Angeblich ist Ordnung ja das halbe Leben. Die ordentliche Hälfte meines Lebens ist definitiv vorbei. Schon bevor das Kind geboren wurde, machten sich seine Vorboten in unserer Wohnung breit: Baby-Bett, Baby-Wippe, Baby-Autositz, Hochstühlchen, Activity-Center, Kinderwagen mit ABS und eingebauter Wegfahrsperre, Tragetuch, Stillkissen, Fläschchen im Dutzend, Gläschenwärmer und und und ... Dem Kindsvater wurde himmelangst, er durchforstete heimlich die Wohnungsanzeigen in der Rubrik „Hangar“. Leider ohne Erfolg. Seither denke ich immer öfter an meinen Physiklehrer. Ein Grundprinzip der Physik lautet etwa so: Da, wo ein Körper ist, kann kein anderer sein. Sehr wahr. Es herrscht ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb in der Wohnung: Wo früher das Klavier zur kulturellen Erbauung der Noch-nicht-Eltern stand, steht jetzt ein Laufstall (Kind kann zwar noch nicht laufen, aber egal.) Und wo früher der Kindsvater schlief, schnorchelt und schmatzt jetzt der kleine Windel-Wicht. So friedlich schlummernd, sieht das Kind aus wie die Unschuld vom Lande. Aber das ist Taktik. Denn nachts geht es seinem schönsten Hobby nach: Es versteckt Sachen. Besonders gern solche, die man dringend braucht, um das Haus verlassen zu können: Schnuller, Spielzeug, Wickelzeugs, Handy und den Wohnungsschlüssel. Woher ich das weiß? Morgens hat das Kleine rabenschwarze Fingernägel! Und der verdammte Schnuller bleibt unauffi ndbar. Apropos Sachen. So praktisch Babys Habe für den Moment auch sein mag. Sie will leider immer wieder sortiert und weggeräumt werden. Und so werden Eltern zu heimlichen Antikapitalisten. Die Vorstellung, sich aller beweglichen Güter zu entledigen, hat etwas Betörendes. Nie wieder suchen! Nie wieder aufräumen! Leider zeigt sich das Kind dieser Lektion nicht zugänglich. Es zwingt seine Eltern weiterhin zur Anschaff ung immer neuer Schnuller. Physikalisch gesehen nimmt das Chaos damit zwar zu. Das ist mir aber wurscht. Schließlich steigert eine hohe Schnullerdichte in der Wohnung den sozialen Frieden in der Familie. Friedensphysik – schön, oder?Schnuller-Kapitalismus
Angeblich ist Ordnung ja das halbe Leben. Die ordentliche Hälfte meines Lebens ist definitiv vorbei. Schon bevor das Kind geboren wurde, machten sich seine Vorboten in unserer Wohnung breit: Baby-Bett, Baby-Wippe, Baby-Autositz, Hochstühlchen, Activity-Center, Kinderwagen mit ABS und eingebauter Wegfahrsperre, Tragetuch, Stillkissen, Fläschchen im Dutzend, Gläschenwärmer und und und ... Dem Kindsvater wurde himmelangst, er durchforstete heimlich die Wohnungsanzeigen in der Rubrik „Hangar“. Leider ohne Erfolg. Seither denke ich immer öfter an meinen Physiklehrer. Ein Grundprinzip der Physik lautet etwa so: Da, wo ein Körper ist, kann kein anderer sein. Sehr wahr. Es herrscht ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb in der Wohnung: Wo früher das Klavier zur kulturellen Erbauung der Noch-nicht-Eltern stand, steht jetzt ein Laufstall (Kind kann zwar noch nicht laufen, aber egal.) Und wo früher der Kindsvater schlief, schnorchelt und schmatzt jetzt der kleine Windel-Wicht. So friedlich schlummernd, sieht das Kind aus wie die Unschuld vom Lande. Aber das ist Taktik. Denn nachts geht es seinem schönsten Hobby nach: Es versteckt Sachen. Besonders gern solche, die man dringend braucht, um das Haus verlassen zu können: Schnuller, Spielzeug, Wickelzeugs, Handy und den Wohnungsschlüssel. Woher ich das weiß? Morgens hat das Kleine rabenschwarze Fingernägel! Und der verdammte Schnuller bleibt unauffi ndbar. Apropos Sachen. So praktisch Babys Habe für den Moment auch sein mag. Sie will leider immer wieder sortiert und weggeräumt werden. Und so werden Eltern zu heimlichen Antikapitalisten. Die Vorstellung, sich aller beweglichen Güter zu entledigen, hat etwas Betörendes. Nie wieder suchen! Nie wieder aufräumen! Leider zeigt sich das Kind dieser Lektion nicht zugänglich. Es zwingt seine Eltern weiterhin zur Anschaff ung immer neuer Schnuller. Physikalisch gesehen nimmt das Chaos damit zwar zu. Das ist mir aber wurscht. Schließlich steigert eine hohe Schnullerdichte in der Wohnung den sozialen Frieden in der Familie. Friedensphysik – schön, oder?
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