Lollapa-Loser

Foto: Matthias VorbauDas Lollapalooza-Festival lockte letztes Jahr 40.000 Besucher an. Neben den diesjährigen Top-Acts wie Radiohead, Kings of Leon, Major Lazer, New Order und Paul Kalkbrenner schmückt sich das Festival mit dem Nimbus eines nachhaltigen, ökologischen Festivals für die ganze Familie. Eine Karte kostet bis zu 159 €. Doch dieses Jahr muss ein neuer Ort gefunden werden. Denn das Tempelhofer Feld kommt nicht mehr in Frage: inzwischen wird das Terminal des ehemaligen Flughafens als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Um etwaigen, nicht genauer benannten „Problemen“ zwischen traumatisierten Geflüchteten und amüsierwilligen Festivalbesuchern von vornherein zu begegnen, entschied der Senat, dass es dieses Jahr keine Genehmigung zur Nutzung des Tempelhofer Feldes gebe. Ein Lageplan auf der Lollapalooza-Website für 2016 lässt vermuten, dass alle Entscheidungen getroffen sind und der Neuauflage des Festivals nichts im Wege steht: „Mit der tollen neuen Location im Treptower Park haben wir einen Ort gefunden, der mit seinen einzigartigen Gegebenheiten und Energien sowie seinem Charme ganz wunderbar zu Lolla Berlin passt. Nicht nur werden wir ihn hegen und pflegen, sondern wie unseren eigenen Garten im Herzen der Stadt behandeln. Unser Plan ist, mit dem diesjährigen Lollapalooza etwas Nachhaltiges vor Ort zu schaffen“, so Festivalleiterin Fruzsina Szép auf der Website. Die offizielle Website des Landes Berlin und der Sender radioeins werben ebenfalls schon selbstbewusst mit dem Event am neuen Ort. Doch bei Verantwortlichen, also Vertreter_innen des Bezirks Treptow-Köpenick, gab man sich zunächst zurückhaltend bis unwissend: „Da wir keinen Antrag zum Festival vorliegen haben, können wir auch keine Fragen hierzu beantworten.“ Gefolgt von einem Hinweis auf die Pressestelle und der Vermutung, dass die Senatskanzlei mehr wisse. Seitens verschiedenster Senatsverwaltungen, aber insbesondere seitens der für das Land Berlin für Kultur zuständigen Senatskanzlei verweist man hingegen auf die Verantwortlichkeit des Bezirks. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt kann „nur bestätigen, dass bei der Verkehrslenkstelle Berlin ein formloser Hinweis zu einer gewünschten Durchführung des Festivals im Treptower Park vorliegt.“ Kaum inhaltliche Begründungen, keine politischen Erklärungen, lediglich ein Hin-und-Her-Geschubse der formalen Zuständigkeiten: Was ist hier los? Währenddessen erfährt man dann aus der Pressestelle des Bezirks, dass das Lollapalooza-Festival „eine Veranstaltung von überwiegendem öffentlichen Interesse“ sei. „Ohne dieses wäre eine Veranstaltung nicht genehmigungsfähig.“ Weiter heißt es: „Will man das Festival in Berlin halten, und das ist das Ziel, musste ein Alternativstandort gefunden werden. Das Land Berlin ist deshalb an den Bezirk herangetreten.“ Obwohl also dem Berliner Senat noch gar kein Antrag vorliegt, und dem Bezirk selbst auch nicht, scheint Treptow-Köpenick schon jetzt Willens, dem Ansinnen des Senates zu entsprechen. Doch es regt sich Widerspruch: Vor dem Hintergrund der gerade erfolgten Sanierung des Treptower Parks für 17 Millionen Euro, appellieren Bündnis90/Die Grünen in einer Pressemeldung „… das frisch sanierte Gartendenkmal Treptower Park als Grün- und Erholungsanlage für alle zu erhalten und vor Stress durch Großveranstaltungen zu schützen.“ Die LINKE hat zu dem Thema bereits eine kleine Anfrage in der BVV gestellt. U.a. interessiert die Treptow-Köpenicker Fraktion: Welche veränderten Umstände haben das Bezirksamt bewogen, das Lollapalooza-Festival im Treptower Park positiver zu bewerten als etwa das in der Vergangenheit nicht mehr genehmigte „Treptow in Flammen“ und die kritisch bewertete Durchführung der angemeldeten Demonstration „Zug der Liebe“ durch den Treptower Park oder der kostenlosen „Fête de la Musique“? Und weiter: Was verdient der Bezirk an der Durchführung des Festivals? Welche Lautstärkeregelungen wurden getroffen (bitte in Dezibel angeben)?  
