Der Zauberwurzelwald

Es ist ganz still im Raum. 15 Mädchen in weißen Ballettanzügen stehen bewegungslos da und warten. In Gedanken sind sie alle an einem Ort, den sie den Zauberwurzelwald nennen. Mara, eine der Älteren, wird heute die Fee sein. Sie schwebt durch den Wald, vorbei an den Mädchen, immer und immer wieder. Wenn aber eines sich bewegt und die Fee hat das gesehen, tippt sie es mit ihrem Zauberstab an und es muss diesen Wald verlassen. Am Ende sind es vier Mädchen, die im Zauberwurzelwald bleiben können. Die anderen warten schon, bis das Spiel vorbei ist. Denn es ist ein Spiel, in dem jeder seine Rolle hat. Man kann verlieren oder auch gewinnen. Aber eigentlich geht es darum gar nicht. Es geht um Vorstellungskraft, um das Ausleben von Phantasie. An der Ballettstange wird es klassisch. Alle Kinder gehen in die erste Position und beugen und strecken, Kopf rechts und Kopf links. Und dann in die zweite Position und wieder beugen und strecken, Kopf rechts und Kopf links. Nach dieser Anstrengung gibt es erstmal eine Wechselhüpfrunde und der ganze Raum fängt an sich zu drehen, wie ein riesiges weißes Karussell. Kurze Pause, dann versammeln sich die Mädchen im Kreis und warten gespannt, was nun noch kommt. Alle Blicke sind auf die Tanzlehrerin gerichtet, diese großen kullerrunden Kinderaugen. Es beginnen wieder Takt- und Rhythmusübungen durch einfaches Klatschen mit den Händen. Aber einfach wird es dadurch nicht. Zu erleben ist ein Klatschkanon, der den Eindruck erweckt, die Kinder befinden sich nun mitten auf einer Trabrennbahn und laufen gemeinsam durch das Ziel. Einige der Mädchen gehen nach den verschiedenen Übungseinheiten immer wieder aufgeregt auf die Tanzlehrerin Sabine Schlösser zu. Sie wollen ihr am liebsten gleich und auf der Stelle das Neueste der letzten Woche mitteilen. Mit Blicken und Gesten dirigiert sie die Kinder jedoch mühelos auf ihren Platz zurück. Ballett ist eine stille Kunst, das sagt sie selbst. Für Sabine Schlösser, Jahrgang 1961, war klar, dass sie ihren Beruf als ausgebildete Balletttänzerin kaum über das 35ste Lebensjahr hinaus ausüben kann. Das ist die magische Grenze im Leben eines Tänzers. Ihre letzte Wirkstätte als Tänzerin war das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin. Danach entschied sie sich für eine pädagogische Tanzausbildung und gründete 1992 die Ballettschule Balancé in Erkner. An weiteren hochqualifizierten Tanzpädagogen fehlt es inzwischen nicht mehr. Und nach bisher 15-jährigem Bestehen der Tanzschule kommen Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis weit aus Berlin. Manch einem gelingt von hier aus der Sprung an die staatliche Ballettschule. Vor allem jedoch geht es darum, die kreative Freude am Tanzen weiterzugeben, Phantasie, Persönlichkeitsentwicklung und Charakterbildung zu fördern und einen Ort zu erschaffen an dem man sich ausprobieren und neu entdecken kann. Mara wurde von ihrer Mutter als kleines Kind an die Ballettschule geschickt, weil sie so zappelig war. Heute wirkt sie ruhig und ausgeglichen. Sie hat Spaß am Tanzen und kommt mittlerweile dreimal die Woche hierher. Alina ist durch eine Freundin auf die Tanzschule aufmerksam geworden. Gern würde sie noch das Singen und Schauspielern erlernen, aber die Zeit für weitere Hobbys ist knapp. Zumal, wenn man Ende 2006 eine der Hauptrollen aus dem Nussknacker getanzt hat. Alle zwei Jahre entstehen an der Ballettschule Neuinszenierungen, die im Kulturhaus Rüdersdorf öffentlich aufgeführt werden. Zum Abschluss für heute üben die Kinder noch die Pfützensprünge. Ein kurzer Anfangsschritt und dann der Sprung und noch einer und ein letzter. Auch so kann man einen Raum verlassen. Mara hält lächelnd die Tür auf und die Kinder fliegen über die Pfützen davon, hinaus aus diesem phantasievollen Raum, in dem es zum Schluss nun auch noch geregnet hat. Kontakt: www.ballettschule-balance.de, T. 0336275042

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