… die Phoenix kriegt was erzählt:

Von Alf Ator

Was ist für sie typisch Friedrichshagen?
Die Erklärung der komplialf-atorzierten Linienführung der Tram. Wenn mich jemand fragt, welche Tram er braucht, um von hier zur Altstadt zu kommen und vor allem auf welcher Straßenseite er sich positionieren muss. In Friedrichshagen weiß man das einfach, Zugereiste sind da im Nachteil. Also wenn man auf der linken Seite steht kann man die 61 nehmen, aber nicht die 60. Wenn man auf der rechten Straßenseite steht, nimmt man die 60, aber nicht die 61. Das kann dann so mancher nicht einfach hinnehmen.

Was lesen sie gerade vor dem Schlafengehen?
Ach, ich weiß gar nicht wie das Buch heißt – es werden da alte Meisterwerke ikonographisch besprochen.

Von den materiellen Dingen, die sie besitzen – auf was könnten sie sofort verzichten?
Auf den alten kaputten Kühlschrank vor meiner Tür und auf einige Kilo Eisen in meinem Auto (dann bräuchte es weniger Benzin). Manche Sachen würde ich gar nicht erst bekommen wollen – so zum Beispiel die unangenehmen Briefe in meinem Briefkasten. Alles Rechnungen und so – keine Fanpost oder Liebesbriefe. Leider.

Welchen Gegenstand würden sie auf jeden Fall aus ihrem brennenden Haus retten?
Das gibt eine ganz blöde Antwort, aber das geht nicht anders – meinen Laptop.

Einsame Insel. Wen nehmen sie auf gar keinen Fall mit?
Ach? Von denen, die ich nennen dürfte, sind alle zu weit weg und völlig unverfänglich. Das ergibt einfach keine spannende Antwort.

Was tun sie um wieder ‚aufzutanken?
Da ich nicht wirklich an beranstrengung leide, kann ich das gar nicht so sagen. Ich leide eher an Unkoordination und sehne mich eher danach richtig zu fahren, finde aber die richtige Strasse nicht

Für einen Außenstehenden sieht mein Leben wahrscheinlich gerade so – der hängt nur rum. Ich war vor kurzem im Urlaub, der mir weder gut noch schlecht getan hat. Als ich dann Zuhause war, war da auch immer noch das hinterlassene Chaos und ich sagte mir, dass ich wohl lieber hiergeblieben wäre, dann wäre das Chaos jetzt vielleicht beseitigt. Da Chaos ist aber wohl vor allem in mir, statt außerhalb. Das Chaos, das ich brauche um überhaupt kreativ zu sein, hindert mich momentan aber daran, mir meine Freiräume so zu gestalten, dass ich überhaupt kreativ sein kann.

Das dumme Leben, also das normale Leben mit seinen unangenehmen Briefen im Briefkasten krabbelt nachts an mir hoch und will in mein Gehirn. Wenn ich im Urlaub bin, ist das alles zwar weg – nur bin ich wieder da, steht das ganze Zeug wieder auf der Matte. Es fehlt mir irgendwie noch – dieser richtige Weg, wie das alles zu machen ist.

Ich kann mich erinnern, als ich vor Jahren mal meine Mutter besucht und ihre Hecke geschnitten habe – das war geil! Das würde hier als Antwort passen. Aber ich habe momentan keine Hecke. Also schreib: Hecke gesucht.

Zeitmaschine. In welche Zukunft oder Vergangenheit reisen sie und wen wollen sie dort treffen?
Ach da gibt es so einiges. Zuerst würde ich mal zum Ende der 80er Jahre reisen, um mich selbst zu treffen und mir ein anderes Maß zwischen Pathos und Ironie eintrichtern. Ich habe das erst sehr spät gefunden und ich denke manchmal, es wäre gut gewesen, da früher hingekommen zu sein.

Dann würde ich in die Vergangenheit reisen und selbst Amerika entdecken. Wo ich da genau landen würde, ist mir egal. Es geht mir nur um den Namen – Alf Ator, Entdecker von Amerika.

