Achtung! In die aktuelle Maulbeerblatt-Printausgabe ist eine Arbeitsversion dieses Textes gerutscht. Wir bitten diesen groben Fauxpas zu entschuldigen. Der verantwortliche Chefredakteur steht seit Montag zum Schämen in der Ecke.
Peter Groos war lange Fraktionschef der Grünen in Treptow-Köpenick, musste den Vorsitz aber im vergangenen Sommer aufgeben: Die Bezirksverordneten haben ihn zu ihrem Vorsteher gewählt. Seither bekleidet er eins der höchsten repräsentativen Ämter im Bezirk. Der Historiker, der in der hessischen Kleinstadt Dillenbug aufgewachsen ist und 1993 nach Oberschöneweide zog, trat 1999 dem Kreisverband Treptow-Köpenick bei. Seit 2006 ist Peter Groos Mitglied der BVV. Das Maulbeerblatt traf sich mit dem engagierten Politiker und erhielt bei einem Gespräch über Bezirkspolitik und Berliner Erfahrungen Einblicke in die Seele eines grünen Realpolitikers.Â
Herr Groos, seit Sommer sind Sie gewissermaßen der Norbert Lammert von Treptow-Köpenick. Welche Aufgaben hat ein BVV-Vorsteher?
Eine Hauptaufgabe des Vorstehers besteht in der inneren Organisation der Bezirkverordnetenversammlung. Dafür steht mir das BVV-Büro mit drei Mitarbeitern zur Verfügung. Eine BVV ist ein komplexer Organismus, 54 Bezirksverordnete, fünf Fraktionen, Ausschüsse und Gremien. Ich bin für den reibungslosen Ablauf verantwortlich, in meinem Büro kommen Anträge und Anfragen an, werden bearbeitet, kurz, die Koordination zwischen allen Akteuren und Gremien fällt in meinen Bereich. Anders als der Bundestag ist die BVV kein Parlament, auch wenn sie sehr ähnlich strukturiert ist. Tatsächlich ist die BVV ein Teil der Verwaltung, und ihre Arbeit sehr eng mit der des Bezirksamtes verzahnt.Â
Ist das die einzige Aufgabe?Â
Nein, es gibt noch einen zweiten wichtigen Bereich. Das sind die Angelegenheiten, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen. Das kommen Eingaben, Beschwerden, Anregungen, Fragen. Es sind wirklich viele Probleme, mit denen sie sich an uns wenden, und das finde ich gut so, weil die Einmischung für eine lebendige Bürgerschaft spricht. In Zeiten, da das Misstrauen gegenüber der Politik so groß ist, ist es ein gutes Zeichen, wenn die Bürger etwas von der Politik erwarten. Und sie erwarten zu Recht ernst genommen zu werden. Die dritte „Säule“ des Vorsteheramtes sind die auch nicht unwichtigen und vor allem zahlreichen repräsentativen Aufgaben.Â
Was bedeutet Ihnen der Posten persönlich?
Politisches und Persönliches trenne ich da nicht so. Aber ich sehe es schon als große Anerkennung, dass die Mehrheit der Bezirksverordneten mich, einen Bündnisgrünen, zu ihrem Vorsteher gewählt hat, auch wenn das Ergebnis knapp war. Dass ein Vertreter der viertstärksten Fraktion – und das sind die Grünen in Treptow-Köpenick – diesen Posten übernimmt, hat es in Berlin meines Wissens noch nie gegeben. Außerdem freue ich mich, dass mir als einem Zugezogenen aus dem Westen dieses Vertrauen entgegen gebracht wurde.Â
Als BVV-Vorsteher sind Sie der Neutralität verpflichtet und mussten den Fraktionsvorsitz aufgeben, dennoch Sie leiten weiterhin den Haushaltsausschuss. Ist das legitim?
Ich habe schon vor meiner Wahl klar gemacht, dass ich Fachpolitiker bleiben möchte. Unsere Fraktion kann es sich nicht leisten, ein Mitglied an organisatorische und repräsentative Aufgaben zu verlieren. Bei sechs Mitgliedern können wir niemanden entbehren. Ich leite weiterhin den Haushaltsausschuss und arbeite auch im Kultur- und im Integrationsausschuss mit. Das erfordert eine gewisse Flexibilität, denn in den Ausschüssen bin ich Grüner und als solcher parteiisch. Aber ich halte mich in meinem Auftreten entsprechend zurück und habe den Eindruck, dass der Umgang mit diesem Rollenwechsel ganz gut gelingt.Â
Wo brennt es aus Sicht der Grünen in Treptow-Köpenick?
