„Liebe Köpenicker und Köpenickerinnern, liebe Freunde und Mitstreiter. Ein langer und ereignisreicher Weg liegt hinter uns und manchmal, so sagt ein altes Sprichwort, ist eben der Weg das Ziel.
Gern hätte ich heute als neue Bürgermeisterin zu Euch gesprochen. Lange sahen uns alle Prognosen vorn, doch auf den letzten Metern, quasi auf der Ziellinie, konnten uns die etablierten Parteien doch noch den Rang ablaufen. Dem Sieger gilt deshalb unsere sportliche Anerkennung. Oliver Igel sollte sich darum bemühen, in Zukunft ein Bürgermeister aller Köpenicker zu werden. Und weil 0,3 % ja auch nicht Nichts sind, möchte ich jedem einzelnen unserer 338 Wähler ganz persönlich danken, dass ihr uns eure Stimme und euer Vertrauen geschenkt habt – wir telefonieren die Tage!
Natürlich können wir mit unserem Ergebnis noch nicht restlos zufrieden sein. Gerade deshalb ist jetzt Geschlossenheit gefragt und keine unsolidarische Personaldebatte. Wir feiern gemeinsam unsere Siege und unsere Niederlagen!
Wir werden das Wahlergebnis gründlich analysieren und in Ruhe und großer Sachlichkeit die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Eines kann man allerdings schon heute sagen, der Olli sah verdammt süß aus, auf den Wahlplakaten, und in Köpenick wohnen offensichtlich viele Frauen mit einem großen mütterlichen Herzen, bei denen hatten wir wohl niemals wirklich eine Chance."
Als die Scheinwerfer erloschen, kullerte dann doch noch eine Träne. Herr Hagen reichte seiner Friederike ein volles Glas und schaute böse in die Runde, als wir wieder mit unserem Lamento anfingen. Haben wir doch gleich gesagt! Warum wolltest du auch nicht auf uns hören, haben wir gefragt. Politik war schon immer ein schmutziges Geschäft, daran kannst auch Du nichts ändern!
Doch all unsere gut gemeinten Worte halfen wenig. Friederike versank in tiefer Traurigkeit. Diese wurde noch schlimmer, als sie die übrigen Politmatadore im Fernsehen sah, den pausbäckigen Flughafenaufsichtsrat, der damit drohte, als neuer alter Oberbürgermeister, mit seinem Nachtflugdrehkreuz jetzt erst richtig Ernst zu machen und die großmäulige Grüne, die behauptete nicht umsonst zu haben zu sein, während ihr jeder faule Kompromiss bereits tief ins Gesicht geschnitten stand.
Lediglich das Abschneiden der FDP zauberte Friederike ein kleines mitfühlendes Lächeln ins Gesicht und als wir ihr vermelden konnten, dass sie in ihrem Wahllokal 609 die gelbe bürgerliche Mitte hinter sich gelassen hatte, strahlte sie übers ganze Gesicht!
Mit grimmiger Entschlossenheit will sich Friederike fortan in die außerparlamentarische Opposition begeben und den Mächtigen wachsam auf die Finger schauen. Jetzt muss sie los. Morgen klingelt früh der Wecker. Die Kinder wollen in die Schule.