebildet worden.
Versuchsanstalt für deutsche Luftfahrt
Und wurden im Jahr 1911 im Durchschnitt täglich 26 Starts gezählt, waren es drei Jahre später bereits fünf Mal so viele. Auf Empfehlung des Grafen von Zeppelin wurde am 20. April 1912 die „Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“ gegründet, womit die gesetzliche Regelungen für den Luftverkehr gelegt wurden.
Als Standort wählte man Berlin-Johannisthal. Neben anderen entstanden hier die Albatros Flugzeugwerke GmbH von Walter Huth und Otto Wiener, die bis Ende 1918 mehr als 10.300 von ihnen entwickelte Flugzeuge bauten. Zwar beendete der Krieg die große Zeit des zivilen Motorflugplatzes; der wirtschaftliche Höhenflug in Johannisthal hielt aber vorerst an. Zwar starteten ab 1919 noch die Flieger der ersten Verkehrslinie von Berlin nach Weimar hier.
Doch mit der Ansiedlung der „Focke-Wulf Flugzeug A.G.“ und der „Henschel- Flugzeugwerke A.G.“ begann die Konzentration des industriellen Rüstungsbaus an diesem Ort. Das Know-How der Flugzeugtechnik nutzten auch die Bayerische Motoren Werke AG. Am 22. März 1929 rollte das erste Modell dieser Automobillegende „Dixi“ in Berlin-Johannisthal aus der Werkhalle.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Johannisthal weiter zu einem Standort der Rüstungsindustrie ausgebaut. In der unmittelbaren Nachbarschaft zum Flugplatz befand sich seit 1939 eines der größten Berliner Zwangsarbeiterlager. Die Luftangriffe der Alliierten setzten dem ein Ende. Von den insgesamt 106 Gebäuden der DVL in Adlershof und Johannisthal waren bei Kriegsende viele Bauten vollständig zerstört.
Im August 1993 setzte der Berliner Senat die Johannisthal Adlershof Aufbaugesellschaft mbH. Auf einer 70 Hektar großen Fläche des ehemaligen Fliegergeländes entsteht jetzt ein Naturund Landschaftspark. Und man könnte nun vielleicht mehr denn je den alten Kaiser wieder sagen lassen „…eine vernünftige Idee.“