Wie oft mir auch schon die Frage gestellt wurde, immer gebe ich die selbe Antwort: Ich wohne in Köpenick. Oh, wie schön, das ist doch am Müggelsee? Na ja, sage ich dann. Nicht so direkt. Mehr an der Spree, so in Schöneweide. Ach nee. Ich denke, sie sagten eben Köpenick? Und schon wieder muss ich mich als Besserwisser outen, um nicht für einen Lügner gehalten zu werden. Jedenfalls macht man sich keine Freunde, wenn man sich als Schöneweider für’nen Köpenicker ausgibt. Dem Friedrichshagener wird dieses Problem fremd sein, tönt er doch stolz: Ey man, ich bin aus Friedrichshagen. Liegt das nicht in Köpenick? Nee, Köpenick ist mehr so an der Spree, Friedrichshagen liegt doch am Müggelsee. Der Belehrte freut sich nun, wieder was gelernt.
Und die Leute in Friedrichshagen, die sind ja so nett und auch so gebildet. Aber Vorsicht, lieber Nachbar: Wer seine Argumente auf solche Halbwahrheiten stützt, der muss auf der Hut sein, denn die offizielle Variante ist die, dass wir alle spätestens seit 1920 gemeinsam das Schicksal teilen, Köpenicker zu sein. Und woher bezieht der Müggelsee eigentlich sein Wasser? Ja, mein lieber Friedrichshagener, ich bin so ein Teil von dir wie du von mir, jeder ein Stück Bürgerbräu und Kabelwerk, Friedrichskeller und Stumpfe Ecke. Ich will jetzt nicht auf Bruder machen, aber wenn man sich mal genauer umsieht, wird man auch reichlich Gemeinsamkeiten feststellen. So sieht man häufig auf der Bölsche wie auf der Wilhelmine zu große Ohren an zu kleinen Köpfen mit germanischem Grinsen über slawischem Spitzkinn, denn wie die Siedlungsfunde unserer unmittelbaren Vorfahren zu belegen scheinen, sind wir alle Mischbrot mittelalterlicher Liebe von Slawen und Germanen, Einwanderer im eigentlichen Sinne, man kann sich nicht mehr daran erinnern, aber mit erdzeitalterlichen Bezugspunkt wohl nicht mal eine Millisekunde her.
Der durchschnittliche Köpenicker geht gern mal in die Gaststätte, und das eher weniger oft des Essens wegen. Und ich denke mal, dass wir als Köpenicker gemeinsam starken Anteil daran haben, dass der Deutsche in der Welt als Biertrinker Nr. 1 verschrien ist. Wir haben eine Vorliebe für italienisches Eis und Döner mit Dosenbier, wir gehen Weihnachten wieder in die Kirche und teilen eine Vorliebe für Altbauwohnungen im grünen Umland. Wir pfeifen auf City- Nähe und haben gern den Parkplatz direkt vor der Tür.
Und was trendy, cool und abgefahren ist, das entscheiden wir für uns auch ohne Prader oder Galerie Lafayette. Freundschaftsbande wurden schon früh im Kindergarten oder auf dem Schulhof geknüpft und halten auch über längere Entfernungen. Und erlischt mal eine Flamme der Liebe, ja dann dreht sich das Partnerkarussell einfach mal eine Runde linksherum und so liebt plötzlich Hans die Luise, Luise den Peter, Waltraut den Klaus und Irma bändelt nach der Trennung von Hans mit Stefan an, der nach 15 Jahren mit Simone zugibt, dass er schon seit der 3. Klasse auf Irma scharf ist. Thomas hat Glück, der hat eine aus Chemnitz, aber der ist ja sowieso aus Schöneweide. Damit die geneigte Leserschaft auch Lust bekommt, die „Verwandschaft“ mal näher kennen zu lernen, habe ich mir für die nächste Zeit vorgenommen, mich in den Kiezen und Vierteln unseres Heimatbezirks ein wenig umzuschauen und mit kritischem Blick zu erfassen, wo genau die Unterschiede liegen, die oft so fein nuanciert vorliegend in Vorurteilen enden, und was wir dann doch gemeinsam haben und dann auch so gern als Gemeinschaft teilen. Und nun zur Frage: Was kommt vor und nach Köpenick? Für mich nur Geburt und Tod.