Wenn Ohren Augen hätten

Im Gespräch mit Musiker und Künstler Sascha Bachmann
Sascha Bachmann malt mit Tönen. Der Künstler und Musiker kreiert geometrische Formen und Muster aus Frequenzen. Wir haben ihn in seinem Studio in der Wuhlheide besucht.

Sascha Bachmann Vektorsynthese
Foto: Sascha Bachmann

Vielen Dank für die Einladung in dein Studio. Möchtest du dich erst mal kurz den Lesern vorstellen, die dich vielleicht noch nicht kennen. Wer bist du und was machst du?
Mein Name ist Sascha Bachmann. Ich bin Musiker, Schlagzeuger, Lehrer, Papa, Fahrradfahrer und ich male mit Frequenzen.

Bevor wir zu dem Frequenzmalen kommen, würde mich erst mal allgemein interessieren, wie du dazu gekommen bist, Musik zu machen.
Ha! Das ist lange her. Das war genau zur Wendezeit tatsächlich. Da hat mich einfach ein Freund zur Probe mitgenommen, der konnte schon Gitarre oder Bass spielen. Ich wollte eigentlich Gitarre spielen, aber irgendwie war das nicht so ganz mein Ding mit den Fingern. Wir waren eine Punkband und wollten einfach loslegen, da willst du jetzt nicht großartig irgendwelche Techniken lernen. Die Band war schon vollständig, nur ein Schlagzeuger fehlte. Der Bassist hat mir gezeigt, wie man einen Beat spielt (lacht). Den habe ich gespielt und nach drei Monaten hatten wir tatsächlich auch unseren ersten Auftritt (lacht) mit vier Songs und ich konnte diesen Beat spielen.

In deinem Soloprojekt „Hand“ beschäftigst du dich mit Kassetten, alten Walkmans, Tonbandgeräten und machst damit Musik. Woher kommt diese Liebe für obsolete Technik?
Mein Vater hatte tatsächlich ein Tonbandgerät, das hat er mir als ich Kind gegeben hat. Das war ein altes Tesla. Damit habe ich damals Formel 1 und Hitparaden vom Fernseher aufgenommen. Das waren so meine ersten Begegnungen mit Tape. Dass das dann 30 Jahre später irgendwie wieder ins Spiel kommt, war überhaupt nicht geplant. Abgesehen davon, dass ich selber Musik mache, höre ich total gerne Musik. Auf Tour habe ich immer viel Ambient gehört. Da gab es einen Künstler, der heißt „Gas“ und der hat in den 90er-Jahren so eine Serie an Platten rausgebracht, die mich unglaublich beschäftigt haben. In meinen Ohren klang dieser Sound immer wie runtergepitchte Tapes, orchestral, irgendwas mit Beats. Da kam meine Idee, der muss das so gemacht haben. Dann habe ich angefangen, das mal auszuprobieren. Ich habe mir so ein paar Maschinchen geholt, habe experimentiert und dann herausgefunden, das klingt sehr ähnlich und dann habe ich den Faden aufgenommen.

 

Du hast dein Hobby zum Beruf gemacht. Hast du neben dem Musikmachen in deiner Freizeit noch andere Hobbys?
Es gibt immer 1000 Sachen, die ich parallel mache. Wenn man Musik macht, dann spielt man in Bands, man spielt live oder Sachen im Studio ein. Ich unterrichte zum Beispiel noch. Jetzt bin ich seit zwei Jahren Papa und da ist die Zeit total begrenzt. Alles, was ich mache, ist super komprimiert. Eigentlich gibt es das Schlagzeug in meinem Leben und mein neues Projekt.

„hear what you see“ nennt sich dein aktuelles Projekt, wo du mithilfe von Vektorsynthese mit Tönen malst. Wie genau funktioniert das?
Das kann man sich vielleicht ganz einfach bildlich vorstellen. Es gab ja mal für Kinder so ein kleines Spielzeug, nannte sich Edges Sketch. Das war wie so ein Bildschirm mit zwei Rädchen unten dran. Das eine Rädchen bewegt die x-Achse und das andere Rädchen bewegt die y-Achse. Das ist tatsächlich die Vektor Grundlage. Die Monitore, die ich benutze, basieren genau auf diesem System. Das ist eigentlich dasselbe Prinzip, bloß, dass sich diese Rädchen unheimlich schnell drehen können. Der Lichtstrahl entsteht dadurch, dass Elektronen auf eine Phosphorschicht schießen. Unser Gehirn kann diese Information nicht so schnell verarbeiten und deshalb entsteht bei uns die Illusion von einer Form.

