Disneyland oder Spree:publik?

Der Spreepark im Plänterwald soll ein Ort für Kunst, Kultur und Natur werden. Dafür beginnt jetzt die konkrete Planung. Doch es gibt Widerspruch zum Konzept der Grün Berlin GmbH.
Nur Eingeweihte wissen, dass er da ist: der Habicht, der alles genau beobachtet, was da hinterm Zaun passiert. Der scheue Greifvogel, der irgendwo im Plänterwald seinen Horst hat, behält aus dem Baumwipfel alles im Blick. Christian Pfeuffer, Projektleiter für die Entwicklung des Spreeparks bei der landeseigenen Grün Berlin GmbH, nennt den tierischen Beobachter einen alten Bekannten. „Das Gelände des Spreeparks gehört wohl zu seinem Jagdrevier, da achtet er auf alles, was sich bewegt“, sagt er.
Foto: Björn Hofmann
Außer allerlei kleinem Beutegetier bewegt sich nicht viel im Spreepark, dem seit 18 Jahren verlassenen Rummelplatz am Spreeufer. Wie in jedem Frühjahr seit 2001, als der Vergnügungspark geschlossen wurde, überwuchert auch dieses Jahr üppiger Wildwuchs pittoreske Karussellreste und verfallene Hütten. Außer dem Wachschutz, der regelmäßig über das eingezäunte Gelände patrouilliert, kommen nur an Wochenenden Menschen dorthin. Besucher, die sich gruppenweise von Grün-Berlin-Mitarbeitern durch den Park führen lassen. Treffpunkt für die über Monate ausgebuchten Wanderungen ist ein Pavillon an der Kienwerderallee, zu dem ein eleganter Holzsteg über eine geschützte Trockenrasenwiese führt. Im Pavillon, auch Infopoint genannt, ist die Zukunft des Spreeparks skizziert. Auf pastellfarbenen Zeichnungen sind verschiedene Orte zu sehen, die neu genutzt werden sollen. „Kultur, Kunst und Natur“ heißt das Motto für den neuen Spreepark, das ihm von der Grün Berlin gegeben wurde, die seit 2016 für das 23 Hektar große Gelände zuständig ist. Gut zwei Jahre lang haben Mitarbeiter aus sechs Büros von Architekten, Stadtplanern und Kunstwissenschaftlern dafür Ideen gesammelt. Hinzu kommen mehr als tausend Vorschläge, die Anwohner und andere Interessierte auf mehreren Veranstaltungen eingebracht haben. Derzeit wird wird alles geordnet und auf seine Machbarkeit geprüft.

Eierhäuschen als Künstler-Quartier

Die Ideen reichen von Wanderwegen, die auf den trockenen Kanälen der einstigen Wildwasserbahn angelegt werden sollen, über futuristische 3-D-Animationen über das Leben von Dinosauriern, die neben den Pappmaché-Dinos gezeigt werden bis hin zu einem Baumwipfelpfad. „Derzeit läuft eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, die dann ergibt, was davon finanzierbar ist“, sagt Christian Pfeuffer. Zudem soll im Sommer eine EU-weite Ausschreibung losgeschickt werden, um Firmen zu finden, die aus den realistischen Ideen konkrete Pläne entwickeln. Was realistisch ist und was nicht, bestimmt vor allem der Finanzrahmen. Und der Bebauungsplan, den der Bezirk Treptow-Köpenick derzeit auf der Basis der Grün-Berlin-Rahmenplanung derzeit erarbeitet. Insgesamt hat das Land Berlin, das im Jahr 2014 die Erbbaupacht zurückkaufte und damit eine jahrelange Hängepartei mit vergeblichen Investorensuchen beendete, langfristig rund 24 Millionen Euro für die Entwicklung des Spreeparks vorgesehen. Mindestens sieben Millionen Euro kostet allein die Wiederherstellung des Eierhäuschens neben dem Park. Die Sanierung des einstigen Ausflugsrestaurants, das 1891/92 erbaut wurde und mit Dampfer-Landungsbrücke, stuckverziertem Tanzsaal sowie 8.000 Biergartenplätzen am Spreeufer beliebtes Ziel war, sollte längst beendet sein. Doch das Denkmal habe sich erheblich maroder gezeigt als erwartet, sagt Pfeuffer:
„Die Holzkonstruktion war innen verfault und außen mit giftigem Lindan behandelt.“
Alles am Haus muss entkernt und erneuert werden. Doch es geht voran, im Jahr 2020/21 soll die Eröffnung gefeiert werden. Neben einem Biergarten mit 250 Plätzen soll es im Erdgeschoss wieder ein Restaurant geben, dazu vier Ausstellungsräume. In den oberen Etagen sind vier Wohnungen geplant, in denen Künstler über ein Stipendiumprogramm zeitweise leben können. Pfeuffer: „Die Künstler sollen sich mit dem Spreepark auseinandersetzen und ihre Eindrücke in ihre Arbeiten einfließen lassen.“

