Aus dem Dunkel der Geschichte

Jacza von Copnic statt Wilhelm Vogt!
Der durch einschlägige Publikationen bereits bekannt gewordene Mittelalterhistoriker Michael Lindner hatte im Herbst 2008 die lokalen Stadtväter in Aufregung versetzt, weil er in diesem Blatt nachwies, dass die Urkunde mit der Ersterwähnung von Köpenick tatsächlich in das Jahr 1210 n. Chr. gehöre. Mit Köpenicker Jubiläen dürfte es nach 2009 ohnehin gute Weile haben. Wer aber so darauf aus ist, wie der Berliner Senat (der ja 775 Jahre für feiernswert hält), der hat in Köpenick gerade einen 855. Jahrestag verpasst: für das Frühjahr 1157 ist in einer etwa 1195 verfassten Quelle ein Fürst Jacza belegt, der sich auf in seinem Auftrag geprägten silbernen Hohlpfennigen („Brakteaten“) als „Jacza von Copnic“ vorstellt.
Über diese seit längerem bekannte, aber in Herkunft und Stellung, Wirken und Verbleib umstrittene Person hat Lindner nun eine erste wissenschaftliche Biografie vorgelegt. Dabei liegt die Betonung auf wissenschaftlich, denn die bisher als Basis für Jaczas Einordnung in die regionale Geschichte dienende Studie von Herbert Ludat stammt aus dem Jahre 1936. Die akribischen Untersuchungen Lindners lassen nun folgendes Bild von Jacza entstehen: Er wurde um 1125/30 geboren, heiratete als „Ritter“ 1145 eine Tochter des mächtigen Grafen von Breslau Petr Wlast, was voraussetzt, das er Christ war. Ab 1145 baute er den Köpenicker Burgwall wie auch die dortige Vorburgsiedlung aus. 1149 wird er in einer Urkunde des polnischen Herzogs erwähnt. Als er 1150 nach dem Tode seines in Brandenburg herrschenden Onkels Przibislav (mit christlichem Namen Heinrich) versuchte, sein Erbe anzutreten, wurde ihm von Pribislavs Witwe im Verein mit dem benachbarten Markgrafen der Nordmark, Grafen Albrecht von Ballenstedt, aus der Familie der Askanier, verwehrt. 1153/54 unternahm er eine Pilgerreise ins Heilige Land. Zurückgekehrt, lässt er in Köpenick Münzen prägen, die ihn mit einem Palmzweig zeigen und ihn so als Jerusalempilger ausweisen. Aus den Streitigkeiten der Magnaten mit ihren östlichen Nachbarn (Elb-Oder- Slawen, Pommern und Polnischen Piasten) hatte er sich zwischen 1147 und 1155 heraushalten können. Im Vorfeld eines geplanten Angriffs Kaiser Barbarossas von der Saale bis über die Oder wurde er aber aktiv, zog mit einer polnischen Truppe gegen die Brandenburg und konnte sie einnehmen. Nach nur wenigen Wochen musste er jedoch einer Belagerung unter Leitung des Askaniers Albrecht und des Erzbistums von Magdeburg weichen und bekam den Zorn des Kaisers zu spüren: Als Sicherheit für künftiges Wohlverhalten musste er seinen einzigen Sohn als Geisel an den Kaiser ausliefern, der ihn dem Böhmenherzog Wladislaw II. in Obhut nach Prag gab, wo der zarte Knabe jedoch bald verstarb. Der nun erbenlos auf sein Fürstentum Köpenick zurückgeworfene Jacza baute dessen Hauptort weiter aus und ließ als Teil dieser Politik nun Münzen prägen, auf denen er sich ausdrücklich selbst als „Knes“ titulierte, d. h. als Fürst. Polnische Quellen nennen ihn „dux“ des „ducatus sorabicus“. Sie verweisen so darauf, dass er in Polen als der Herrscher der Elb-Oder-Slawen zwischen dem Obodritenherzogtum im Norden und der wettinischen Lausitz im Süden angesehen wurde. Nach erneuter Pilgerfahrt 1162 fügte er seinem Münzbild das Patriarchalkreuz hinzu – das Symbol des polnischen Zweiges des Ordens der Wächter vom Heiligen Grabe. Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Köpenicker Jacza identisch ist mit jenem, der als Jacza von Miechów dieses und ein anderes Stift für den Wächter-Orden in Polen einrichtete. Nach seiner zweiten Pilgerreise orientierte er sich nämlich deutlicher auf die von seiner Gattin eingebrachten Familiengüter östlich der Oder und wurde dort in der politischen Führungsschicht aktiv. Er trat die Besitzansprüche an sein Köpenicker Fürstentum 1168 an die Herzöge von Pommern ab. Die nahmen im Februar 1176 dieses Erbe auch in Anspruch: für ein rundes Jahrzehnt wurde Köpenick pommersch, ehe es dann von den Lausitzer Wettinern erobert wurde. In einem Epilog macht der Autor den Köpenickern den Vorwurf, dass sie dem Fürsten Jacza in ihrer auf den „Hauptmann“ fixierten Selbstdarstellung absolut unterbewerten. Wenn man sein Buch gelesen hat, möchte man ihm Recht geben.

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