An just diesem Abend, der vom Gedenken an den Beginn eines schrecklichen Krieges, düsteren Vorahnungen und dem Unbehagen angesichts des drohenden Sommerendes geprägt war, füllte sich die Friedenskirche Grünau bis auf den letzten Platz mit einem bunt gemischten Publikum.
Menschen, die wie klassische Kirchgänger aussahen, Familien mit Kindern, ältere Paare und langhaarige Middle-Ager in New-Model-Army-Shirts teilten sich die Sitzbänke der wundersam schlichten und schönen Kirche, in der das 2. Berliner Friedenskonzert stattfinden sollte.
So bunt wie das Publikum war auch die Zusammensetzung der MusikerInnen, die mit ihren Beiträgen dafür sorgen durften, dass gemeinsam klingt, was sonst selten zusammen zu hören ist. Mit der polnischen Sängerin Anna Nova, den syrischen Instrumentalisten Berivan Ahmad und Wassim Mukdad, dem deutschen Liedermacher Goetz Steeger und dem Cellisten Tobias Unterberg, der dieses wundervolle Konzert mit dem KunstHofKöpenick e.V. organisierte, bot sich den ZuhörerInnen eine enorme Bandbreite an traurig-schönen, wehmütigen und kraftvoll-zornigen Songs.
Und dann war da noch Justin Sullivan, Leadsänger und Gitarrist von New Model Army, der mit seiner Ausstrahlung, seinem feinen Humor, starken Botschaften, leisen Tönen und einer umwerfend klaren, lauten Stimme wohl jeden im Publikum berührte. Dass Sullivan am Vorabend in der Alten Försterei dabei war, als Union den BVB in einem Spiel besiegte, das in die Geschichte des Vereins und ganz Köpenicks eingehen sollte, war nur eine nette Randnotiz an diesem bewegenden Abend.
Zwischen den Musikstücken wurden auf der Leinwand die Aufnahmen zweier Kinder aus Grünau gezeigt, die erklärten, wovor sie sich fürchten, was sie sich wünschen und wie sie sich Krieg vorstellen. Der Schauspieler Rolf Becker schilderte eindrucksvoll, wie er den Krieg als Kind erlebte, was der Krieg mit den Menschen machte, wie er den Vater verlor und warum es nie, niemals wieder zu einer solch schrecklichen Katastrophe in Europa kommen dürfe.
Doch was hat Musik mit Frieden zu tun, wie kann ein Konzert Frieden stiften, wo sich die BesucherInnen doch ohnehin einig sind, dass sie Frieden wollen und Krieg verachten?Es sind dieses Miteinanderklingen, das Nebeneinandersitzen verschiedenster Menschen, das gegenseitige Kennenlernen, das Zuhören und das Respektieren, das ein Gefühl der Wärme schafft. Und diese Wärme ist die wirkungsvollste Waffe im Kampf gegen Kriegstreiber und Hetzer. Wenn sie zu einer Flamme wächst, kann ihr der kalte Hauch der Trumps, Johnsons und Höckes, der Spalter und Lügner dieser Welt nichts anhaben. Und dieses wunderbare Konzert, das an keiner Stelle selbstgefällig oder gemütlich war, mündete in einer von allen BesucherInnen und MusikerInnen gemeinsam mit voller Kraft in diese Welt laut heraus gesungenen „Ode an die Freude“. Und so wurde der 1. September zu einem Tag, an dem polnische, syrische, englische und deutsche MusikerInnen gemeinsam gedachten und für den Frieden warben. Zu einem Tag, an dem mehr als Dreiviertel der WählerInnen in Brandenburg und Sachsen nicht für die AfD stimmten. Zu einem Tag, an dem es nicht kalt wurde und der Herbst noch nicht über den Sommer siegte.