Summer in the city

Mein Freund, Teilzeitvater von drei Söhnen simst, er beneide mich um meine Ruhe. Ach? Ich stehe um 6 Uhr auf, schicke um 8 Uhr ebenso mitleidig wie genervt den pfuschenden Maler weg. Er ist unfähig, müde, übellaunig, es ist sehr warm und feucht. Die Fensterfront sieht inzwischen aus wie ein Backgammonspielplan und das ist nicht das einzige Übel. Anklagend senken die divenhaften Balkonpflanzen im Hausarrest die Köpfe und rascheln vorwurfsvoll mit Laub „Wann dürfen wir wieder raus?“ – Wenn die wüssten... Einige kommen in den Sack, weil sie nicht artig waren und wenig wohlgeraten sind. Die anderen kommen ohnehin bald an den Tropf, denn ich fahr zum Plauer See nach MeckPomm. Zum Radfahren und Schmollen – wegen des Teilzeitvaters. Draußen lärmt seit 6.30 ein Laubbläser ohne Laub und die BSR „trockenduscht“ und schrubbt mit beißendem Gebläse quasi ohne Wasser die Straße. Stoisch lenkt der Fahrer sein ausgedörrtes Nassreinigungs-Fahrzeug kreischend und fiepend durch die Gegend. Um 7.00 fielen in den Kanon mit ein: die ausgeführten Köter. Dann sangen sich noch ein paar Kreissägen warm, Bäume werden “gepflegt“. Ein Rasenmäher kommt hinzu, der den nicht vorhandenen, ausgedörrten, gelben Rasen mäht. Steht eben so im Mäh-Plan drin. Kräftiges, lautes Sägezahngerät stutzt winzige Hecken auf Wadenhöhe. Ich schreibe eine traumhafte Bewerbung an den Verband der Tourismuswirtschaft unserer ebenso traumhaften Stadt, solange es sich noch mit vollem Bewusstsein am Schreibtisch am Südfenster aushalten lässt. Brauche endlich Vorhänge! Selbst der PC macht mehr Krach als sonst, Laufwerk, Lüftungsgebläse ächzen unter der Hitze und der Drucker braucht ’ne Extraeinladung. Ich klebe an meinen Zeugniskopien und der Briefmarke fest. Es ist 10 Uhr, bereits jetzt 28 Grad im Schatten. Mein Rad hat keine Lust, ich auch nicht, egal, da muss man durch, auf den Termin warte ich seit 5 Monaten. Auf dem Weg zur Ärztin stoppe ich an der Ampel der sonnendurchglühten, lauten Kreuzung am Bahnhof, wo auch die Busse halten. Oh, ich fahre aus Versehen meinen Müll im Körbchen durch die Gegend. Aber das sind Peanuts gegen Mandy, die dem Marcel grad schnell zeigt, dass sie statt des Handies die Fernbedienung eingepackt hat. Was soll nun werden aus den beiden? Der Busfahrer des 190-er hat sich verfahren, gehört hier gar nicht hin. Egal, er ist ein echter, eingeborener Berliner, will sich erst mal ’ne Wurst holen, ist jetzt eh alles egal. Es ist sehr, sehr warm. Es wird immer heißer. Er prallt voll gegen den Fahrer des 164-er, der desorientiert vor dem Wagen die Straßenschilder studiert. Ist seine erste Tour auf der Linie, drollig dreht er sich mit der Karte und nordet sich und den Bus auf nicht wirklich zielführende Art. Mittlerweile Clusterbildung an der Haltestelle. Alle steigen fluchend scheinbar wahllos irgendwo ein, Hauptsache weg von der Haltestelle. „Junger Mann, fährt dieser Bus über Adlershof?“ fragt die Seniorin mit Schoßhund und Hackenporsche den Fahrer. – Sie muss einen wunden Punkt getroffen haben, der Mann gerät in’s Grübeln. Langsam dreht er sich zornesfaltig und schweißtriefend im viel zu engen Hemd in ihre Richtung, rotgeäderte Augen starren sie glasig an und ich könnte schwören, er hätte geantwortet: „Welcher Bus?“ Brav trägt mich die alte Herculine durch die Hölle der backofenwarmen Dörpfeldstraße mit wechselnder Spurbreite bei einseitiger Fahrbahn, Straßenbahnschienen und viel Verkehr, auch Sattelschleppern und Tanklastzügen - und auch ein paar mutige Pioniere der Buslinie 164... Im Wartezimmer der gynäkologischen Gemeinschaftspraxis haben sich praktische Gemeinschaften von Säuglingen und Kleinkindern gebildet, die ihre Lungenvolumen ausprobieren. „Wie denkst Du über Kinder?“ fragt die Verliebte Ihren Auserwählten – „Ich glaube, die wären zu jung.“ (Woody Allen) Der Wasserspender ist leer und röchelt. Es ist eine Praxis im Dachgeschoss mit Terrasse, in der Sonne so ungefähr 50-55 Grad. Die Ärztin ist freundlich, aber wortkarg. Sie rollt erschöpft auf einem Stühlchen hin- und her. Zwischendurch Aussetzer und doppelte Fragen. Dann rollt sie zurück zum Schreibtisch. Plötzlich Stille. Muss ich mir Sorgen machen? Nein, sie macht Pause, hält inne, ihr ist schummrig. Auch der PC streikt. Ich stehe nur bekleidet mit T-Shirt und Söckchen an ihrem Schreibtisch und helfe ihr beim Auswechseln der Druckerpatrone und dem Wiederanschließen des Mousekabels. Sie lächelt dankbar und ich überlege, ob ich nicht gleich bleiben und mich nützlich machen soll. Mein Blutdruck war heute erhöht, sage ich noch kurz; was soll’s. Nun aber zum angenehmen Teil des Tages: Baden, Lesen, Dösen. Als ich am Strand in Karolinenhof ankomme, herrscht fast Totenstille: den Kindern ist das Brüllen zu anstrengend, sie dümpeln wie kleine Bojen als Treibgut in der Uferzone. Umringt von Senioren, die dort nicht unterscheidbar in Zeitlupe entweder hinein- oder hinausgehen. Sie verharren, schlagen Wurzeln und treiben vermutlich noch immer mit ihren seerosenähnlichen Badekappen im Schilf. Sogar die Tölen sind angenehm unhundig, Stress machen ist ihnen zu stressig heute. Auch die kampferprobten Jugendlichen aus dem Ghetto von Altglienicke sind irgendwie „tiefergelegt“. Die üblichen Verdächtigen – notgeile, alte Lüstlinge – halten sich vollkommen zurück und brüten im Schatten vor sich hin. Nun, es ist wirklich sehr heiß. Das Wasser im Langen See hat immerhin einen helleren Grünton als der Müggelsee und ist auch nicht ganz so pisswarm und dickflüssig. Es ist eben wieder so richtig Sommer in der Stadt...

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