Ratlos in Köpenick

Ein Treffen von Künstlern und Politikern zur Zukunft der Galerie Alte Schule endete ergebnislos. Freie Künstler im Bezirk  lehnen die Interimsräume für Ausstellungen in Johannisthal ab.
Ratlos, mutlos, kompromisslos – so lässt sich die Situation nach einem Treffen zwischen Künstlern und Politikern zum Thema Zukunft der Galerie Alte Schule kurz zusammenfassen. Erstmalig waren am 10. September engagierte Künstler, Mitglieder des Kulturauschusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Treptow-Köpenick sowie Kulturstadträtin Cornelia Flader (CDU) und Bürgermeister Oliver Igel (SPD) zusammengekommen, um darüber zu reden, wie es mit der einzigen kommunalen Galerie im Bezirk weitergehen soll.

Keller Rathaus Johannisthal
Interimsräume der bezirklichen Galerie „Alte Schule“ im Rohbau /// Foto: D.B.

Grund der Debatte: Das Bezirksamt hatte beschlossen, die Stelle der Galerieleitung für die auf zwei Jahre terminierten Bauarbeiten im Kulturzentrum Alte Schule in Adlershof nicht neu zu besetzen. Die derzeitige Leiterin scheidet zum Ende dieses Jahres altersbedingt aus. Eine weitere Entscheidung: Während der Bauarbeiten an ihrem angestammte Ort soll die Kunsteinrichtung im ehemaligen Rathaus Johnnisthal unterkommen. Das dortige Untergeschoss, das später einmal ein Kieztreff werden soll, wird aktuell saniert.


Künstler beklagen das Kaputtsparen der Kultur

Die Künstler im Bezirk protestieren seit Wochen gegen die Pläne der Politik. Dass die Leitungsstelle gestrichen worden sei, könne man nur als Missachtung des Stellenwertes von Kultur, die im Bezirk systematisch kaputtgespart werde, ansehen.

Vor 20 Jahren habe es in Treptow-Köpenick vier kommunale Galerien und mehr als 60 Beschäftigte im Kulturbereich gegeben, davon seien nur eine einzige Galerie und eine Handvoll Mitarbeiter übrig geblieben. Eine Bankrotterklärung für die demokratische Zivilgesellschaft im größten Berliner Bezirk sei dies, bemängeln etwa 50 Künstler, die sich in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben.

„Gerade in der Übergangszeit muss doch jemand vom Fach da sein, der die Fäden zusammenhält, notwendige Netzwerke knüpft und die Verbindung mit den Künstlern aufrecht hält“, sagt Stefka Ammon vom Künstlerbündnis. Zudem gebe es keine feste Zusage, dass die Stelle in zwei Jahren, wenn die Galerie an ihren angestammten Platz zurückzieht, neu besetzt werde. „Gibt es in diesem Bezirk mit seinen fast 270.000 Bewohnern nur noch Raum für Bier- und Weinfeste, aber nicht für kulturelle Bildung?“

Kultursenator Klaus Lederer (Linke), an den sich die Künstler mit ihrem Protest gewandt hatten, sagt, dass er in die Verantwortlichen im Bezirksamt vertraue. Als einzige kommunale Galerie im flächenmäßig größten Berliner Bezirk komme ihr eine große Verantwortung für die Qualität des kulturellen Lebens und die Bindung der Künstlerinnen und Künstlern im Bezirk zu. Eingreifen kann der Senator jedoch nicht, denn:

„Über diese Planungen wie über Personalmittel entscheiden die Bezirke in eigener Verantwortung.“

Er, so Lederer, werde den Fortgang der Angelegenheit interessiert verfolgen, und er sei zuversichtlich, dass eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden werden wird.

Doch das scheint nicht so. Eine Einigung ist nicht in Sicht, auch nach dem beinahe zweistündigen jüngsten Treffen am 10. September. Die Künstler sind ratlos, und bei den Politikern heißt es, man habe keine Kompromisslinien erkennen können. Die Anschuldigungen der Künstler weist das Bezirksamt zurück. Man arbeite mit Hochdruck an personellen und räumlichen Modellen, um die profilierte Arbeit der Galerie in ihrer bisherigen Qualität fortzusetzen, teilte Stadträtin Flader mit.

Begründet wird die Nichtbesetzung der Galerieleitungsstelle mit fehlendem Geld im Kulturressort, wo im Frühjahr, nach sechs Jahren Vakanz, endlich wieder ein offizieller Kulturamtsleiter eingestellt wurde. Bürgermeister Igel macht seither immer wieder deutlich, dass an anderer Stelle gekürzt werden müsse, sollte jetzt auch noch die Galerieleitung neu besetzt werden.