Warum nicht eine verkehrstechnisch gut erschlossene Location mit ausreichend Parkraum – warum nicht der BER?
  Die Antworten darauf wären auch für Victoria Heinz, ihres Zeichens Geschäftsführerin der Insel der Jugend im Treptower Park, gewiss interessant. Seit Jahren werden Anträge für Veranstaltungen ihres Hauses vom Bezirksamt abschlägig beschieden. Hauptursachen seien wohl das Ruhebedürfnis und die Klagefreudigkeit der Bewohner_ innen der Halbinsel Alt-Stralau, so vermutet Heinz. Ein Messpunkt für den Lärmpegel wurde bei den Betreiber_ innen eines Gastronomiebetriebes und eines Kulturvereines von offizieller Stelle direkt neben die Bühne gestellt. Damit sei gerade noch Triangel-Lautstärke möglich. Festivals seien seitdem ausgeschlossen. Sogar das historische „Treptower Hafenfest“ gebe es nicht mehr. Inzwischen gäbe es die Vorgehensweise, dass Victoria Heinz und ihr Team bereits vorab vom Bezirksamt (BA) Treptow-Köpenick um Stellungnahmen und Gutachten zu geplanten Events anderer Veranstalter im Gebiet gebeten werden. Diese inzwischen übliche Anfrage seitens des Bezirksamtes blieb im Falle des Lollapalooza bisher erstaunlicherweise aus. Es gehe ihr nicht darum, neuen kulturellen Angeboten als Platzhirsch von vornherein eine Absage zu erteilen. Aber hier werde mit zweierlei Maß gemessen. Warum gelten für Festival offenbar andere Gesetze bzw. werden per Dekret Einschränkungen aufgehoben, mit denen sich die lokalen Akteure seit Jahr und Tag arrangieren müssen? Nicht zuletzt verweist das Team der Insel der Jugend auf die Petition bei change.org mit bis heute über 3000 Unterzeichner_innen. Spannend bleibt es auf jeden Fall: von ausstehenden offiziellen Anträgen abgesehen, bleiben viele rechtliche Fragen, z.B. Umwelt-, Lärm-, Denkmalschutz etc.) Eine politische Entscheidung, dass das Festival im Treptower Park stattfinden soll, ist aber offensichtlich auf höchster Ebene gefallen. Auffällig ist jedoch die „Souveränität“ mit der diverse Stellen des Landes Berlin der Entscheidung Ausdruck verleihen - von der Ankündigung auf berlin.de bis hin zu „Es liegen keine Anträge vor.“ Der Bezirk Treptow-Köpenick hingegen muss sich ob seines vorrauseilenden Gehorsams folgende Fragen gefallen lassen: Warum gibt man dem Franchise eines großen US-Festivals mit dem weltgrößten Konzertveranstalter „Live Nation“ als größtem Anteilseigner im Hintergrund, den Vorzug gegenüber den Ideen und Entwicklungen regional verbundener Akteure und Veranstalter? Warum hat man Angst, lokale Ebenen frühzeitig mit einzubeziehen? Was hält man im Bezirksamt für kluge und nachhaltige Kulturpolitik? Immerhin eine Antwort kann man jetzt schon geben: Menschen sollen feiern, das sagen auch die Kritiker_innen. Doch das Lollapalooza wird wohl auch als Wahlkampfthema für den Abgeordnetenhaus- und den BVV-Wahlkampf 2016 in Treptow-Köpenick seine Triumphe feiern.

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