Überraschung in Köpenick

Die Musikschule zurück in der Altstadt
Anfang letzten Jahres überraschten Stadtrat Simdorn und Amtsleiterin Indetzki Lehrer und Eltern der Musikschule in der Friedrichshagener Straße mit folgender Nachricht: Der Musikschulstandort solle zum 31.12.12 geschlossen werden, um die Kosten für Unterhalt und Sanierung der Immobilie einzusparen. Kurz zuvor hatte man noch versichert, den Standort erhalten zu wollen. Der Unterricht sollte nach den Vorstellungen des Bezirkes auf diverse Schulen und Standorte aufgeteilt werden, was erfahrene Lehrer und Eltern sehr kritisch beurteilten. (Das MBB berichtete in der Ausgabe 53.) Alternative Lösungen gab es aus Sicht von Stadtrat Simdorn nicht.
f15 Nach vehementen Protesten der Eltern, die deutlich über den von Bürgermeister Igel prognostizierten Zeitraum „von fünf bis sechs, allerhöchstens zehn Wochen“ hinaus gingen, und dank des Engagements von Stadtrat Hölmer, der seit letztem Sommer den erkrankten Stadtrat Simdorn vertritt, wurde die Einrichtung eines Runden Tisches möglich. Dort kam es trotz äußerst verhärteter Fronten zu einer überraschenden Einigung und zur Abwendung der Dezentralisierung. Diese hätte nach Meinung vieler Eltern und Lehrer eine Auflösung bzw. den Niedergang der Köpenicker Musikschule bedeutet. Der Bezirk in Person des Stadtrates Hölmer unterbreitete jedoch zur Erleichterung aller Anwesenden das Angebot, ein Gebäude in der Freiheit 15 zur Verfügung zu stellen. Dessen Bewirtschaftungs-, Umbau- und Sanierungskosten liegen jedoch laut bezirkseigenen Berechnungen deutlich höher als jene in der Friedrichshagener Straße. Insider sprechen vom teuersten und finanziell belastendsten Gebäude im Besitz des Bezirkes. Hinzu kommen die Kosten für den musikschulgerechten Ausbau, die akustische Dämmung, behindertengerechte Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes etc. sowie eben auch die laufenden Kosten des Standortes Friedrichshagener Straße bis zum Umzug in das neue Gebäude. Insgesamt also eine sehr kostenintensive Lösung – besonders wenn man sich vor Augen hält, dass es ja ursprünglich und offiziell um Einsparungen ging und nicht etwa um die spezielle Lage des Grundstückes zwischen Alter Spree und Bellevuepark. (Das MBB berichtete – siehe Ausgabe 60.) Das sieht auch Hölmer so, stellt diesen Zahlen jedoch gesamtbezirkliche Einsparungen durch Verwaltungsverdichtung (Aufgabe weiterer Verwaltungsgebäude) in ebenfalls nicht unerheblicher Größenordnung gegenüber. Zudem erhofft er sich in seiner eigentlichen Funktion als Stadtrat für Stadtentwicklung von der teuren Entscheidung für das Gebäude in der Freiheit 15 nach eigenen Worten eine Chance zur Aufwertung und Belebung der Köpenicker Altstadt. Zudem müsse die Freiheit 15 aufgrund langfristiger Mietverträge ohnehin im Bezirksvermögen verbleiben und daher stelle sich die Frage, welches Amt dieses Gebäude am besten nutzen kann. Gesamtbezirklich, so wird offiziell argumentiert, rechnet es sich daher wieder. Für die Elternvertreter wiederum ist der Vorschlag des Bezirkes im Vergleich zur ursprünglich geplanten Zersplitterung des Köpenicker Musikschulstandortes ein unerwarteter Glücksfall, vergleichbar mit einem Märchenende. Statt einem „Und wenn sie nicht gestorben sind …“ bliebe nur noch zu erwähnen, dass sich die Musikschule bis Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bereits an eben jenem Ort in der Altstadt befunden hatte. So scheint die Zukunft der Joseph-Schmidt-Musikschule zunächst gesichert. Doch wie will der klamme Bezirk die höheren Kosten auffangen? Werden die Mehrausgaben demnächst dem Unterhalt der Musikschule zugeschlagen? Dies würde sicher in naher Zukunft wieder für Konfliktpotential sorgen, wenn seitens des Bezirksamtes die Frage entsteht, warum die Musikschule denn nur so hohe Kosten verursache ... In jedem Fall gilt es unbedingt eine Reduzierung der Angebote zu vermeiden. Hinzu kommt, dass es durch die angespannte Atmosphäre und die Standort-Unsicherheiten in den vergangenen Monaten bereits zu Abmeldungen von Schülern und Kündigungen durch Lehrkräfte gekommen ist - ganz abgesehen von der prekären Situation eines Großteils der Lehrerschaft, welche sich in der Grauzone zwischen Scheinselbstständigkeit und Honorarverhältnis befinden. Die Musikschule beschäftigt über 120 Lehrkräfte – davon über 90% auf Honorarbasis. Ab 01. April sollen neue Regelungen für die Beschäftigten gelten, die deren Arbeitsbedingungen insgesamt schlechter werden lassen. Die Honorarkräfte werden künftig ein höheres finanzielles Risiko tragen müssen; fair wäre da eine deutliche Erhöhung der Honorare gewesen. Professor Siegfried Lorenz vom Freundeskreis der Musikschule appelliert an die Lehrer „die Sklavenhalterbedingungen“ nicht zu akzeptieren und ihre Unterschrift zu verweigern. Doch wer die neuen Verträge nicht unterschreibt, muss fürchten, durch neu eingestellte Honorarkräfte ersetzt zu werden. Dabei fühlen sich viele Musikschullehrer mit abgeschlossenen Studium bereits jetzt als schlecht behandelte und bezahlte „Nebenberufler“. Um ihren Forderungen in diesen Punkten, aber auch in fachlichen Fragen und der Organisation mehr Gewicht zu verleihen, streben die Lehrervertreter nach einem von offizieller Seite anerkannten Gremium. Der Bezirk steht diesem Begehren jedoch ablehnend gegenüber und verweigert seine Anerkennung. Er billigt seinen freien Mitarbeitern keine Interessenvertretung zu, obwohl diese in anderen Bezirken Berlins längst gang und gäbe sind. Hintergrund ist die Befürchtung des Rechtsamtes, Teile der Lehrerschaft könnten sich aufgrund ihrer zwar befristeten, aber immer wieder erneuerten Verträge in ein festes Anstellungsverhältnis einklagen. Um aber auf Dauer ein Klima für qualitativ hochwertigen Unterricht an der Musikschule zu schaffen und damit u.a. auch die Investitionen in die Freiheit 15 zu rechtfertigen, ist es nötig, alle Beteiligten ernst zu nehmen und in transparente und faire Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Und wie wir nun gelernt haben, muss man in Treptow-Köpenick auf Überraschungen gefasst sein. Vielleicht geschieht ja auch im Sinne der Lehrerschaft ein ähnliches Wunder, wie wir es schon bei der „alternativlosen Dezentralisierung“ erleben durften.

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