Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hatte Bürger und Interessenvertreter zur digitalen Info-Veranstaltung zum Planungsstand geladen und gleich zu Beginn überraschte Arne Huhn, Berlins oberster Brückenbauer, die 42 Zuschauer und Zuhörer mit einem neuen Termin für den Baubeginn.
Muss das denn so lange dauern?
Kaum noch vom Jahr 2027 ist die Rede, stattdessen geistert jetzt das Jahr 2030 durch die Verwaltungsflure. Oliver Igel machte sofort Druck, fragte: „Muss denn das so lange dauern? Beim Thema Brücken prägt Ungeduld die Lage in unserem wasserreichen Bezirk. Brücken sind hier lebensnotwendig, weil alle auf sie angewiesen sind. Gibt es die Chance, früher loszulegen?“ Brückenbauer Huhn verwies auf das Planrechtsverfahren, das juristisch erst im Jahr 2027 abgeschlossen sein könnte: „Deshalb haben wir eine neue Terminschiene.“
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Hintergrund sind mögliche Klagen gegen das Projekt. Der Teufel steckt da im Detail. Bisher sind je Richtung 6,50 Meter für Kraftfahrzeuge (zweispurig), 3,20 Meter für die Straßenbahn, 3,70 Meter Gehweg einschließlich Geländer und Beleuchtung für Fußgänger, aber nur 2,30 Meter für Radfahrer vorgesehen.
Patrick Maziul, der in der Runde die Stadtteilgruppe Treptow-Köpenick des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs vertrat, drückte sofort auf die Bremse: „2,30 Meter für Radfahrer verstößt gegen das Mobilitätsgesetz. In dem ist eine Mindestbreite von 2,50 Meter für neue Radwege vorgesehen“. Brückenbauer Huhn versprach eine „Nachbesserung“.
72 m langer Schandfleck
Immerhin ist Bewegung drin beim 30-Millionen-Neubau der Langen Brücke, die so wichtig ist als Verbindung zwischen Altstadt Köpenick und den Stadtteilen Spindlersfeld, Schöneweide, Adlershof bis hin zur Autobahn. Täglich 33 500 Kraftfahrzeuge fahren drüber, im Jahr 2030 sollen es laut Prognose sogar 35 000 sein.
72,2 Meter lang ist sie, 17,2 Meter breit und schwebt etwa 4,50 Meter über der Dahme. Aus dem 1892 erbauten Wahrzeichen war im Laufe der Zeit ein Schandfleck geworden. Der Zustand - desolat bis marode, die Bausubstanz erschöpft, das Mauerwerk teilweise rausgebrochen und von Feuchtigkeit befallen.
Aktuell verlaufen unmittelbar neben dem Bauwerk Richtung der Köllnischen Vorstadt zwei Behelfsbrücken, die im Rahmen der Sanierung der Langen Brücke Mitte der 1990er Jahre errichtet wurden. „Nach dem damaligen Sanierungsabschluss wurde allerdings deutlich, dass die historische Brücke allein das steigende Verkehrsaufkommen nicht tragen konnte. Seitdem führt der Verkehr zur Altstadt über das historische Bauwerk.
Der Verkehr in Richtung Westen dagegen wurde über die zwei Behelfsbrücken geführt“, heißt es bei der Senatsverkehrsverwaltung. Was nicht mehr ganz stimmt. Eine der Brücken ist derzeit gesperrt. Auf der anderen gilt Tempo 10. „Beide werden bis zum Baubeginn instand gesetzt“, versprach Brückenbauer Huhn. Über die Behelfsbrücken soll in der Bauphase auch der Tramverkehr führen.
Raus aus der Denkmalliste
Aus der Denkmalliste ist die Lange Brücke seit 2020 raus. Das war die Voraussetzung für den Abriss. Gleichwohl spielt der Denkmalschutz auch beim Neubau eine tragende Rolle. Michael Fischer vom beauftragten Bauingeneurbüro Leonhardt, Andrä & Partner zeigte via Fotomontagen und Grafiken verschiedene Varianten wie etwa die Lange Brücke und die Sichtachsen zum Stadtschloss und der Altstadt aussehen könnten.
Im Netz gab es sofort Kritik. „Was ich sehe, ist sehr schlicht und in erster Linie funktional. Zur Architektur der Altstadt passt sie so vermutlich nicht und über eine auffällig moderne Optik als Kontrast verfügt sie auch nicht“, kommentierte „Frosty“. Für ihn sei „es kaum vorstellbar, dass man einen ähnlich simplen Zweckbau wie die Salvador-Allende-Brücke vor das Barockschloss platzieren“ wolle.
Mindestens haltbar bis …
Über die Haltbarkeit des Neubaus nannte Bauingenieur Fischer einen Zeitraum von „wünschenswerten 100 Jahren“. „Bei einer so langen Zeit scheinen mir die Entwürfe doch etwas Old School“, merkte eine Schalte-Teilnehmerin an. Eine Erzieherin vom Kietz-Klub Köpenick mahnte eine verstärkte Einbringung von Kinder-Interessen an und eine Anwohnerin am Köllnischen Platz berichtete, dass ihre Wohnung „jede Stunde“ wegen des Lkw-Verkehrs über die Behelfsbrücke „mindestens einmal vibriert“â€. Sie rang Planer Fischer immerhin das Versprechen ab, dass der Neubau nicht „schwingungsanfällig“†sein werde.
„Wir sind noch in einer sehr frühen Planungsphase, wollten die Bürger aber schon jetzt mitnehmen“, sagte Brückenbauer Huhn. Allein in Treptow-Köpenick gibt es etwa 100 Brücken, bei 15 stehen laut Liste der Senatsverkehrsverwaltung projektierte Veränderungen an. „Die Liste ist nicht vollständig“, monierte Igel. Auch da ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen.