Wie der Berliner Fernsehturm beinahe einmal auf den Müggelbergen gebaut wurde …

Oder doch lieber in Friedrichshain?
Imaginärer Dialog in einer Schulklasse, Fach Berlinologie
Lehrer: „Köpenick. Was fällt uns dazu ein?“
Schüler: „Hauptmann von, Heinz Rühmann, das Schloss, der Müggelsee, der Fernsehturm.“
Lehrer: „Richtig, sehr schön.“
Baupläne der Ostberliner Verwaltung – von den sowjetischen Besatzern als geheim eingestuft.
Illustration: Erik Kläffling

Ähm. Fernsehturm? In Köpenick?! Seit wann das denn?
Gar nicht, klar. Aber fast. Hätte sein können, der Fernsehturm in Köpenick. Wenn - ja, wenn der Flughafen Schönefeld nicht gewesen wäre. Oder wenn die DDR-Bauherren professioneller gearbeitet und nicht so viel schlechte Ossiplörre gesoffen hätten.

Der Fernsehturm am Alexanderplatz in Mitte, der 2009 40-jähriges Bestehen feiert, ist heute eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Welt und das zweithöchste Bauwerk Europas. Da steht er, 368,03 Meter hoch, mit Kuppel und Antenne, die in den quietschblauen Himmel hineinragt, in der Mitte Berlins (die zitty hat sogar ihren Stadtplan nach ihm ausgerichtet – der besteht da nicht aus Quadraten A4, B8 wie andere Stadtpläne, sondern aus nummerierten konzentrischen Kreisen um den Langen Lulatsch herum). Fernsehturm am Alex und Brandenburger Tor mit Quadriga, das sind die ultimativen Berliner Wahrzeichen.

Dass der Fernsehturm am Alex aber bereits der dritte Versuch der Ossis war, so ein Ding in Berlin zu installieren, ist kaum bekannt.

Denn in Köpenick, genauer in den Müggelbergen, befindet sich der Stumpf vom ersten Akt des Projektes „Fernsehturm Ostberlin“. Der zweite Akt spielte dann in Friedrichshain, und erst der dritte auf dem Alexanderplatz, und je mehr man sich in die Archive hineinliest, desto mehr kommt es einem so vor, als hätte die Planwirtschaft noch viel weniger funktionierende Pläne gehabt als bisher angenommen. Oder gab es etwa etwas zu vertuschen?

„Die Welt lacht uns ja aus, Chef...“

1954 wurde mit dem Bau des Fernsehturms in den Müggelbergen begonnen. Am 13. Dezember 1955 (!), also nach über einem Jahr Rummurksen, hieß es plötzlich, der Bau müsse eingestellt werden, da ein Fernsehturm an dieser Stelle den Flugverkehr von und nach Schönefeld behindere. Da fragt man sich doch als Baulaie: Kommen die da JETZT ERST drauf? Wie wird denn das geplant üblicherweise, wo man ein hohes Bauwerk hinsetzen will? Setzen sich da die Bauherren zusammen, stoßen mit Molle und Korn auf ihr tolles Projekt an, zeigen mit dem Finger blind auf den Stadtplan, und dann wird losgebaut? Oder wie?

Jedenfalls wurde der Bau am 30. April 1956 vorläufig und am 15. November 1956 dann endgültig eingestellt. Seither steht an der Stelle ein 31 Meter hoher Stumpf rum.

Aber dann – „Die Welt lacht uns ja aus, Chef...“, sagte vielleicht einer von der Stasi Anfang der Sechziger zu Ulbricht, „...wo wir doch mit dem Fernsehturm angefangen haben, und jetzt steht da bloß der Stumpf rum. Da denken die im Westen ja: Die von der DDR können so was nicht. Fernsehturm bauen, mein ich. Da lachen die uns ja aus. Da heißt es doch: Höhöhö, große Gosch' und nüscht dahinter, die kriegen das nich gebacken, die Ossis, 'n Fernsehturm, so wat könn die nich, weil ihnen auf halbem Wege die Materialien ausgehn, höhöhö!“ „Stimmt“, sagte Ulbricht, „da hamse mal recht, Genosse“, und damit wurde das Projekt Fernsehturm wieder neu begonnen.

In Friedrichshain wollte man ihn diesmal hinsetzen, aber die Idee „scheiterte bereits in der Planungsphase“, wie es offiziell heißt, was so viel bedeutet wie: Hier wurde, anders als beim Projekt Müggelberge, professionell geplant. Schließlich setzte sich dann der Vorschlag Alexanderplatz durch, und heraus kam der bekannte Lange Lulatsch.

Vielleicht aus Trotz war er dreimal höher als das Exemplar in den Müggelbergen hätte werden sollen (130 m wären das gewesen), und um den Westlern auch sagen zu können „Ätsch Gäbele, wir können das doch!“, war er komplett aus DDR-Materialien gebaut. Die waren weder aus- noch kaputtgegangen noch sonstwie marode. Wow! Sogar recht hübsch ist der Lange Lulatsch mit seiner Knolle oben, aus der die Spitze rauskommt.

Und die Köpenicker? Die ham ja ihren Stumpf. Heute sitzt da die Telekom drin, nutzt ihn als Richtfunkknoten und hat noch eine schicke Radarkuppel draufgebaut, wodurch das Ding jetzt aussieht wie eine Moschee aus Huxleys Brave New World. Für die Öffentlichkeit zugelassen ist der Turmstumpf nicht. Na, was soll's. Kann man trotzdem hinpilgern, ihn sich von außen bekieken und sich in seine Entstehungsmythen einspinnen lassen. Und ein bißchen was dazuspinnen.

Wer sich für die technischen Einzelheiten interessiert, dem sei hierzu folgende Webseite empfohlen: www.structurae.de

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