„Ich bin hier in Berlin nicht dafür angetreten, eine Galerie zu leiten, sondern habe sechs Abteilungen, für die ich verantwortlich bin.“

Albrecht Pyritz, Fachbereichsleiter Kultur und Museum in Treptow Köpenick

Für die Übergangszeit, bis zum Wiedereinzug in die sanierte Alte Schule, soll ein Volontär/eine Volontärin die Galerie leiten. Eine Volontärsstelle kosten den Bezirk kein Geld, sie wird aus dem Landeshaushalt bezahlt. Der Idee des Bezirksamtes, dass der neue Chef des Kulturamtes Albrecht Pyritz die fachliche Leitung mit übernehmen könnte, erteilte dieser jüngst eine deutliche Absage: „Ich bin hier in Berlin nicht dafür angetreten, eine Galerie zu leiten, sondern habe sechs Abteilungen, für die ich verantwortlich bin.“, sagte Pyritz im August bei seiner Vorstellung im Kulturausschuss.

Also wird ein Kultur-Azubi, der eigentlich profunder fachlicher Anleitung bedarf, die Arbeit einer Kulturfachkraft übernehmen müssen. Die Artothek, in der sich Bürger Kunst auf Zeit ausleihen können, wird während der Bauarbeiten ganz eingemottet.


Interimslösung in Johannisthal abgelehnt

Auch die vom Bezirksamt bestimmten Interimsräume für die Galerie im Untergeschoss des ehemaligen Rathauses Johannisthal finden keine Gnade vor den Augen der Künstler. Bei einem Rundgang Anfang September stellten sie fest, dass die Kellerräume viel zu klein und zu niedrig sind. Stefka Ammon: „Die drei für die Galerie vorgesehenen Räume sind maximal 3,30 Meter hoch und haben an jeder Wand entweder eine Tür oder Fenster sowie etliche Säulen zum Deckengewölbe.“ Weder in ihrer Größe noch in der Höhe seien die Räume geeignet für Kunstpräsentationen, durch die Säulen könnten Skulpturen gar nicht gezeigt werden. Ammon:

„Vielleicht sind kleine Aquarelle möglich, aber nichts Größeres.“

Auch Albrecht Pyritz, der neue Kulturamtsleiter, räumte eine drastische Beschränkung ein: „Der Interimsstandort, der dreimal kleiner ist als die jetzige Galerie, ist unbefriedigend“, sagte er im Kulturausschuss. Doch andere Orte, die man sich angesehehen habe, hätten zwischen drei und zehn Euro Miete pro Quadratmeter gekostet, das sei nicht leistbar gewesen für den Bezirk. Daher habe man auf die bezirkseigene Immobilie, das ehemalige Rathaus Johannisthal, zurückgegriffen.

Aber er, so Pyritz, werde dafür sorgen, dass es auch Ausstellungen an anderen Orten geben werde. Weitere mögliche Kunstorte hatte auch Bürgermeister Igel ins Gespräch gebracht, so unter anderem eine alte Schule in Treptow oder am alten Köpenicker Gaswerk, das inmitten eines neuen Wohnquartiers liegt, das in den kommenden Jahren erbaut werden soll. Doch noch sind das alles nur Ideen, Konzepte fehlen ebenso wie Geld.


Angst vor Absturz der Kultur

Wie geht es jetzt weiter? Die Bezirksverordneten, so Edith Karge von den Linken, wollen das Bezirksamt jetzt „überreden“, dass die gefassten Beschlüsse noch mal überdacht werden. Jedem sei klar, dass die Galerie gerade jetzt, in der schwierigen Übergangszeit, eine fachliche Leitung benötige. Dass dies angesichts offenkundiger Finanzprobleme ein schwieriges Vorhaben sein wird, erscheint allen ebenso klar. In der nächsten Kulturausschuss-Sitzung geht die Debatte weiter.

Indes haben sich weitere Künstler dem Protest angeschlossen. Birgit Grimm, die Chefin des Vereins Alte Möbelfabrik und des Schlossplatztheaters in der Köpenicker Altstadt, schreibt, sie erhebe vehement Einspruch gegen die Abwertung der Bildenden Künste im Bezirk durch die Streichung der Stelle der Galerieleitung. Auch das Ausweichquartier sei der zeitgenössischen Kunst unangemessen und ungeeignet, da moderne Ausdrucksformen wie Installationen, Videoproduktionen und bildhauerische Werksgruppen nicht gezeigt werden könnten. Gerade die Übergangszeit während der Sanierung, so Grimm, verlange viel fachliche Kompetenz, großes Engagement und gute Vernetzung, damit die kommunale Galerie nicht in der provinziellen Versenkung verschwindet.

Auch Kunstmanager Klaus Kämpfe-Burghardt aus Wolfenbüttel, der Anfang 2019 die Ausstellung von Liz Crossley im Seitenflügel des Köpenicker Schlosses mit organisiert hat, kritisiert die Galerie-Entscheidung aus Treptow-Köpenick. Er sehe „mit Entsetzen den Versuch, Kunst/Kultur in einen Keller zu quetschen“ der für ein kommunalpolitisches Statement, wie mit Kunst/Kultur umgegangen werden soll, eindeutig nicht geeignet sei.

Die Bauarbeiten in der Alten Schule beginnen am 7. Januar kommenden Jahres. Es ist nicht mehr viel Zeit für eine gemeinsame Lösung.

 


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