Ich würde auch mal gern Mäuschen spielen in der Antike, um mich mit so einem Stadthalter und seinem Sklaven zu unterhalten und zu sehen, wie die so ticken. Wir würden uns dann über Fragen zu Gut & Böse, dem Sinn des Lebens und so weiter unterhalten und ich würde ihnen auch erzählen, wo das alles mal hinführen wird. Den Griechen würde ich mal erzählen, was dann heute so aus ihrem Staat geworden ist. Da nützt es ihnen gar nichts, dass sie damals schon soviel weiter waren. Heute kriegen sie von uns Millionen und Milliarden, damit sie nicht untergehen.

Welches Lied könnten sie immer wieder hören und mitsingen?
‘Shape of my heart von Sting.

Was war ihr Lieblingsessen als Kind?
Stulle mit grober Leberwurst – das war für mich das Größte. Dann habe ich mich auch immer auf die rheinische Bohnensuppe von meiner Oma gefreut.

Woran glauben sie?
An die Evolution. An das Prinzip der Evolution – es steckt da einfach viel drin, was einem bei der Suche nach dem richtigen Weg helfen kann. Mich fasziniert die Einfachheit. So ein Molekül ist zwar eine komplexe Sache – und mir ist dabei auch egal ob da ein Gott kam und es erschaffen hat oder ob es einfach durch Zufall entstanden ist – aber ich steh drauf, das mit Entstehen diese Moleküls ein Prozess in Gang gesetzt wurde, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Auch wenn es vielleicht mal sehr unwahrscheinlich war, dass so ein Molekül überhaupt entsteht – aber jetzt ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Leben als solches wieder aufhört.

Was bringt sie zum Lachen?
Alles, was so ein bisschen doof ist. Also mein Sohn hat jetzt so eine Phase, wo er mich zum Lachen bringt. Er ist jetzt 8. Ach, eigentlich war er schon immer so. Hätten wir das Interview vor 3 Jahren gemacht, hätte ich auch gesagt, dass er gerade eine Phase hat. Also zählt das nicht.

Ich mag Helge Schneider. Der ist zwar nicht doof, aber der macht doofe Sachen, die hochintelligent sind. Ich kann mich noch erinnern als ich damals im als Filmvorführer gearbeitet habe und mein Boss mir den Gefallen getan hat und den ‚Texas. Film dort als Prämiere hat laufen lassen. Es war so schön. Es war so wunderbar anzusehen, wie aus jeder Vorstellung eine Hand voll Leute gegangen sind. Es gibt halt Leute, die sagen, heute gehen wir ins Kino. Egal was kommt. Aber für jemanden, der Helge Schneider nicht begriffen hat, für den muss das eine Beleidigung gewesen sein. Das ist ja nicht mal wirklich ein Film.

Beschreiben sie sich mit nur einem Wort.
Durcheinander.

Was war ihr spektakulärster Misserfolg?
Vor vielen, vielen Jahren als ich noch keine Band hatte. Ich hatte ein Gerät, womit man Songs programmieren kann und wollte mit einem Freund ein Duo gründen, das bei Hochzeiten, Familienfeiern und so auftritt. Wir wollten Songs aufnehmen – damals war das noch richtig aufwendig. Ich habe da ein Jahr dran gearbeitet.

Nebenbei hatte ich einen Auftrag, Filmmusik zu machen und bin mit all meinen Gerätschaften nach Mecklenburg-Vorpommern gereist. Ja und da haben sie mir mein Auto geklaut. Das waren wohl Jugendliche, die sich amüsieren wollten. Irgendwann haben wir das Auto wiedergefunden. Mein Keyboard war wohl zu schwer, um weggetragen zu werden. Aber der Koffer mit den Kassetten war weg. Aber wer weiß, wenn damals diese Jugendlichen nicht mein Auto geklaut hätten, würde ich vielleicht noch heute auf Hochzeiten auftreten.

Was ist ihnen peinlich?
Ich schnarche. Meine Mutter ist mir auch manchmal peinlich. Ich liebe sie. Sie ist auch sehr musikalisch. Wenn ich mit ihr die Bölsche runterlaufen würden und da wären so ein paar Jugendliche vor Kaisers mit einer Gitarre, dann würde sie mit mir da hingehen, sich die Gitarre leihen und sagen, Komm wir singe jetzt mal ‚Wenn alle Brünnlein fließen. Alexander! Du hast doch früher auch immer. Komm spiel doch mal. Sei doch nicht so. Mein Sohn macht nämlich auch Musik. Kennt ihr Knorkator? Nee, kennen sie nicht. So geht das dann weiter.

