Von inneren Pferdeschafen – Und Hunden im Weltall

Aufgrund einer ausgeprägten Prokrastination kam ich erst kürzlich dazu, in meiner Wohnung den umfassend geplanten Frühjahrsputz zu erledigen. Aus einer besonders staubigen Kiste, die jahrelang unbemerkt auf einem Schrank vor sich hin träumte, fiel mir dabei ein Geschichtsbuch aus der 3. Klasse in die Hände. Beim Blättern durch die leicht vergilbten Seiten überkam mich nicht nur eine Art nostalgische Retrospektive in meine Schulzeit, sondern gleichzeitig ein beinahe erhabener Moment der Bewusstmachung, wie kurz unser Leben im Vergleich zur Historie der Menschheit doch ist! Und was bereits alles passiert ist! Unsere frühesten Vorfahren der Gattung Homo sapiens mussten ihre Nahrung sogar noch selbst jagen. Da dies unter Umständen sehr viel Zeit in Anspruch nahm, hat es sie vermutlich weniger gestört, dass es damals weder Fernsehen noch Internet gab. Mit der Bändigung des Feuers, die vermutlich schon dem Kollegen Homo erectus gelang, war immerhin der Weg frei für die ersten Candle-Light-Dinner und gebratenes Fleisch. Manche geben sich bis heute damit zufrieden. Welchen Stellenwert das Feuer für die Entwicklung der Menschheit insgesamt einnimmt, merkt man zuweilen dieser Tage noch an der häufig in Clubs und Discotheken gestellten Frage, ob man denn welches habe. Der Siegeszug der höheren Primaten war jeden- falls kaum noch aufzuhalten. Es folgte die Erfindung des Rads, der Eisenbahn und mit Letzterer auch der Verspätungen – die Eckpfeiler der modernen Zivilisation. Doch egal wie fortschrittlich wir inzwischen sind, welche technischen Errungenschaften wir feiern konnten und welche natürlichen Grenzen wir auch noch überwinden werden, so sollten wir eines nie vergessen: Wir sind und bleiben auch nur Tiere. Rein sprachlich betrachtet, ist uns das auch vollkommen bewusst. Warum sonst macht uns der Chef vor den Kollegen mit einer ordentlichen Schelte zur Schnecke? Warum sonst wohnen im Großstadtdschungel Baulöwen, Miethaie und Sparfüchse? Von den vielen armen Schweinen, Affen und Vögeln einmal abgesehen, die man sich in unschöner Art und Weise täglich um die Ohren haut. Dass wir noch etwas Animalisches in und an uns haben, ist durchaus als Vorteil zu sehen. Denn es gibt Momente im Leben, da scheinen eine gute Erziehung und diplomatisches Geschick schlicht fehl am Platz. Dann kommt es nur noch auf rohe Kraft und Instinkte an, auf das Recht des Stärkeren. So rät man jemandem, der zu zaghaft oder leidenschaftslos vorgeht, das Tier in sich selbst zu wecken. Doch welches Tier schlummert überhaupt in uns? Die wecken den Tiger in dir, behauptete zumindest immer die Lieblings-Cornflakes-Marke meiner Kindheit. Allerdings bleibt zweifelhaft, ob wirklich jeder einen Tiger in sich hat. Korrekterweise müsste es daher heißen: Die wecken den Tiger in dir, solltest du einen haben. Wahrscheinlicher ist, dass die Tiere in uns Menschen so vielfältig sind wie in der echten Natur. Die wecken den Hamster in dir will aber wohl niemand hören, der neuen Antrieb braucht. Fragwürdig bleibt, ob auch die Laus, die manchen über die Leber läuft, als deren Tier anzuerkennen ist. Gleiches gilt für den inneren Schweinehund. Bei dem sollte man sich ohnehin gut überlegen, wie man sich verhält. Denn wie lautet ein bekanntes Sprichwort? Schlafende Schweinehunde soll man nicht wecken. Eine Erklärung, warum es überhaupt Schweinehund heißt, liefern vielleicht die chinesischen Tierkreiszeichen. Die Pendants zu unseren Sternzeichen haben keine bestimmten Monate, sondern wechseln sich in in einem festgelegten jährlichen Turnus ab. Auf das Jahr des Hundes folgt das Jahr des Schweins. Wer nun exakt zwischen beiden Jahren geboren wurde, ist womöglich ein Schweinehund. Ich bin froh, dass ich kein Pferdeschaf oder Affenhahn geworden bin. Ein Bekannter weigert sich übrigens beharrlich, mit Tieren auf eine Stufe gestellt zu werden. „Schau doch mal. Wir sind so weit entwickelt, wir reisen inzwischen mit Raumschiffen ins All!“, sagt er dann. „Sicher“, entgegne ich, „aber das erste Lebewesen im Weltraum war eine russische Hündin.“

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