Dampferanleger und ein selbstfahrender Bus

Christian Pfeuffer weiß, dass der Habicht aus dem Plänterwald nicht der einzige Beobachter ist, der das Geschehen im und um den Spreepark im Blick hat. Auch Anwohner, Lokalpolitiker und auch ein Bündnis aus Berliner Kulturschaffenden, das sich „Spree:publik“ nennt, betrachten die Planungen genau – mit Skepsis und manchmal auch mit Widerstand. Letzteren gibt es vor allem in Form regelmäßiger Anwohnerdemos gegen mehr Autoverkehr durch das Landschaftsschutzgebiet Plänterwald. Der Ausbau des engen Dammweges stand einst, als nach Investoren gesucht wurde, im Bebauungsplan des Bezirks. Im Park selbst sollte ein mehrstöckiges Parkhaus gebaut werden. „Das Parkhaus spielt für unsere Planungen keine Rolle“, sagt Grün-Berlin-Manager Pfeuffer. Man wolle schließlich einen Kunst- und Naturpark entwickeln und keinen Rummel. Jedoch wird bei Grün Berlin offiziell mit jährlich gut einer halben Million Besucher geplant, die im Park nicht nur Natur, sondern auch Veranstaltungen wie Theaterstücke oder Konzerte erleben sollen. Die Besucher sollen aber nicht mit dem Auto kommen, sagt Pfeuffer, der ein nachhaltiges Verkehrskonzept verspricht. Der Dammweg müsse nicht ausgebaut, sondern nur ertüchtigt werden: In bestimmten Abständen sollen – aus Sicherheitsgründen – Haltebuchten angelegt werden. Öffentliche Stellplätze soll es am und im Park gar nicht geben. Maximal hundert Parkplätze sind geplant, für mobilitätseingeschränkte Besucher. Bei Grün Berlin setzt man auf Alternativen zum Auto: auf Fahrrad-Leihstationen an umliegenden S-Bahnhöfen und für die Zukunft auf einen selbstfahrenden E-Bus, der vom S-Bahnhof Treptower Park zur Bulgarischen Straße pendeln könnte. Auch per Schiff sollen die Parkbesucher kommen: Gemeinsam mit der Reederei Riedel, die gegenüber dem Spreepark, an der Nalepastraße, ihren Hafen hat, plant man einen Anleger am Eierhäuschen. Ein weiterer Anleger könnte nahe der Bulgarischen Straße entstehen, am zweiten Parkeingang. Und selbst eine Seilbahn vom Ostkreuz steht auf der Wunschliste des Grün-Berlin-Managers.

Umzäunung und ein gewünschter „Kulturhafen“

Bis solche Ideen ernsthaft in Erwägung gezogen werden, muss erst mal die Realität bewältigt werden. Ein Verkehrsgutachten soll in diesem Herbst vorliegen; dann wird man sehen, ob die Zahlen zu den Wünschen passen. Vor allem aber muss der Park mit Strom-, Gas- und Wasserleitungen versorgt werden. Denn nur so kann auch das geplante Café neben dem Teetassen-Karussell gebaut, das ehemalige Großrestaurant „Mero-Halle“ zu einem Marktplatz für Kultur umgebaut oder die geplante Wiederinbetriebnahme des Riesenrades als Besucherattraktion realisiert werden. Das alles sei noch Zukunftsmusik, sagt Christian Pfeuffer:
„Erst wenn der Bebauungsplan fertig ist, was nicht vor 2020/21 sein wird, kann hier irgendetwas gebaut werden.“
Bis dahin müssen auch noch andere wichtige Fragen geklärt werden. Etwa, ob für den Spreepark Eintritt verlangt wird oder ob das Gelände umzäunt bleibt. Während die Eintrittsfrage mit dem Verweis auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung verschoben ist, will Grün Berlin am Zaun festhalten, als Schutz vor Vandalismus. Die Linken-Politikerin Katalin Gennburg widerspricht: „Es gibt hier viele Menschen, die einen eingezäunten, kostenpflichtigen Disneyland-Park nicht wollen.“ In einer Stadt, in der öffentliche Freiräume und Orte für die freie Kunstszene immer knapper würden, sei es Platzverschwendung, wenn Wasser- und Naturfestspiele gegen Eintritt geplant würden. Vielmehr müssten auch andere Ideen, etwa die eines innerstädtischen Campingplatzes oder die für gemeinsames Gärtnern mit freiem Zugang verfolgt werden. Auch der Begriff „Kulturhafen“ kommt in der Debatte jetzt häufiger vor. Aufgebracht wurde er von politischen Aktivisten und Kulturflößern, die sich in der „Spree:publik“ zusammengeschlossen haben. Bekannt sind ihre selbst gebauten Flöße bislang vor allem in der Rummelsburger Bucht, wo sie Konzerte, Theateraufführungen oder Debatten etwa zur Zukunft der Stadt, zur Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer oder zum Ausstieg aus der Kohleindustrie organisieren, wie Daniel Haider sagt. Der 34-jährige Arzt aus Neukölln spricht von partizipativer Nutzung des Wassers als Raum für Experimente, Kreativität und Begegnung. Dazu wolle man einen „Kulturhafen“ entwickeln. Und weil die Flöße wegen anstehender Bauarbeiten und Lärmbeschwerden von Anwohnern die Rummelsburger Bucht demnächst verlassen müssen, hat man den nahe gelegenen Spreepark im Blick. Dort könne man sich einen Anleger gut vorstellen, sagt Haider. Es wäre der perfekte Brückenschlag zwischen Spree und Park sowie ein Ort, an dem man an den Flößen „rumfrickeln“ und Kulturprojekte entwickeln könne. Erste Gespräche mit Grün Berlin gab es bereits. Manager Pfeuffer sagt, auch die Kulturflößer seien herzlich eingeladen, sich in die Parkplanungen einzubringen. Im Sommer sollen weitere öffentliche Werkstattgespräche stattfinden.

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