Das bisschen Galerie macht sich von allein

Welcher Oberhäuptling entschied, dass die Galerie Adlershof zukünftig ohne eigene Leitung auskommen soll?
Gesucht: ein Konzept für die Kunst. Die kommunale Galerie soll während der Umbauarbeiten in der Alten Schule umziehen. Ein Ort scheint gefunden, die personelle Lage bleibt ungewiss.
Der große Saal der Galerie „Alte Schule“
Foto: Björn Hofmann

Wenigstens ein Problem scheint gelöst: Für die einzige kommunale Galerie in Treptow-Köpenick ist offensichtlich ein Übergangsquartier gefunden. Die Kunsteinrichtung, die weit über Berlin hinaus bei Künstlern und Besuchern einen guten Ruf genießt, könnte während der Umbauarbeiten der Alten Schule in Adlershof ins Rathaus Johannisthal ziehen. Dort gebe es geeignete Räume, heißt es aus dem Bezirksamt.

Die Umbauarbeiten im Kulturzentrum an der Dörpfeldstraße sollen am 7. Januar 2021 beginnen. Doch das ist schon die einzige gute Nachricht in Sachen Galerie. Denn wie es personell mit der Kunsteinrichtung weitergeht, bleibt ungewiss. Rund 50 Künstler haben jetzt gegen eine Entscheidung des Bezirksamtes protestiert, die Leitungsstelle für die Galerie zu streichen.

„Die Arbeit in einer kommunalen Galerie, die ein qualitativ hochwertige Ausstrahlung haben soll, kann nicht nebenher oder von nicht-qualifiziertem Personal geleistet werden“, heißt es in einem Protestbrief an Bürgermeister Oliver Igel (SPD). Ein Wegfall der Leitungsstelle werde eine negative Wirkung auf die Qualität des kulturellen Lebens im Bezirk haben.

Ausgangspunkt für den Protest ist ein Brief aus dem Kulturamt von Anfang Mai. Darin wird den Mitgliedern der Kommission Kunst am Bau und im öffentlichen Raum freudig mitgeteilt, dass es nach sechs Jahren endlich wieder einen Leiter für den Fachbereich Kultur und Museum im Kulturamt Treptow-Köpenick gibt. Leider sei „dafür seitens des Bezirksamtes ein hoher Preis gefordert“ worden: der Wegfall der Stelle für die Galerieleitung nach dem Ausscheiden der jetzigen Leiterin am Ende dieses Jahres.

Nicht das Amt für Weiterbildung und Kultur, so heißt es explizit in dem Schreiben, habe über den Wegfall der Stelle entschieden, sondern die für Personal und Finanzen zuständige Abteilungsleitung sowie das Bezirksamtkollegium.


Ein Amt mit Anspruch

Dass die Leitung einer Galerie sehr viel mehr ausmacht als mehrmals im Jahr neue Bilder aufhängen zu lassen, schildert Martin Schönfeld vom Kulturwerk des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlin (bbk), der rund 2.250 Künstler in der Stadt vertritt: „Die Leitung ist zuständig für das Konzept der Ausstellungen, sie wählt die Werke aus, hält Kontakt zu den Künstlern und organisiert begleitende Veranstaltungen.“

Eine anspruchsvolle Aufgabe also, die Kontinuität und hohe Professionalität voraussetzt. Die Galerie Alte Schule ist die einzige kommunale Galerie im Südost-Bezirk – in Lichtenberg etwa gibt es vier solcher Einrichtungen, in Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf jeweils zwei.

Das Konzept der Galerie Alte Schule sieht vor, dass dort vorrangig zeitgenössische Kunst gezeigt wird – besonders für ein Publikum, das außerhalb der kulturellen Zentren Berlins lebt und nicht so oft in die Innenstadt fährt. Jährlich werden auf den gut 300 Quadratmetern der früheren Schulaula, einem lichtdurchfluteten Raum mit hohen Wänden, sechs bis sieben Gruppenausstellungen aller künstlerischer Genres gezeigt. Ob Malerei, Grafik oder Fotografie, ob Bildhauerei oder Videokunst, alle möglichen Genres sind vertreten. Es gibt zudem eine gute Kooperation der Galerie mit Kitas und Schulen sowie regelmäßige Führungen und Künstlergespräche.

„Es ist erbärmlich, wie im größten Bezirk der Stadt, der zugleich Wohn- und Wohlfühlort für viele Menschen ist und eine große Kunsttradition hat, derart an der Kultur gespart wird“, sagt Martin Schönfeld vom bbk Berlin.

Treptow-Köpenick sei, was Kunst und Kultur betreffe, trotz allen Engagements und aller Traditionen eindeutig unterbelichtet. Kultur entstehe nämlich nicht von alleine und könne nicht „einfach mal nebenher gemacht werden“, mahnt er. Schönfeld meint damit auch die Tatsache, dass der Fachbereich Kultur, Kunst und Museen im Bezirk mehr als sechs Jahre ohne eigenständige Leitung eher ein Schattendasein  führte. (Die Amtsleiterin Annette Indetzki musste den Fachbereich Kultur und Museum nach dem altersbedingten Ausscheiden von Frau Tyrolph kommissarisch mitverantworten.)


Wer entschied, dass die Galerie ohne Leitung auskommen muss?