Haben sie ein Mantra?
Zwar läuft bei mir grad. alles schief
Doch heiter ist mein Sinn
Denn morgens ich im Spiegel seh
Dass ich Alf Ator bin.

Was möchten sie in den nächsten 10 Jahren erreichen?
Ich möchte auf einer Briefmarke oder einem Geldschein abgebildet sein. Beim Geld wäre mir der 50er am liebsten – hat jeder immer wieder mal in der Hand und freut sich auch drüber. Der Fünfer dagegen. Bei der Briefmarke möchte ich auf die 55 Cent Marke.

Von all ihren schlechten Angewohnheiten – was ist ihre liebste?

Wen bewundern sie am meisten?
Peter Jackson – man spürt einfach, dass er da was macht, was er schon immer machen wollte. Helge Schneider. Laibach Band. Bach. Und Schotti.

Was treibt sie an?
Mein Wunsch meine Sicht der Dinge zu etablieren. Sowie ein Lebewesen im Sinne der Evolution versucht seine Gene zu etablieren, so möchte ich meine Sicht der Dinge etablieren. Ich möchte, dass die Welt von morgen etwas atorischer wird.

–––

Wir sitzen im Hinterzimmer des Rabu. Das einzige Tageslicht dringt durch die halbgeöffnete Tür aus dem Garten herein. Das hat alles etwas von einer Bar in der Wüste von Mexiko, die sonnengeschützt, zeitlos verbarrikadiert ist. Draußen wüten 39 Grad – für Berlin ist das wüstengleich. Wir bleiben trotzdem nur beim Weizenbier – der Mezcal mit seinem Würmchen muss auf das nächste Mal warten.

Wie bei allen Menschen, die einen großen Teil Ihrer Zeit auf der Bühne verbringen, weiß man nie genau, wo das Persönliche aufhört und die Vorführung anfängt und ob es da überhaupt eine Grenze gibt. Auch wenn Alf Ator momentan das Gefühl hat, nicht die richtige Strasse zu finden – eine Lebenssituation in der ‚es funktioniert, das Leben voller kreativem Schaffen – so weist die Liste all seiner bisherigen Kunstprojekte doch eine Vielfalt auf, die andere nur mit Neid und der Frage zurücklässt, warum sie denn nicht auch einfach mal machen ‚Ich mach schon was – aber ich könnte viel mehr, ist Alfs Kommentar dazu.

Das kreative Sein und Schaffen gab es schon zu Hause. Der Vater ist Bildhauer, die Mutter unterrichtet Russisch und Musik. Heute ist sie das Maskottchen von Schwerin und bietet Touristenführungen verkleidet als Kammerzofe oder Königin an. ‚Soviel positive Energie, wie diese Frau in sich vereint, ist einfach nur bewundernswert. Nach der Trennung von meinem Vater, ist sie zwar in dem Haus geblieben, wollte aber nicht durch ihren Besitz besessen werden. Sie hat dann einen Typen in Südfrankreich kennengelernt, hat alles so wie es war stehen und liegen gelassen und ist zu ihm gezogen. Der war ein verknöcherter alter Zausel und sie blieb da auch nur ein Jahr. Als sie zurück kam, haben sich so manche gefragt, was nun aus ihr werden soll ohne Haus und irgendwas Aber sie hat sich dieses einfache Glücksgefühl aus Südfrankreich mitgebracht, wo man einfach nur auf einer Bank sitzt und in die Sonne lächelt und hat auch hier wieder ihren Anschluss gefunden mit ihren Sprachen. Ich bewundere meine Mutter – auch wenn sie nervt.

Sein erster eigener Wunsch zum kreativen Schaffen führt Alf zur Malerei, was in dem Beginn einer Steinmetzlehre (und deren Abbruch) endete. Auf der Musik- und Kunstschule allerdings wurde Alf für ‚nicht förderungswürdig ab- und weggestempelt. ‚Die konnten ja damals nicht wissen, dass man bald durch das Programmieren von Computern ganz anders Musik machen kann. Seis drum. Mit dem Malen hätte ich es geschafft, wenn ich mir mehr Mühe gegeben hätte. Aber ich wollte schon damals mehr Musiker werden als Maler. Das Malen war eher etwas, was ich für meinen Papa gemacht habe. Das Abenteuer Malen hat zwar später eine Renaissance erfahren aber ist nun als Lebenskapitel abgeschlossen – ‚Schreibe bitte: Ich war schlecht.

