Durchs Netz gefallen?

Die Altstadt verliert eine ihrer Attraktionen: Das Kletternetz, das in der Grünstraße eine Bebauungslücke zwischen den Grundstücken Nummer 5 und 9 überspannt, wird demnächst abgebaut. Der Grund dafür ist schnell ausgemacht: Der neue Eigentümer des Grundstücks Nummer 7 verlangt eine Nutzungsentschädigung, die das Bezirksamt nicht trägt. Die Hintergründe stellen sich allerdings komplizierter dar. Als das Bezirksamt das Netz 2007 errichten ließ, war das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Treptow-Köpenick, Verfügungsberechtigter über genau dieses Grundstück. Andere Eigentümer waren nicht bekannt. Die Eigentümer der Nachbargrundstücke Nummer 6 und 8 stimmten der Errichtung des Netzes zu. Als das Grundstück 2008 an die „Jewish Claims Conference“ rückübertragen und den ursprünglichen Eigentümern übergeben wurde, kamen keine Forderungen zur Entfernung des Netzes auf und es gab keine vertragliche Regelung zur Nutzung des Grundstücks. Der heutige Eigentümer kaufte das Grundstück im Juni vergangenen Jahres und verhandelte mit dem Bezirksamt über eine Vermietung des Grundstücks für das Netz. Die Verhandlungen blieben aber ergebnislos. Nun gibt es Überlegungen, das Netz nach seinem Abbau später im FEZ wieder aufzubauen. Das ist schade, denn die Netz-Skulptur ist ein Spielgerät und zugleich eine räumliche Verbindung zwischen Altstadt und Wasser. Es gehört zum KAi- AK-Projekt (Kunst + Architektur in Alt Köpenick), das Stadtbrachen temporär für Kunstprojekte nutzt. Mit dem Netz wollten drei niederländische Architekten (NL Architects) das Stadtgefüge vervollständigen und Lücken schließen sowie gleichzeitig ein Tor in die Altstadt schaffen. Bei den Besuchern und Kindern kam das gut an. Sie hätten sich gewünscht, dass sich das Bezirksamt für den Erhalt stark macht. Aber nicht nur wegen des Netzes steht das Bezirksamt in der Kritik. Vielfach wird die Frage aufgeworfen, welche Pläne für die Altstadt das Bezirksamt überhaupt verfolgt. Seit Februar 2007, also nach fast 15 Jahren Bauzeit, ist der Bereich Altstadt kein Sanierungsgebiet mehr. Das Bezirksamt zieht sich – auch finanziell – zurück. Von Seiten der Unternehmer und Gewerbetreibenden wird der Vorwurf laut, die Altstadt werde nun zur „Schlafstadt“. Belegt wird das unter anderem damit, dass es für Veranstaltungen wie „Jazz-in-town“ und die Initiativen in der Freiheit 15 keine Legalisierung vom Bezirksamt gibt. Und das, obwohl die Veranstaltungen erfolgreich viele Besucher anziehen. Auch andere Gastronomen wünschen sich mehr Unterstützung vom Bezirksamt. Schließlich stand einmal in den Sanierungszielen, dass sich um eine Revitalisierung und Attraktivitätssteigerung der Altstadt bemüht wird. Eine weitere Interessengruppe, nämlich die Anwohner, die keine Lärmbelästigung durch Veranstaltungen hinnehmen wollen, steht dem jedoch entgegen. Hier sind Reibungen wie beispielsweise im Friedrichshainer Kiez, in der Simon-Dach-Straße, vorprogrammiert. Ein zusätzlicher Wermutstropfen ist, dass das Köpenicker Schloss seit Oktober montags, dienstags und mittwochs wegen mangelnder Besucherzahlen geschlossen bleibt. Böse Zungen schieben auch das dem Bezirksamt in die Schuhe. Sie benennen fehlende Parkplätze und die unmögliche Umfahrung der Altstadt als Gründe. Keine Touristen, kaum Besucher – das bedeutet für die Gewerbetreibenden und Händler in der Altstadt natürlich auch weniger Umsatz. Die kleine Fußgängerzone, die während der Sanierung geschaffen wurde, wird an Attraktivität verlieren, wenn der Leerstand zunimmt. Im Hinblick auf andere Stadtgebiete wie die derzeitigen Sanierungsgebiete Oberschöneweide und Niederschöneweide ist ohnehin fraglich, wie viel Einfluss das Bezirksamt nach dem Abschluss der Sanierung überhaupt nehmen will und kann. Ein Mitarbeiter des Amtes beschreibt es so: „Wir können doch niemanden zwingen, in die Altstadt zu kommen.“ Veranstaltungen, die das Bezirksamt organisiert hat, gab es im letzten Jahr zum 800-jährigen Jubiläum von Köpenick etliche, viele davon auch in der Altstadt. In den anderen Ämtern gilt Treptow- Köpenick aufgrund seiner vielen Feste sogar als „Partybezirk“. Über die Qualität dieser Veranstaltungen lässt sich streiten. Zur Entschuldigung der Ausrichter müssen hier Wirtschaftskrise, knappe Budgets und Haushaltssperren herhalten. Im ersten Quartal 2010 wird es eine Neuauflage der Altstadtkonferenz geben, in der die wirtschaftliche Entwicklung Thema ist. Gewerbetreibende, Vermieter, Investoren, Bürger, Politiker und Verwaltung werden dann konkrete Ziele und Entwicklungsschwerpunkte für die Köpenicker Altstadt festlegen. Bleibt zu hoffen, dass es diesmal gelingt, die Interessen aller zu berücksichtigen und sich gemeinsam dafür einzusetzen, dass die Altstadt nicht durch das Netz fällt.

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