Luft

alf94 Es ist ein schöner Morgen auf Kwulm. Beide Sonnen sind bereits aufgegangen und lassen die Frotzbäume hinter der Schule feierlich glitzern. Doch die Kinder hängen traurig unter ihren Plätzen und saugen still an den Atemschläuchen. Herr Fnup, der Sportlehrer, ist gestorben. Er hatte keine Luft mehr und ist erstickt. Der Direktor versucht die Klasse zu trösten, aber die Kinder sind aufgebracht und diskutieren wütend über das ganze bescheuerte System. Der Direktor kennt all die Fragen zu genüge und beantwortet sie so ruhig er kann, wie er es immer tut. „Wie kann es sein, dass eine so große Stadt wie unsere keine Notluftquellen für solche Fälle hat? Mein Opa konnte sich seinen Luftsack noch an jeder Straßenecke auffüllen!“ „Ach Kinder, früher brauchten wir die Luft ja nur zum Atmen. Heute brauchen wir sie für alles mögliche. Kein Schmarz würde heute ohne Luft funktionieren. Der Bedarf hat sich verzehnfacht. Da reichen die natürlichen Quellen nicht mehr aus. Und gebt zu, jeder von euch hat einen Luftpattel zu Hause, stimmt’s?“ „Ja, aber inzwischen können wir Luft doch synthetisch herstellen. War das nicht eigentlich dazu gedacht, damit niemand mehr ersticken muss?“ „Was heißt WIR? Das Patent hat nun mal die Firma Luftikus.“ „Ja, sollen die doch die ganzen Maschinen am Laufen halten. Aber zum Atmen müssten doch immer noch genügend Quellen da sein! Warum kann der Staat das nicht regeln? Die Typen regeln doch sonst alles bis ins kleinste Detail!“ „Da sind dem Staat leider die Hände gebunden. Die letzte Regierung hat in der großen Krise alle Luftquellen privatisiert. Verträge sind Verträge.“ „Na dann muss das wieder rückgängig gemacht werden! Wozu sitzen die denn da oben? Wie können die es zulassen, dass ein paar Arschlöcher bestimmen, wer atmen darf, und wer nicht?“ „Ach Kinder, so funktioniert nun mal unsere Gesellschaft. Wenn jeder soviel Luft hätte, wie er will, gäbe es keinen Fortschritt.“ „Was für ein Fortschritt? Fortschritt für wen? Im Moment sieht es eher danach aus, dass bald Sklaverei herrscht. Die müssen doch sehen, dass das der falsche Weg ist! Vielleicht müsste man endlich beschließen, dass ehemalige Luftikus-Mitarbeiter nichts in der Regierung zu suchen haben.“ „Ja, aber das kann leider nur die Regierung beschließen.“ „Na da habt ihr großen, vernünftigen Erwachsenen ja so richtig Scheiße gebaut, oder?“ „Ich sage euch was: In ein paar Jahren sind all die Idioten tot, die euch diesen Mist eingebrockt haben. Dann bestimmt ihr, wie es auf eurem Planeten laufen soll. Ihr könnt dann gerne alles besser machen.“ „Ja, das werden wir auch!“ Doch Pammel, das Klassenarschloch, sagt: „Ich nicht! Ich steige bei Firma Luftikus ein und werde Präsident. Und dann könnt ihr sehen, wo ihr bleibt. Haha!“

maulbeerblatt ausgabe 82 Editorial

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