Bürzel raus, is Sommer!

Da lacht das Herz.
Mit dem Sommer scheint endlich mal wieder alles zu klappen dieses Jahr. Doch wohin zum gemütlichen Ganzkörpersonnenbad? Wie flüchten vor Millionen schwitzenden Städtern, die sich in Cafès drängen, Parks zu müllen oder in Autokolonnen für gute Luft sorgen? Wie den Kurier-Fotografen entkommen, die für das nächste Cover noch einen weiblichen Blickfang ablichten wollen? Die Angebote für die auflebende Freikörperszene Berlins – die nicht mehr sind als unsympathische „Duldungszonen“ – reichen von unannehmbar bis untragbar.
Ein Nacktbereich im Mauerpark, FKK Zonen im Tiergarten, abgegrenzte Sammelstellen am Wannsee oder an der Krummen Lanke – wie soll man sich da anders vorkommen als im Raucherbereich eines Restaurants oder als Autofahrer in einer Fußgängerzone? Der Süden Berlins bietet mit seinen weitläufigen Uferzonen und Waldbeständen allseits bekannte und doch allzu oft verdrängte Abhilfe für den Ruhe suchenden Naturfreund und Nacktbader. Bis über die Landesgrenzen hinaus ist die Müggelregion mit seinen FKK-Stränden bekannt… Auf einem österreichischen Internetportal findet man gar Bilder der einzelnen „Hotspots“ und aktuelle Wetterkarten von googlemaps. Auf Berliner Seiten sind hingegen meist nur die „vom Staat einverleibten“ oder privat betriebenen Badestellen verzeichnet, die nur einen geringen Anteil der lokalen Badekultur ausmachen. Die vielen wilden Strände, die sich in dem weitläu-figen Naturschutzgebiet rund um den Müggelsee verstecken, findet man hingegen nur bei ausgedehnten Spaziergängen und strapaziösen Erkundungstouren. Ein Wochenendausflug ins Umland ist für die Berliner seit Jahrhunderten eine willkommene Abwechslung zum aufregenden Leben der Metropole. Noch bevor das Baden um die vorige Jahrhundertwende als öffentlich sittsam erklärt wurde und die ersten Ganzkörperanzüge die Strände bevölkerten, gab es eine Straßenbahnanbindung zum größten See der Stadt, dem Müggelsee in Köpenick. Mit fünf bewachten Stränden und zwei Badeanstalten sowie zahlreichen Bootsverleihen, Segelschulen und wilden Stränden ist die Region eines der beliebtesten Ziele für die gestressten Hauptstädter. Doch auch hier gilt: Der erste Rat ist nicht immer der Beste. Der Mangel an Ortskenntnis und die einschlägigen Empfehlungen der Portale und Infostände führen oft dazu, dass bestimmte Punkte überlaufen sind und manche Strände gänzlich unbenutzt bleiben. Um die wirklich guten Badestellen zu erreichen, sollte man neben einer gute Karte oder einem Kompass, guten Schuhen oder einem Fahrrad vor allem eines mit an den Start bringen: ausreichend Zeit. Unratsam ist es, sich in Badesachen oder barfuß auf den Weg zu machen, denn wildes Baden bekommt beim Besuch am Rand Berlins eine ganz neue Bedeutung – und das ganz ohne Niagarafälle oder hohe Felsenklippen. Durch meterhohes Unterholz und Gestrüpp muss man sich auf kaum meterbreiten Trampelpfaden seinen Weg bahnen, fern vom schützenden Asphaltbelag der großen Wanderwege. Belohnt wird man in jedem Fall mit einer gehörigen Dosis Natur, idyllischer Geborgenheit und Ruhe. Allenfalls den im Volksmund als Surferstrand bekannten Rasen- und Sandstreifen am Nordufer des Müggelsees kann man von der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 60 zu Fuß bequem erreichen. Am historischen Wasserwerk vorbei sind es trotz allem gut 800 Meter entlang dem Müggelseedamm, bis man endlich rechts in den Wald abbiegen kann. Obwohl der Strand anscheinend bis über die Landesgrenzen hinaus als „Schwulenstrand“ oder – wie es das oben bereits erwähnte österreichische Gay- Nudistenportal nennt – als „Tuntengrill“ bekannt ist, findet man hier oft auch Familien oder Heteropaare. Der Strand liegt windgeschützt zwischen Baumgruppen und ist in mancher Sommernacht beliebte Location für Parties und sogar OpenAirs. Etwas weiter Richtung Osten, am besten mit der Straßenbahnlinie 61 erreichbar, lädt das Strandbad mit FKK-Bereich, Liegeplätzen und Sonnenstühlen zum erholsamen Kurzurlaub. Allerdings verschenkt man die Chance auf eine kleine Bucht im Schilf oder einen Fleck Sonne am grasigen Hang, sollte man statt einem Spaziergang am Ufer die öffentlichen Verkehrsmittel bevorzugen. Der Schotterweg, der entlang dem Müggelsee nach Rahnsdorf führt, wird zwar kurz vor dem Lichtund Luftbad wieder auf die Straße umgeleitet, den See verliert man aber nur kurz aus dem Auge. Das südliche Ufer des Müggelsees, das man in Friedrichshagen bequem durch den Spreetunnel am Ende der Bölschestraße erreichen kann, wartet mit weit mehr versteckten Badeorten auf als das Nordufer. Bereits entlang dem Weg in Richtung Rübezahl findet man neben den beiden großen bewachten Stränden „Teppich“ und „Läufer“ eine Vielzahl kleiner Buchten und Sandbänke im Schilfgürtel. Da das gesamte Gebiet ein moorastiges Naturschutzgebiet ist, sollte man jedoch darauf verzichten, von den bereits ausgetretenen Wegen abzuweichen. Das erspart schlammige Füße, wütende Förster und unnötige Zeckenattacken. Viele der hier lebenden Tiere haben sich schon an den regelmäßigen Angriff der Menschen auf ihre Heimat angepasst. Wen es allerdings nach einer wilden Übernachtung am See verlangt, der sollte schon mal eine Taschenlampe oder einen Kochtopf mitnehmen, um Wildschweine und anderes Getier, das zuhauf die Gegend durchstreift, vertreiben zu können. Zwar ist der Badestrand am Kleinen Müggelsee nicht mehr so sauber und unbevölkert wie noch vor einigen Jahren, Platz und Erholung bietet er aber immer noch. Volleyball, Paddeln oder einfach nur Planschen ist hier gar kein Problem. Und auch wenn die meisten Anlieger etwas quer im Kopf sind, bietet sich dem tapferen Naturfreund hier die entspannteste Möglichkeit, sich mal den Bürzel nass zu machen.

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