 

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Das Besondere an dem Projekt ist ja, dass du nicht rein musikalisch arbeitest, sondern das Ganze visuell mit Bildern verknüpfst. Wie bist du auf die Idee gekommen, die Töne zu visualisieren?
Wenn du im Studio arbeitest, gibt es am großen Studiomischpult oft sogenannte Goniometer. Das sind tatsächlich auch kleine Oszilliuskope, die das Stereobild abbilden. Damit kann man noch mal sehr analytisch nachgucken, ob man alles richtig aufgenommen hat. Das hat mich irgendwie fasziniert. Dieses Licht, was so ein bisschen liquide rüberkommt, ich fand das immer total interessant. Dann habe ich mal gesehen, wie jemand sehr kitschig auf einem Display eine Uhr dargestellt hat. Ich habe damals keine Ahnung gehabt, was geht, was geht nicht. Dann bin ich so ein bisschen eingetaucht in diese Materie und habe gleich den ultimativen Crack kennengelernt, der mir Sachen gezeigt hat. Dann war ich so Feuer und Flamme, dass ich das seitdem immer weiter ausbaue.

Kann man alle Töne oder Musik zu Bildern verarbeiten? Wir haben dir ein Tape aus unserem Maulbeerblatt -Archiv mitgebracht. Du kannst gerne mal reinhören.
(Hört die Kassette) Gitarre?… Eine Punkband oder was?… Ach Gott ! Wo hast du denn das her, Alter? Das ist meine alte Punkband „no brain no pain“. Könntest du uns jetzt daraus ein Bild malen? Ja gerne, aber Audiosignale sehen halt immer diffus aus, weil ganz viele verschiedene Frequenzen zusammenkommen. Bei der Darstellung, die ich produziere, geht es immer um einzelne Frequenzen und deren Verbindung und diese Frequenzen sind immer relativ gerade und logisch. Das Tape hier ist super noisy (lacht) und das wird man auch so sehen.

Sascha Bachmann Vektorsynthese hear what you see
Foto: Sascha Bachmann

Wonach suchst du die Töne aus? Also nimmst du den Ton, weil du ein bestimmtes Bild erzeugen willst oder lässt du dich überraschen, wie das Bild zu einem Ton aussehen könnte?
Ja, das sind zwei verschiedene Ansätze, die man verfolgen kann. Wenn ich digital arbeite, dann habe ich immer bestimmte Patches. Das sind schon vorprogrammierte Synthesizer, wo ich schon weiß, da klingt der Sound so und die erzeugen zum Beispiel dieses Bild. Und dann kann man aber natürlich auch – was total geil ist – den Modular Synthesizer anstöpseln und wirklich experimentieren. Dabei kann man nach Gehör gehen und sich Sounds raussuchen, die einem gefallen und gucken, welches Bild die hergeben. Aber ich sag mal so, je schöner die Sounds sind, desto langweiliger ist eigentlich das Bild. Ich persönlich gehe auch selten danach, dass der Ton besonders gut klingt. Das kann man machen, auch ein Ansatz, den ich mal verfolgen werde, aber mir geht es eigentlich eher darum darzustellen, dass Frequenzen so tolle Bilder malen können. Das ist die Idee.

Wird man sich deine Werke auch anschauen können?
Ja! Die Bilder sind extra für eine Ausstellung gemacht. Die Vernissage dazu wird am 17.02.2023 in der Galerie im NHOW Hotel stattfinden. (Stralauer Allee 03, 10245)

Sascha Bachmann Vektorsynthese hear what you see
Foto: Matti Fischer

Wie ist es in der Ausstellung gelöst, dass die Besucher*innen beide Welten – also Bild und Ton – genießen können?
Der Plan ist tatsächlich, dass die Bilder gehängt werden und dass es dazu noch Monitore gibt, wo man reinhören kann. Dass man hören und sehen kann, das klingt so, der Ton erzeugt dieses Bild. Zusätzlich gibt es auch QR-Codes an den Bildern, die können die Leute abscannen. Dann kommen sie zu dem Video und können es auf dem Handy anschauen.


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