Nach Berlin gekommen ist Alf, weil ‚jeder, der es zu was bringen will nun mal sein 800-Seelen Dorf Dümmer (20km vor Schwerin) verlassen muss und hierher kommt, wo man sein eigenes machen kann und noch dazu ein Publikum findet. Überall anders suchen die immer nur Leute, die das bedienen können, was irgendwer anders vorgibt.

Friedrichshagen war nur Zufall. 1987 sagte jemand: ‚Alf, du musst nach Friedrichshagen. Und da ich in Lichtenberg nicht wirklich sesshaft verankert war, habe ich mir gesagt – klar, warum nicht Friedrichshagen. Und da ist er nun noch immer, auch wenn es ihm manchmal alles als zu sehr ‚Kleinstadt und zu weit weg erscheint. ‚In der City wäre so einiges einfacher Aber gerade jetzt wo ich ein Kind habe, ist Friedrichshagen schon besser. Hier ist die Welt noch in Ordnung Nee, Friedrichshagen ist schon gut. Inzwischen bin ich großer Friedrichshagen Fan.

Aus ‚Wichtigtuerei schreibt er hier (Maulbeerblatt) seine Kolumne jeden Monat, wenn auch regelmäßig erst kurz vor Schluss. Geschrieben und veröffentlicht sind auch drei Bücher – mit Knorkator ‚Des Wurzels Zweig (2002) und ‚Am Anfang war das Am (2004) und dann ganz alleine ‚Die Satanischen Achillesferse (2008).

Aber das Blatt Papier ist nun mal nie groß genug – es braucht die Bühne. Ich solle ‚Musiker schreiben, meint er, als ich ihn frage, als was er denn gern tituliert werden möchte. ‚Der Musiker klopft immer wieder an egal womit er sonst so seine Zeit kreative gestaltet. Mit Knorkator (Band zusammen mit Buzz Dee und Stumpen) verbrachte er auch den größten Teil seines künstlerischen Daseins – immer wieder auch mal auf der Bühne.

Und diese Bühne bekam auch noch mehr von Alf Ator zu hören. Normalerweise versuche ich so wenig, wie möglich vor einem Interview über die Person zu erfahren. Bei Alf Ator war das unmöglich – in den Wochen vor dem Interview war die Bölsche mit Gott Ator und der Ankündigung seines neuen Testaments zugepflastert. Alf Ator macht Theater. ‚Beim Theater ist man einfach sein eigener Herr. Was natürlich wunderbar ist. Wenn ich damit mehr bewegen kann, werde ich auch nur das machen. Aber die Beziehung zum Theater steht noch ganz in den Anfängen. Sein Ansatz ist das interaktive Playback Theater. Es fing damit an, dass er Lesungen machte und ‚aus Frechheit das im Playback gemacht hat – also alles eingesprochen und sich nur noch hingesetzt und den Mund bewegt hat. Da merkte er, dass sich damit ja noch viel mehr machen lässt – verschiedene Stimmen, Geräusche, Musik einfügen, Bilder projizieren ‚Wenn ich da zum Beispiel ein Bild auf dem Projektor hatte und da hin ging, dann habe ich vorher auch die Schritte dort hin aufgenommen. Und so ging das dann immer weiter und wurde größer, anspruchsvoller und fetter. Theater ist eine Welt für sich. ‚Ich könnte mich da noch viel mehr reinsteigern. Da ist noch viel drin für mich. Da werde ich noch ganz tolle Sachen machen. Aber wer will schon Theater?

Viele – nach dem Erfolg seines Auftritts im Freilichtkino Friedrichshagen letzten Sommer gemessen. Viele waren gekommen um Alf Ators ‚noch neueres Testament verkündet zu bekommen.

Kennt Alf Ator Lampenfieber?
Ich könnte natürlich von der Bühne fallen, aber durch das interaktive Playback ist da auch eine große Sicherheit. Wenn eins nicht funktioniert, gehts schon weiter und ich habe keine Zeit mich da aufzuhalten.

Die Zukunft Alf Ators? Ach, die Bühne kriegt ihn bestimmt nicht los – ob als singender oder rezitierender Gott. Manche gehören da einfach hin. Alf Ator ist manche.


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