Wenn ihr das hier lest, hat mein Sohn gerade einen dieser magischen Momente im Leben, von denen es bekanntlich nicht so viele gibt, erlebt. Dieser Glückspilz wurde nämlich vor nicht allzu langer Zeit von seiner Freundin gefragt, ob er sie heiraten würde und er hat ja gesagt. Passiert ist das während eines der diesjährigen Ärztekonzerte im FEZ. Eine schöne Idee. Erst die coolen und romantischen Texte mithören und mitsingen, dann die Augen schließen, sich zur Musik bewegen, den schwitzigen Körper dessen, den man liebt, spüren, die Luft vibriert und plötzlich verstummt Geschrei und Musik. Die Band macht sich irgendwo zur Zugabe frisch. Zwei Blicke treffen sich, sehen niemanden von den Tausenden Menschen um sich herum, zwei Blicke so zärtlich wie eine sanfte Berührung. Sein Blick fragend, ein wenig ängstlich vielleicht (Was passiert hier gerade?), ihr Blick voller Erwartung, voller Mut und Selbstbewusstsein:Â (Jetzt frage ich ihn!). Doch dann ein Flackern in ihren Augen, die Knie werden weich, das Herz schlägt bis zum Hals. Halt mich! sagt ihr Blick. Er nimmt sie in den Arm, spürt ihren Schweiß, atmet ihren süßen Duft ein, hört ihr Herz rasen. Sie öffnet den Mund und flüstert ihre Frage in sein Herz. Blicke, Berührung, Flüstern, Schweiß und Duft werden eins zu einem magischen Moment, der nur ihnen gehört, dann haucht er sein Ja in die atemlose Stille und plötzlich bricht tosender Jubel über sie herein. Wie aufs Stichwort sind Farin, Bela und Rod auf die Bühne zurückgekehrt und holen die beiden frisch Verlobten in den Kreis der tobenden Masse zurück. Sie reißen die Arme hoch und stimmen in das Geschrei der anderen ein, doch ihre Blicke sind noch immer ein zärtliches Flüstern. Es gibt auch immer wieder Filme, die wie zärtliches Flüstern sind, so wie „Seide“ mit Keira Knightley und Michael Pitt in den Hauptrollen. Wunderschöne Bilder und herrlich tragisch. Großes Kino. Doch Blicke und Gesten können auch intensiver sein, und als Mann und Vater wünsche ich meinem Sohn auch solche: Sie zeigen lustvolles Begehren. Natürlich gibt es auch dazu einen Filmtipp: „Der Liebhaber“, ein Film von Jean-Jacques Annaud. Lustvoll gespielt von Jane March und Tony Leung. Zärtlich sanfte oder zupackend körperliche Liebesfilme gab es natürlich auch schon früher, hier also die Tipps dazu: zu ersterem „In the mood of love“ und die dazugehörige Fortsetzung „2046“ und zum zweitem Thema: „9 Songs“, ein Film von Michael Winterbottom, der in Deutschland mit einer mutigen p16- Altersfreigabe erschienen ist und so wohl manch angestrengtes Aufklärungsgespräch überflüssig werden ließ. Heiß. Also dann, ihr Liebenden, wenn die Welt mal wieder ungerecht und grausam ist, nehmt euch in den Arm und vergesst alles um euch herum. Lasst ihn wieder einmal entstehen, diesen magischen Moment, seid nur zärtliches Flüstern und lustvolles Begehren. Das macht die Welt zwar nicht besser, aber euch unbesiegbar. Jedenfalls für einen Moment. Bleibt gesund und schaut mal rein, euer Mathias.
Ein magischer Moment
Aktuell, Editorial
Mumien, Monstren, Mutationen
Liebe Leserin, lieber Leser Die Dämmerung schleicht bereits um den Nachmittagskaffee, Blätter trudeln im Wind und in unserem grünen Randbezirk...
Interview
Ich habe kein Problem mit dem Islam
Foto: Matthias Vorbau Herr Bertram, Ihre Fraktion wurde in der BVV mit Spannung erwartet. Fühlen Sie sich als Exoten? Als Exoten würden...
Zeitreisen
Zu Helga Hahnemann im Schnelldurchlauf
Bauzäune säumen den Weg. Müll knöcheltief. Zwischen Bauruinen und Sanierungsobjekten lärmt es von der Friedrichstraße herüber. Über die Brache zieht...