Ansichten eines Fußball-Maskottchens

Mit Ritter Keule im Gespräch
Das askottchen des 1. FC UnionDie meisten Erst- und Zweitligisten haben ein Maskottchen. Beim 1. FC Union Berlin ist es Ritter Keule. Den gibt es seit dem Pokalviertelfinale 2000 gegen Bochum, und er hat sich über die Jahre verändert. Sein Kopf ist runder geworden, sein Gesicht freundlicher, und statt des Morgensterns trägt zumindest sein Kollege aus Plüsch inzwischen – na, was wohl? Eine Keule. Bevor der Ritter sein neues Gewand bekommt, haben wir uns auf einen Kaffee getroffen und darüber geredet, wie es sich in der Rüstung so lebt.
Um Ritter zu werden, muss man einiges drauf haben. Das Wichtigste: Man muss Kinder mögen – und damit zurechtkommen, dass man vom Heimspiel fast nichts sieht. „Ich stehe am Spielfeld, und die Kinder rufen „Keule, Keule, Keule! Manche wollen Fotos, manche wollen Autogramme – dafür bin ich eben da.“ Man muss außerdem groß sein. Sehr, sehr groß. „Der Ritter soll ja was Großes ausstrahlen. Sonst wär’s ein Gartenzwerg, weißte?“ Er muss von überall gut zu sehen sein. „Als wir im Jahnsportpark gespielt haben, sind wir die Schönhauser hoch und runter gelaufen. Bei solchen Sachen kann man als Maskottchen einfach mehr Aufmerksamkeit erregen, als wenn man beispielsweise die Spieler hinschickt.“ Talent und Schweigsamkeit sind für Ritteranwärter ebenfalls von Vorteil. „Eine Art Schauspielerei ist das schon, was wir da machen. Ich bin dann nicht so, wie ich jetzt bin. Der Ritter kann ja nicht sprechen, also muss ich mal zwei Stunden die Klappe halten.“ Zu guter Letzt: Ein bisschen Wahnsinn gehört dazu.
„Als Maskottchen bin ich mit dem Verein verbunden. Da muss man schon bekloppt sein, im Sommer bei 30 Grad in so’n Kostüm zu steigen und zwei Stunden rumzurennen.“
Warum aber macht man’s trotzdem? „Die Motivation war, näher ranzukommen. Nicht nur Fan zu sein. Maskottchen bin ich geworden, um im Verein aktiv mitzuwirken, Teil des Vereins zu sein.“ Die größten Gefahren sind Schiedsrichter und kniehohe Papierkörbe. Einmal ist Ritter Keule beim gemeinsamen Torjubel mit dem Fuß über die weiße Linie geraten. Dafür hat er rot gesehen und musste den Innenraum verlassen. Auch mit dem Linienrichter ist er schon aneinander geraten, „weil der so schlecht war. Der hat mir gesagt: Noch eine Aktion, und du gehst runter.“ Inzwischen weiß er: „Ich muss die Emotionen so im Zaum halten, dass ich nicht auf den Rasen renne.“ Schwieriger zu meistern sind die Tücken des Alltags. Treppenstufen. Alles, was nur bis zum Knie reicht. „Das einzige, wo ich durchsehen kann, ist dieser schmale Schlitz – der Mund, mit doppeltem Fliegengitter davor.“ Da gerät man schon mal ins Stolpern, wenn im Einkaufszentrum ein Papierkorb ungünstig steht. Unions Ritter Keule ist innen wie außen ein Typ mit Charakter, und manchmal kann man die beiden schwer voneinander trennen. „Mir ist es fast wie eine zweite Haut. Ich steige in das Kostüm, lege den Schalter um, und dann geht das Maskottchen los.“ Wie Keule auftritt, ist seinem Träger überlassen.
„Es gibt da keine Vorgaben des Vereins, es liegt an mir, wie ich mich bewege, was ich mache. Aber ich seh‘ mich nicht als Wink-Element, ich seh‘ mich nicht als Animator und ich seh‘ mich nicht als Motivator. Ich bin für die Kinder da, für’s Fotomachen. Aber ich bin keiner, der auf den Zaun steigt und die Fans animiert. Sowas brauchen wir nicht, wollen wir auch nicht.“
Auf das neue Oufit freut sich der Ritter. „Ich war bisher in zwei Kostümen. Ich glaube, das neue wird das beste werden. Wir steigern uns in der Qualität bei den Kostümen. Jedes war ein Schritt nach vorn.“ Dass er trotzdem unerkannt bleiben möchte, liegt nicht etwa daran, dass ihm der Ritterberuf peinlich wäre. „Damit geht man nicht hausieren. Wenn das mal zu Ende geht, möchte ich wieder als ganz normaler Fan zwischen den anderen stehen und nicht sagen: Ich bin mal Ritter Keule gewesen. Manche machen da Storys draus, sagen, wer sie sind, laufen dann im Kostüm rum, aber ohne Kopf drauf. Ich will das nicht. Ich will auch nicht, dass die Kinder das sehen. Der Ritter Keule ist für die sowas wie der Weihnachtsmann.“ Und den Zauber will er erhalten.
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