Ralf Müller – der Mann der schlechten Neuigkeiten
„Hätte Gott gewollt, dass ich fliege, hätte er mir Flügel gegeben.“
Ralf Müller zieht es vor, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben. Nur am Montagabend auf dem Friedrichshagener Marktplatz erklimmt er regelmäßig die Ladefläche eines Kleintransporters, um von dieser improvisierten Bühne herab das Neueste der Woche zu verkünden. Den Kragen offen, die Hand in der Hosentasche – so sagt er seinen Mitbürgern unaufgeregt aber in deutlichen Worten, was Sache ist. Selten hat er Erfreuliches zu verkünden. Der andauernde Skandal um den künftigen Flughafen Willy Brandt bringt immer neue unappetitliche Details über die Ab- und Hintergünde dieses desaströsen Großprojektes ans Tageslicht. So wiesen bereits lange vor Baubeginn Brandenburger Ministerialbeamte ihren Landesvater darauf hin, dass ein Großflughafen am Standort Schönefeld gegen Artikel 2 des Grundgesetzes verstoßen würde. Die körperliche Unversehrtheit wird von Herrn Platzeck heute jedoch als nebensächlich erachtet. Dass die pompöse Eröffnung nun aus vorgeschobenen Gründen abgesagt werden musste, ist lediglich der aktuelle Höhepunkt einer lückenlosen Aneinanderreihung politisch motivierter Fehlleistungen. Tausenden Unschuldigen wird damit ein Strafaufschub gewährt, doch wenn es nach dem Willen ihrer gewählten Volksvertreter geht, heißt das parteiübergreifende Urteil: Lärm, Dreck und Krankheitsrisiko – lebenslänglich!
Mit der Bekanntgabe der aktuellen Flugrouten offenbarten die Flughafenplaner erst auf der Zielgeraden ihr anmaßendes Kalkül. Die neu ‚designte‘ Müggelseeroute machte auch die Friedrichshagener zu Betroffenen. Dies allein trieb Ralf Müller jedoch nicht auf die Barrikade. Die kalte Effizienz der Macht, das Hinwegsetzen über ausgewiesenen Sachverstand, das Ignorieren aller demokratischen Normen, sowie die Abwesenheit jeglicher Moral haben den erfahrenen Bauplaner dazu herausgefordert, sich in der Friedrichshagener Bürgerinitiative zu engagieren. „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ ist für Ralf Müller ein gültiges Lebensmotto.
Das Brecht-Zitat beschreibt das Selbstverständnis eines Mannes, der die Demokratie als große gesellschaftliche Errungenschaft erachtet und der es als seine schlichte Bürgerpflicht versteht, diese nicht zur willfährigen Lobbykratie verkommen zu lassen. Geweckt wurde dieser kritische Geist bereits in der evangelischen Studentengemeinde. Über die innerdeutsche Grenze hinweg stand der Aachener in regem Austausch mit oppositionellen Kirchenkreisen in Zittau. Die Erfahrungen jener Jahre geben ihm bis heute Zuversicht. Solange David die besseren Argumente hat, wird Goliath eines Tages in die Knie gehen. Beim Flughafen London-Heathrow dauerte der Kampf 15 Jahre. Nun wird neu geplant. Eine dritte Startbahn wird es dort nicht geben. Weit vor den Toren der Stadt soll ein zukunftstauglicher Flughafen für das 21. Jahrhundert entstehen. Ralf Müller ist guten Mutes, dass man auch in der deutschen Hauptstadt der Vernunft zum Sieg verhelfen kann. Die Friedrichshagener organisieren gemeinsam mit vielen anderen Bürgerinitiativen aus Berlin und Brandenburg den Widerstand und sind aktiv im bundesweitem Netzwerk. Aktuell geht es darum, genügend Unterschriften für ein Volksbegehren in Berlin zu sammeln – für ein wirksames Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Darüber hinaus beschreiten die Friedrichshagener auch den kostspieligen Rechtsweg, um den expansiven Flughafen an die Kette zu legen. Alle Bürger sind eingeladen, sich zu informieren und zu engagieren.
Auf der nächsten Montagsdemo begrüßt sie Ralf Müller wie immer mit einem kraftvollen „Hallo zusammen!“
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„Hallo zusammen!“
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