Wie jeder weiß, gibt es nur einen Mythos, der älter ist als das Siegel der Stadt, weißer und reiner als das Haar der Hauptmanndarsteller und spritziger als der Sekt, der in Gabriele Schöttlers Büro gereicht wird: Es ist die Geschichte vom Maulbeerblatt. Sie gleicht einer nicht enden wollenden Ode an die Kreativität und Lebensfreude, einem Lobgesang auf vergangene Tage und kommende Sünden.
Schon dem alten Friedrich hat das Blatt den Spiegel vorgehalten, daher auch der merkwürdige Name der illustren Illustrierten: so wurden die ersten Ausgaben des beliebten Südostmagazins zunächst auf Seidenpapier gedruckt, zu dessen Gewinnung die Ortschaft Friedrichshagen gegründet worden war. Hier säumten unzählige Maulbeerbäume die Straßenränder und hier spannen die Seidenfalter den Rohstoff für die Tages- und Gesprächsgestaltung der Köpenicker Leser.
Seit die Fotografie und nicht zuletzt der Vierfarbdruck ins Journaillengeschäft Einzug gehalten hat, gibt es für die Pflichtlektüre für jeden Randberliner keine Ausrede mehr. Ob Honnecker auf dem Cover, Krenz als ausfaltbares Pin-Up oder Gabi Schöttler in schickem Zwirn, es gab alles! Ein solches Heft – in 10. Generation – hat es Berlin so noch nicht gegeben.
Hätte der Schuster schreiben können, er wäre hier veröffentlicht worden. Schließlich ist auch dem Dichterkreis das Maulbeerblatt zu einem einmaligen Sprachrohr gereift. Gerhard Hauptmann hätte in Erkner, wo er am Teerwerk regelmäßig spazieren ging, keiner gekannt – zumindest seine Schreibe.
Über all die Jahre blieb der Stil dem Blatte treu und dieses seinen Lesern in ganz Südost-Berlin. Und das wird auch die nächsten 800 Jahre so bleiben. Schließlich verdankt der Köpenicker Bezirk ihm, dem Maulbeerblatt sogar seinen Namen, wurde doch damals jedes Schuppentier Morgen für Morgen in Ausgabe des Maulbeerblattes gewickelt. Bis zum Kopf reichte sie, was schließlich die Inspiration für den Städtenamen gab: Kopp nich!
800 Jahre Maulbeerblatt
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