Um es vorweg zu nehmen: Der Bezirk nimmt gerade eine sehr positive Entwicklung. Wer das nicht wahrnimmt, will es wahrscheinlich nicht wahrnehmen. Aber damit sind dennoch Probleme verbunden. Der Wohnungsneubau boomt zurzeit, und zwar auf sehr hohem Preisniveau – nachvollziehbar, denn der Bezirk ist sehr attraktiv. Doch das führt zu Druck auf Wohngebiete, in denen Mieter mit kleinen und mittleren Einkommen leben. Da muss man alles dafür tun, dass diese Menschen nicht verdrängt werden. Â
Was ist mit dem Verkehr?
Zentrales Thema war für uns Grüne lange, den Weiterbau der A 100 zu verhindern. Wir mussten anerkennen, dass wir hier unterlegen waren, der Weiterbau wird seit 2013 umgesetzt. Als ein sichtbares Zeichen sollen nun die beiden Häuser in der Beermannstraße abgerissen werden. Zweitens wollen wir den Regionalbahnhof in Köpenick. Aber diese Entscheidung fällt auf Bundesebene. Schließlich ist Treptow-Köpenick ein Bezirk des Radverkehrs, für die Bewohner ebenso wie für die Berliner, die Naherholung suchen. Daher brauchen wir die höchsten Standards für den Radverkehr, Ausbau der Radwege, Leitsysteme und die gesamte dazugehörige Infrastruktur.
Haben die Grünen eine Chance, sich auf diesem Gebiet durchzusetzen?
Seit 2011 bilden wir in der BVV mit SPD und CDU eine Zählgemeinschaft und können unsere Ziele ganz anders und viel besser zur Geltung bringen. Es hat sich einiges bewegt, was grüne Standpunkte betrifft. Andere Parteien können darüber nicht mehr hinwegsehen. Dass man auch Kompromisse eingehen muss, ist klar, aber: Wir Grünen können unsere Positionen im Bezirk voll umsetzen.
Sie haben 2011 den Sprung ins Abgeordnetenhaus versucht. Wollen Sie im Herbst 2016 einen zweiten Anlauf wagen?
Ich sehe meine politische Zukunft hier im Bezirk, und mache mich stark dafür, dass wir von 2016 an endlich wieder dem Bezirksamt angehören …
Das heißt, die Grünen möchten einen Stadtratposten?
Natürlich, das muss doch unser Ziel sein, wir wollen gestalten, ich persönlich möchte gestalten. Aber die Wegstrecke bis zur Wahl ist noch lang. Der grüne Kreisverband wird die inhaltlichen, personellen und strategischen Fragen rechtzeitig beraten und beschließen. Außerdem ist es für uns Grüne in Treptow-Köpenick wichtig, dass wir unseren Sitz im Abgeordnetenhaus behalten. Wir werden Harald Moritz unterstützen, damit er wieder über einen Listenplatz ins Abgeordnetenhaus kommt. Das ist unsere Mindesterwartung, dass es zwei Kandidaten aus dem Bezirk schaffen, ist eher unwahrscheinlich.
Noch ist nichts entschieden, aber fänden Sie es gut, wenn die Grünen in Berlin wieder mit einer Bürgermeisterkandidatin ins Rennen gehen würden, wie 2011 mit Renate Künast?
Das kommt auf die Person an, und die Strategie. Wir müssen das glaubwürdig vertreten können, sonst fällt uns das auf die Füße. Die Erfahrung von 2011 war doch sehr bitter. Es gab eine Phase, da war es sinnvoll und richtig, Renate Künast aufzustellen, aber in dem anschließenden Wahlkampf reihte sich dann ein Negativ-Erlebnis an das andere. Die bitterste Erfahrung haben wir, finde ich, aber erst nach der Wahl gemacht.
Nämlich?
Dass wir Grünen unsere Koalitionsbereitschaft mit der SPD an die A 100 geknüpft haben. Es war doch absehbar, wie das enden würde. Das haben viele Berliner und auch viele Grüne nicht verstanden. Naja, und dann hat sich die Fraktion in einem monatelangen Machtkampf zerrieben, alles sehr unschön.
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