Mein Mann, das Boot und ich

Mit den ersten Frühlingstagen ist es wieder da: das bohrende Gefühl der Eifersucht. Es nagt an meinem Herzen und frisst sich in meine Gedanken. Mein Mann hat eine andere, das weiß ich genau. Sie ist zwar drei Jahre älter als ich, aber noch gut in Schuss. Zärtlich nennt er sie „Sternchen“ und widmet ihr jeden freien Moment. Sie ist seine große Liebe. Für diejenigen unter Ihnen, die sich auskennen – es ist eine Dehler Delanta 76. Ein Segelboot. Sobald das Boot im Frühling zu Wasser gelassen wird, versucht mein Mann sich im turbulenten Arbeits- und Familienalltag Zeit zu stehlen. Mal verschwindet er während der Mittagszeit für ein Stündchen, mal ist er während des abendlichen Gießens plötzlich nicht mehr da. Ich mache mir darüber keine Sorgen mehr, sondern fühle mich ein wenig wie „Die Frau des Zeitreisenden“, eine Romanfigur. Ich bin zuversichtlich, dass er in einer anderen Zeitdimension wieder zu mir stößt. Auch bin ich mir mittlerweile sicher, dass mein Mann kein unerkannter Terrorist ist. Die vielen kleinen Päckchen, die fast täglich bei uns eintreffen, enthalten nur schwer zu beschaffende Ersatzteile für das Boot, keine Elektronik für Bomben. Die freundlichen Nachbarn, die in unserer Abwesenheit die Päckchen entgegennehmen, lächeln allerdings nach dem zwölften Mal etwas gequält. Die seltsamen Geldbewegungen auf unserem Konto führe ich darauf zurück, dass mein Mann heimlich etwas spart, um mir davon etwas Schönes zu kaufen. Ich hoffe für ihn, dass er nicht alles in diese Schrottsammlung investiert. Am schlimmsten aber sind die Nachmittage, an denen ich ihm einen Gefallen tun möchte und mitkomme zum Segeln. In meiner idealisierten Vorstellung läuft das so ab: Die Sonne strahlt mild auf das Deck, beide Kinder kuscheln sich an mich, der Wind verwuschelt ein wenig unsere Haare, ich schließe die Augen, wir sind entspannt. Die harte Wirklichkeit ist es anders: Schon das Fertigmachen zum Ablegen dauert mindestens 30 Minuten, in denen die Kinder quenglig werden und vom Steg zu fallen drohen. Endlich an Bord, fällt mir auf, dass dort alles schrecklich eng ist und überall Leinen, Fender und sonstige Unfallquellen lauern. Die Kinder wollen keine Schwimmwesten und nörgeln. Ich will meine Ruhe. Mein Mann legt ab und flucht. Irgendetwas ist wohl schief gegangen. Auf dem Müggelsee knallt die Sonne unerbittlich und der Wind ist so stark, dass das Boot schnell und schief fährt. Wenn die Neigung so stark ist, dass ich fast die Wasseroberfläche mit dem Kopf streife, beginnt für meinen Mann der Spaß. Mir wird leider schlecht und die Kinder bekommen Angst. Dann muss ich mit ihnen in der Kajüte verschwinden und mir wird noch übler. Kurz bevor ich mich übergeben muss, hat mein Mann ein Einsehen und wir kehren missmutig um. Alle sind sauer. Um den Familienfrieden zu retten, werde ich demnächst das Treiben meines Liebsten mit Nachsicht und vom Ufer aus beobachten. Die Saison geht ja nur noch bis Oktober. Soll er doch im Sommer segeln, im Winter gehört er mir!

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