Meine Fraufreundin hat es ganz gern, wenn ich mal fünf Minuten die Fresse halte.Es ist schon eine Weile her, da stand ich eine gefühlte Ewigkeit am Savigny-Platz in Charlottenburg, einst Treffpunkt deutscher Literaten und anderer geistiger Eliten des geteilten Deutschlands. Jetzt herrscht mittlerweile auch hier der Doofen-Tourismus vor. Ein etwas aufgeregter Herr mittleren Alters entert meine gut geheizte B-Klasse. „Zum Klo.“ sagt er. Und: „Folgen sie dem Taxi vor Ihnen..“. Im Rückspiegel des Taxis vor mir, durch dessen Heck- und meine Frontscheibe, sehe ich die Begeisterung meines Kollegen; vom Savignyplatz zum Klo entspricht der Strecke Rolandseck zur Bölscheklause oder für die Jüngeren unter uns, vom Rabu zum RFT, wenn man schon ein Glas Bier getrunken hat, eine Ewigkeit. Für alle, die es noch nicht kennen sei hier erwähnt, dass es sich beim Klo um eine gastronomische Einrichtung handelt, in der Apfelschorle in der Ente und Schokopudding in der Bettpfanne serviert werden, na wer´s brauch. Wo war ich stehengeblieben, ah ja, der gutgelaunte Reiseleiter im Ehrenamt drängt mir zu allem Überfluss noch ein gut gemeintes Gespräch auf. „Sagen sie mal, sie kennen sich doch aus in Berlin?“ eröffnet mein neuer Freund die auf Grund der Kürze der Strecke nicht beendbare Unterhaltung. „Wo kann man denn hier noch richtige Abenteuer erleben?“ Einen kurzen Lacher kann ich mir nicht verkneifen und ziehe dann vom Leder, mich fragt er das, letzten Monat dreimal ausgeraubt und gestern nach der Schicht noch eine Stunde gebraucht, um Blut, Kotze und Pisse aus der Karre zu waschen, mich fragt diese Provinzpuffe, wo man Abenteuer erleben kann? Ich empfehle ihm, mal des nachts als Tourist erkenntlich, so mit Kamera und Kartentasche im Görlitzer Park spazieren zu gehen... Oder am Nauener Platz im Wedding Werbung für die NPD machen... Wirsing! Schon fast verdrängt und längst vergessen ist diese Geschichte, da bemerke ich neulich bei meiner alljährlichen Eröffnung der Fahrradsaison, die mich einmal von Schöneweide über Rummelsburg, die Elsenbrücke und den Treptower Park mit Haus Zenner und Baumschulenweg zück nach Schöneweide führt, den wohl verwunschensten Ort von Berlin, den ehemaligen Spreepark Berlin im Plänterwald. Total verwildert stehen die Skelette von Riesenrad, Dinosaurier und Geisterbahn in der Gegend, die ausgetretenen Pfade von Unkraut gesäumt und prall gefüllten, blauen Müllsäcken mit Zugband. Erinnerungen werden wach an die Zeit, als ich als Kind kinderreicher Eltern gratis Zutritt zu den Fahrgeschäften erhielt, von denen kaum noch die Schatten zu erkennen sind. Er war einst Treffpunkt der Ost- Berliner Punkszene, Meucko, Ratte, Speiche und Krätze, immer im Fokus der Staatsmacht und doch im Schutz des Schausteller Milieus. Ein Ort, an dem man unbeschwert anders sein konnte. Ja, hier des Nachts eindringen und der Phantasie freien Lauf lassen, das wäre etwas, das ihr zu einem unvergesslichen Abenteuer werden lassen könntet. Aber macht schnell. Nachnutzung ist seit nunmehr langer Zeit beschlossen und wird in absehbarer Zukunft vom Bezirk auch umgesetzt. Alles wird gut, so hofft man bloß. Aber wird’s auch besser? Ich glaube kaum...
Eiertanz
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