Statt diesen friedlichen und kreativen Protest ernstzunehmen, riefen die Abgeordneten und Vertreter des Jugendhilfeausschusses die Polizei. Diese rückte laut Augenzeugenberichten mit einem Großaufgebot an und kesselte die Kundgebung ein. Glücklicherweise ließen sich die Protestierenden nicht provozieren und konnten ihre Veranstaltung ohne Eskalation beenden.
Wiederholt zeigt sich, dass legitimer und gewaltfreier Widerstand von Jugendlichen kriminalisiert und somit abgewendet wird. Erstaunlich ist dies vor allem, wenn man sich die durchweg positive Berichterstattung über die Stille Straße in Pankow betrachtet. Ende Juni besetzten etwa 50 Senioren ihre angestammte Altersfreizeitstätte, um einer Schließung derselben zuvorzukommen.
Dem waren monatelange Proteste und Verhandlungen vorangegangen, die keine Ergebnisse erzielten. Das Haus wird seitdem rund um die Uhr in Schichten bewohnt. Die Angebote, wie Tanz- und Sprachkurse, Lesungen, Tanzabende, Kaffe und Kuchen sowie Mittagessen, sollen alle fortgeführt werden. Auch über eine Öffnung für jüngere Menschen wird nachgedacht.
Unterstützt wurden die Besetzer unter anderem von dem linken Bündnis „Wir bleiben alle“. Vorbehalte gegen die jungen Linken schien es nicht zu geben. Stattdessen nutzen die Rentner die ausführliche Berichterstattung über ihre auf den ersten Blick altersuntypische Aktionsform, um auf andere Verdrängungen von Wohnraum, Jugend- und Kultureinrichtungen aufmerksam zu machen.
Unerwarteter Weise gelang hier ein Schulterschluss, der lange Zeit nicht wirklich abzusehen war. Von der Presse aufgegriffen werden die wenigsten Pressemeldungen der Stillen Straße, die sich nicht explizit auf ihre eigene besondere Position beziehen. Und doch laufen die Senioren bei nahezu jeder aktuellen Demonstration mit ihrem selbstgemalten Transparent mit. Sie solidarisieren sich unter anderem mit Frau Cengiz. Diese ist eine schwerbehinderte Neuköllnerin, der aufgrund einer fristlosen Kündigung die Obdachlosigkeit droht. Ein Bündnis aus Gruppen und Einzelpersonen kämpft momentan gegen die Verdrängung der Renterin.
Dass der Protest von Jugendlichen auch gehört werden kann, zeigte sich beispielsweise vor einem guten Jahr in Neukölln. Unter dem Motto „Kürzt nicht uns, kürzt Euch selbst!“ demonstrierten mehrere Hundert Jugendliche und Unterstützer gegen die geplanten Kürzungen in der Jugendhilfe. Auch diese Veranstaltung wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Die Einsatzkräfte reagiert maßlos überzogen auf die verschiedenen Protestformen.
Kurze Zeit später jedoch wurden die Kürzungen vorerst ausgesetzt, stehen jedoch nach wie vor im Raum. Besonders eindrucksvoll war hier die Vernetzung der zahlreichen Jugendeinrichtungen und örtlichen Initiativen. Zahlreiche Jugendclubs, wie der Mädchenclub Schilleria im Neuköllner Schillerkiez, sind auf finanzielle Hilfe angewiesen. Unterstützt wurde die Schilleria beispielsweise durch das linke Kneipenkollektiv Tristeza, die in ihren Räumlichkeiten eine Soliparty veranstaltete, bei der auch die Rap-Gruppe des Jugendclubs auftrat.
Es ist traurig zu sehen, dass die Notwendigkeit für Jugendeinrichtungen nicht erkannt oder sogar kleingeredet wird. Ein Bezirk, der zum Einen die Berliner NPD-Zentrale und zum Anderen die Lokalitäten in der mittlerweile wohl bekannten Brückenstraße in Schöneweide beherbergt, sollte vielleicht bedacht sein, KEINE Mittel zu streichen, die Jugendlichen eine alternative und angemessene Unterstützung und Lebensgestaltung ermöglichen. Kinder und Jugendliche für demokratische und emanzipatorische Gesellschaftsformen zu begeistern wird nicht gerade dadurch erleichtert, ihnen schon in so jungen Jahren jedes Vertrauen in Mitbestimmung und Einflussnahme nehmen.
Eine alternative Antwort auf massive Kürzungen und Schließungsdrohungen wählte Ende 2003 der Jugendclub „Mügge“ in Müggelheim. Sieben volljährige Jugendliche übernahmen – anfangs noch angeleitet von zwei professionellen Mitarbeitern – die Leitung ihrer Einrichtung. Sie gründeten einen Verein und organisierten die Finanzierung und den laufenden Betrieb.
Sicherlich ist diese Variante durchaus zu begrüßen, sofern sie denn möglich ist. Andererseits ist sie aber auch als Kapitulation vor den nichteingelösten Verpflichtungen des Staates zu sehen. Ältere, teilweise berufstätige Jugendliche müssen Aufgaben übernehmen, die eigentlich einer langjährigen Ausbildung bedürfen. Die Qualität der Jugendarbeit kann bei dieser Doppelbelastung und fehlender Schulung nicht gehalten werden.
Zudem ist eine professionelle und wichtige Abgrenzung zu den Betreuten nicht mehr möglich. Die letzte Möglichkeit einer Rettung besteht für das ABC am kommenden Donnerstag um 16.30 Uhr bei der Bezirksverordnetenversammlung. Auch hier wird zur Unterstützung für die Einrichtung eine Kundgebung abgehalten werden.
ABC rocked?
Der Köpenicker Jugendclub „ABC Rocks“ wird voraussichtlich zum Beginn des Jahres 2013 seine Türen schließen müssen.
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