Am Dienstagvormittag wurde der neue Cheftrainer des 1.FC Union Berlin vorgestellt. Es war die am besten besuchte Pressekonferenz, die im Stadion An der Alten Försterei in den letzten Jahren statt fand. Dennoch hätte Norbert Düwel unerkannt an den gespannt wartenden Presseleuten vorbei spazieren können - er war exakt der Mann, mit dem niemand gerechnet hat.
Natürlich rufen solche eher überraschenden Personalentscheidungen kritische Fragen hervor. Wäre nicht einer mit großem Namen besser gewesen? "Kein großer Name, doch für Union ein großer Wurf", glaubt Präsident Dirk Zingler. Er fügt hinzu: "Ich steh´ auf gut ausgebildetes Personal."
Norbert Düwel ist ein Fußballlehrer, der am Anfang seiner Karrierre steht. Die Referenzen, die er mitbringt, sind ausgezeichnet. Er hat Sport studiert, war als Dozent an der TU München im Fachbereich Sportwissenschaften tätig und hat als Scout und Analyst für Manchester United gearbeitet. Zuletzt war er als Co-Trainer von Mirko Slomka bei Hannover 96 beschäftigt. Er habe dort in allen Bereichen der Trainingsarbeit seine Ideen selbstverantwortlich umsetzen dürfen, sagt er. Das, was jetzt vor ihm liegt, ist die konsequente Fortführung einer geradlinigen Karriere, aber auch ein Sprung ins kalte Wasser. Das sieht Norbert Düwel selbst so, das unterstreicht auch Dirk Zingler. Es ist ein Neuanfang auf beiden Seiten.
Düwel wirkt sehr gut vorbereitet auf den 1.FC Union Berlin. Er hat sich Union angesehen lange, bevor er als Trainer im Gespräch war. Niemand muss ihm erklären, wer Torsten Mattuschka ist. Keiner muss ihm den Weg ins Nachwuchsleistungszentrum zeigen. Er lobt die Arbeit seines Vorgängers Uwe Neuhaus, der ihm "eine sehr gute Mannschaft" überlassen hat. Trotzdem sieht Norbert Düwel Raum für Veränderung. Modernen Fußball wünscht er sich, taktisch variabel, aggressiv und schnell. Er glaubt, dass sich das in Köpenick verwirklichen lässt. Konkret nennt er eine Verjüngung des Teams und die Integration junger Spieler in die erste Mannschaft als erste Handlungsansätze. Damit Top-Talente nicht Top-Talente bleiben, sondern Profis werden.
Mit der Entscheidung für Norbert Düwel beweist der 1.FC Union Berlin den Willen, sich weiter zu entwickeln. Das schließt das Risiko ein, dabei zu scheitern. Nebenher wird aber noch etwas anderes sichtbar: Es gibt eine sportliche Leitung im Verein, die unabhängig von der Person des Cheftrainers funktioniert. Das ist beruhigend. Ebenfalls beruhigend ist es, dass Norbert Düwel Zeit haben wird, sich einzuarbeiten. Vor ihm liegt nicht nur die Transferzeit, sondern auch Testspiele und Trainingslager. Der Trainingsauftakt am 25.6.2014 wird sicherlich gut besucht sein.
Foto: Stefanie Fiebrig