Vielleicht werde er sich zum 60. einen Urlaub am Meer gönnen, hat er voriges Jahr in einem Zeit-Interview gesagt. Leander Haußmann, Schauspieler und Regisseur mit Hang zu besonderen Theater- und Fiminszenierungen, ist eine der schillernden Figuren im deutschen Kulturzirkus. Und er ist Friedrichshagener. Das Viertel jenseits der Großstadt, nahe dem Müggelsee, gilt seit jeher als bevorzugter Wohnort für Freigeister und Künstler aller Genres und ganz allgemein auch als Ziel von Zuzüglern, die in der Lage sind, entsprechende Mietpreise zu berappen. Dafür genießt man viel Natur und rund um die Bölschestraße mit den kleinen Spezialitätenläden, Boutiquen und Cafés ein für Berlin einzigartiges Flair, das Kommerz gekonnt in Familiäres verpackt.
Leander Haußmann begegnet man im Kiez regelmäßig auf dem Fahrrad und neuerdings auch auf dem E-Roller. Das mit der Geburtstagsreise ans Meer hat er offensichtlich verschoben, denn seinen 60., der auf 25. Juni datiert ist, feiert er an insgesamt vier Abenden rund um den Jubiläumstag im Kino Union an der Bölschestraße. Mit einer Retrospektive von insgesamt acht seiner Filme, jeweils einem bekannten und einem weniger bekannten pro Abend.
Und mit Prominenten. Christian Ulmen will kommen, ebenso Detlev Buck und Tom Schilling sowie weitere, die noch als Überraschungsgäste geheim gehalten werden. Am 9. Und 16. Juni sowie am 7. Und 6. Juli, jeweils ab 18 Uhr, soll die Fete steigen, und alle, die sich rechtzeitig Tickets (Abendkasse 14 Euro, Kombiticket für alle vier Abende 48 Euro) besorgen, können teilnehmen.
Das Zusammentreffen von Kino Union und Haußmann könnte man als symbolisch bezeichnen. Beide, der Ort und der Protagonist, waren schon vor dem Mauerfall erfolgreich, beide gingen aus den Umbrüchen der Wende, die andere Karriere und Bestand kostete, stärker hervor. Leander Haußmann gilt als Querdenker, den auch Misserfolge nicht umwerfen.
Und er poltert gern mal gegen „Wessis, die uns die Deutungshoheit über unser Leben absprechen wollen“. Der DDR, die in seinen Stücken meist als seltsamer fiktionaler Kleinstaat vorkommt, war er mit einer Art Haßliebe verbunden. Erst nach der Wende, so sagte er einmal, habe er diese „verkorkste Liebe zu dem Land entdeckt“.
Die allgegenwärtige Stasi arbeitete er mit einem Theaterstück („Haußmanns Staatssicherheitstheater“) auf, das 2018 in der Volksbühne Premiere feierte; ein Buch und ein Film zum Stasisyndrom sollen folgen.
Dass Beharrlichkeit trotz aller Widrigkeiten siegt, kann man auch für das Kino Union konstatieren. 1872 als Tanzsaal erbaut und schnell als Filmtheater etabliert, drohte dem denkmalgeschützten Haus nach dem Mauerfall und mehreren vergeblichen Neuanfangsversuchen das Schicksal vieler kleiner Vorstadtkinos – Abriss und Vergessen.
Dem anhaltenden Protest der Anwohner und der unerschütterlichen Beharrlichkeit und Zuversicht des Friedrichshagener Kinofans Matthias Stütz ist es zu verdanken, dass das kleine Union inzwischen zur Kulturadresse für die Bildungsbürger im Kiez wurde. Es laufen dort vorrangig Independent- und Arthousefilme, auch Lesungen und andere Veranstaltungen finden statt. Und jetzt eben die Retrospektive von Filmen des guten Bekannten und Nachbarn Leander Haußmann.
Kino-Marketingchef Carlo Carluccio sagt: „Die Besucher können sich auf etwas ganz Besonderes freuen, wenn Leander durchs Programm führt und seine Gäste begrüßt.“ Es werde auch Überraschungen geben, sagt Carluccio. So ist noch geheim, welche unbekannten Haußmann-Filme laufen.
Los gehts am 9. Juni mit „Herr Lehmann“, dem Film nach dem Roman von Sven Regener. Promigast ist Hauptdarsteller Christian Ulmen, der im Film einen leicht vertrottelten West-Berliner Möchtegern-Künstler spielt, der den Mauerfall verpasst.
Ulmen, außer Schauspieler auch Moderator, Entertainer und Produzent, gilt als Allrounder in der Unterhaltungsbranche. Viele werden ihn als Tatort-Kommissar kennen, den Älteren könnte er noch vom Musiksender MTV bekannt sein, dessen Sendungen er mit seiner typischen schnoddrigen Art europaweit moderierte.
Eine Woche später, am 16. Juni, gibt es „NVA“ zu sehen, eine Komödie, in der Haußmann auch eigene Erfahrungen aus der DDR-Armee-Zeit verarbeitete. Als Gast hat er Detlev Buck eingeladen, der in fast allen Haußmann-Filmen mitspielt und dessen Firma BojeBuck zudem sämtliche Haußmann-Filme produziert hat. Eine Frage von Zuschauern an den Hauptdarsteller könnte vielleicht sein, wieso er in seinen Filmen meist in Uniform zu sehen ist, ob als Armeeangehöriger oder Polizist, er im wahren Leben aber mit Uniformen nicht viel am Hut hat – Buck war bekennender Zivieldienstleistender.
Am 5. Juli wird der weniger bekannte Haußmann-Film „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ aus dem Jahr 2008 gezeigt. Mit dem wunderbaren Tom Schilling in der Hauptrolle, der an diesem Abend auch im Kino Union zu Gast sein wird.
Am 6. Juli folgt dann mit „Sonnenallee“ der Höhepunkt und Abschluss der Geburtstags-Filmreihe. Um den oder die Promis an diesem Abend wird im Filmtheater an der Bölschestraße noch ein Geheimnis gemacht. Aber man kann davon ausgehen, dass sich Gastgeber Leander Haußmann auch dafür etwas Besonderes ausgedacht hat.
Wer in der Jubiläumsreihe übrigens die lokalkolorierte Klamotte „Hai-Alarm am Müggelsee“ vermisst, sollte sich Tickets fürs Freiluftheater Friedrichshagen besorgen. Der Hai-Alarm wird dort regelmäßig gezeigt. Die Freiluftsaison läuft seit Mitte Mai, gespielt wird derzeit Do-So um 21 Uhr, in den Sommerferien dann täglich.
Alle Infos unter www.kino-union.de