Wer hätte das gedacht, dass zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung gutbetuchte Stuttgarter mit Trillerpfeifen durch die Straßen ziehen und lautstark „WIR SIND DAS VOLK! skandieren. Und wen wundert es, dass sie zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution von der Polizei brutal verprügelt werden? Was ist da los? Hat das Stuttgarter Bürgertum einen Staatsstreich geplant? Will man im Ländle den Kommunismus einführen, bestehende Klassenschranken niederreißen oder gar die Hartz-IV-Beträge um weitere fünf Euro in die Höhe treiben?
Nein, es geht um einen Bahnhof, hochmodern und unterirdisch, Weltniveau, versteht sich. Die Fahrzeiten ließen sich künftig um mehrere Minuten kürzen. Und was meint unsere Staatsratsvorsitzende zu dem umstrittenen Projekt? Sie stilisiert das Milliardengrab zur Überlebensfrage der freien Welt. Seither befinden sich die Betriebskampfgruppen in Alarmbereitschaft, während sich unsere kapitalistischen Bruderstaaten mit massiven Truppenverlegungen auf den Bündnisfall einstellen. Rollen bald tschechische Panzer durch die Stuttgarter Bahnhofstraße? Zielt der eilends beschlossene NATO-Raketenschild auf die württembergische Landeshauptstadt?
In letzter Sekunde will Heiner Geißler mit Bahn und Bürgern die Friedenspfeife rauchen. Es heißt jedoch, Herr Mappus hätte längst eine vollgetankte Maschine hinter der Staatskanzlei geparkt. Käme es aber hart auf hart, könnte sich der fortschrittsliebende Landesvater ins sächsische Exil absetzen. Dort ist die Welt noch in Ordnung. Die Dresdner standen dem Fortschritt nie im Wege und verschleuderten dafür bereitwillig ihren Weltkulturerbe-Status. Mappus wäre aber auch in unserem schönen Köpenick willkommen. Auf dem weitläufigen Hellweg-Kundenparkplatz könnte seine Exilregierung einstweilen ihren Bürocontainer aufstellen.
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