Kulturstadträtin Cornelia Flader (CDU) teilt auf Anfrage mit, sie bitte in Sachen Galerie-Personalien um Geduld. Natürlich werde es mit der Galerie weitergehen. Zu dem Vorwurf im Schreiben aus ihrem Amt, das Bezirksamtkollegium und vor allem der Fachbereich Personal und Finanzen hätten über den Wegfall der Leitungsstelle entschieden, sagt sie nichts: Sie dürfe aus vertraulichen Sitzungen des Bezirksamtes nicht berichten, heißt es knapp in einer schriftlichen Stellungnahme der Politikerin.

Auch Bürgermeister Oliver Igel (SPD), der für den Bereich Personal und Finanzen zuständig ist, äußert sich unter Berufung auf die Vertraulichkeit nicht zur Causa Galerieleitung. Igel wird nur in einem Punkt deutlich: Die Besetzung oder Nachbesetzung der Galerieleitung sei überhaupt kein Beschlussgegenstand im Kollegium gewesen. Die Aussage in dem Brief, wonach die Abteilung Personal und Finanzen entschieden habe, die Stelle der Galerieleitung nicht wieder zu besetzen, sei falsch. Weitere Angaben macht der Bürgermeister nicht.

Wie war es aber denn nun wirklich?


Zu viele Häuptlinge für die Kultur?

Nach Information dieser Autorin hatte der Steuerungsdienst, ein internes Gremium des Bezirksamtes, das unter anderem auf die Einhaltung des bezirklichen Haushalts in den verschiedenen Ressorts achtet, die Neubesetzung des Fachbereichsleiters für Kunst, Kultur und Regionalgeschichte bemängelt: Es sei dafür schlicht kein Geld im Etat des Kulturbereichs vorhanden und ohnehin würden vonseiten der Kulturabteilung zu gern neue Leitungsposten ausgeschrieben. Die Folge seine dann zu viele Häuptlinge für die wenigen Indianer – also Mitarbeiter ....

Nach langen Diskussionen kam man im Bezirksamt schließlich zu einer Lösung: Der neue Fachbereichsleiter für Kultur, Kunst und Museen habe ja bereits als Kurator für Ausstellungen gearbeitet, sei also erfahren in Sachen Galerien. Deshalb könne er auch in Treptow-Köpenick um die Galerie kümmern, ein neuer Leitungsposten wäre also entbehrlich. Andernfalls müsse man – grob gesagt – aus haushalterischen Gründen auf die Besetzung der Fachbereichsleitung verzichten. Sämtliche Mitglieder des Bezirksamtes, auch Kulturstadträtin Flader, sollen diesem Kompromiss zugestimmt haben.

Niemand aus dem Bezirksamt will sich dazu äußern. Wie gesagt, die Sitzungen des Bezirksamtes sind vertraulich. Aber die Quelle für die Informationen gilt erfahrungsgemäß als zuverlässig, so dass man deren Schilderungen vertrauen kann.


Konzept eingefordert

Das Thema Alte Schule und ihr Umbau sowie die Galerie und deren Zukunft wird im Bezirk noch länger eine Rolle spielen. Linke, CDU und Grüne haben in der letzten Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vor der Sommerpause am 18. Juni klare Konzepte für die personelle Absicherung der Galerie sowie für die künftige Arbeit der Einrichtung gefordert. Eine Anfrage der Grünen, wie es denn nun wirklich zu dem Beschluss über die Nichtbesetzung der Galerieleitung gekommen sei und wie das Konzept der politisch Verantwortlichen aussieht, ließ Stadträtin Flader bis zum gesetzten Termin am 29. Juni unbeantwortet.

Und die Künstler? Sie hadern noch immer mit dem Kompromiss, den sie vor gut einem Jahr im Zusammenhang mit dem Umbau des Kulturzentrums Alte Schule eingegangen waren, zwangsweise, wie sie heute sagen: Beim Umbau der Galerie werden wie vom Architekten geplant ein Treppenhaus und eine Trennwand in den Raum eingebaut, die Gegebenheiten ließen keine Alternativen zu, hieß es. Die Wand wird jetzt aber statt aus Glas auf zirka 7,65 Metern Breite massiv gebaut. So kann auch dort weiter Kunst gezeigt werden. Nur seitwärts der massiven Wand entstehen auf etwa 1, 45 Metern Glasflächen mit Blendschutz und Verdunklungsrollo.

Ein Problem sei aber noch nicht geklärt, kritisiert die Künstlerin Liz Crossley, die den Protestbrief mit unterzeichnet hat:

„In der Galerie sollen auch andere, nicht-künstlerische Veranstaltungen stattfinden, das können wir so nicht hinnehmen.“

Aus versicherungstechnischen und künstlerischen Gründen könne man nicht beliebig Skulpturen verrücken oder Bilder umhängen, um Platz zu schaffen. Die vom Bezirk versprochenen Gespräche über solche Themen, die nach dem Umbau in drei, vier Jahren akut werden, seien leider eingeschlafen, die Transparenz der Verwaltung sei mangelhaft.

Für den Sommer ist ein Treffen mit allen Beteiligten vorgesehen. Vielleicht gibt es dann auch etwas Neues zur Galerieleitung zu verkünden. Denn wie heißt es so schön: Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen...



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