Die Geschichte kennt man – weltweit sorgt sie bis heute für Belustigung, die Kostenträger wissen es sehr wohl. Nun hat man den Spieß oder besser das Gewehr, gar die Propagandakanone aber umgedreht! Nicht ohne humoristischen Einschlag kam man bei der geschichtsbewusstseinstrainierten Bundeswehr auf die gar feine Idee, die Cöpenickiade des Wilhelm Voigt selbstdarstellend und im Handlungsablauf leicht variiert zu bedienen, mit dem Berliner Wachbataillon in Köpenick anzurücken, ein wenig zu Exerzieren, den Bürgermeister aber nicht zu bestehlen, vielmehr zu beschenken, um bei all der Freude „mit einer anschließenden Waffendrillvorführung“ auch noch neue Soldaten für Bund und Wehr zu rekrutieren. Eigentlich ´nen klasse Einfall und bestimmt hätte sich unter anderen Umständen manches fröhliche Gemüt hinreißen lassen und den Soldvertrag auch sofort und bedingungslos glücklichen Herzens unterzeichnet.
Gäbe es da nicht ein paar besondere Schönheitsfehler bei der Sache. Die übersah zunächst der oberste Kommunale der Köpenicker, Bezirksbürgermeisters Oliver Igel, fand die Idee des Rekrutierungszuges auch Spitze und lud die Gardesoldaten des Berliner Wachbataillons, deren eine hauptsächliche Aufgabe im protokollarischen Ehrendienst bei Staatsbesuchen besteht, kurzerhand zu sich ein.
Möglicherweise wurde Herr Igel dabei auch vom Charme, mit dem das Ganze daher kam, übermannt. Denn, so sagt es die Legende, es war immerhin einer Dame vorbehalten, die grandiose Eingebung in die Welt getragen zu haben, elitäre Wachsoldaten der Bundeswehr am Köpenicker Rathaus aufmarschieren zu lassen. Auf einem Spaziergang am historischen Ort kam Wencke Sarrach, der Soldatin – und, welch netter Einwurf des Geschicks: weiblicher Hauptmann der Bundeswehr – gerade jene Idee. In Köpenick, sagt die Hauptmann Sarrach, marschiere die „Crème de la Crème“ des Bataillons auf – eben das Drillteam der Bundeswehr. Und die Frau Hauptmann Sarrach selbst sollte nun den Zug beim Galadefilee anführen und wollte allen dabei vorführen, dass sie und ihre Kameraden doch „Soldaten zum Anfassen sein.“
Guter Plan, könnte man sagen. Der Hauptmann als fröhlicher Gesell im Waffenrock. Gäbe es da nicht die ziemlich weit verbreitete Lesart der Geschichte, wonach dieser Wilhelm Voigt die Uniformhörigkeit und die militärischen Durchdringung einer angekränkelten Gesellschaft der Lächerlichkeit preisgab. Wir lernen: Die Begeisterung für blanke Uniformknöpfe und güldene Epauletten lebt unverstaubt und trotz allem in Köpenicker Amtsstuben fort.
Doch ganz ehrlich, irgendwie scheint es, ist der Amtsschimmel samt und sonders und auch mit Hauptmann und Igel da mal wieder durchgegangen. Denn manchem Zeitgenossen erschloss sich der freudige Sinn der Veranstaltung so ganz und gar nicht. Was Wunder, möchte man meinen, in einer Zeit, da junge deutsche Soldaten wieder an Kriegsschauplätze ziehen, selbst an den Rändern Europas Panzer rollen und Kanonen donnern – und in Köpenick ist man sich nicht zu dumm, einen absonderlichen Rekrutierungsmummenschanz aufzuführen.
Und da war es dann mit dem „Soldaten zum Anfassen“ und Herrn Igels Ehrenparade doch ein bisschen Essig am Dienstag, den 12. August diesen Jahres. Von lautstarken Protesten begleitet standen sie nun in Köpenick, die Berliner Gardesoldaten des Wachbataillons, und wussten nicht so recht, wie ihnen geschah angesichts des Protestes, den das Köpenicker Fußvolk in Szene setzte. Man hat „auf einen zunächst geplanten Werbestand gleich ganz verzichtet“. Gar so weit ging es, dass die Berliner Polizei (sic) dafür sorgetragen musste, „dass die Soldaten ihre Show ungehindert durchführen können.“ - -
Hanna Wichmann hat viel gesehen im Leben. Als „Kind bin ich aufgewachsen mit der Sorge um Essen und Heizung und mit immer häufigerem Fliegeralarm…Flucht, Gefangenschaft, Zuchthaus kannte ich aus der Verwandtschaft“, sagt sie. Und sie kennt die jüngere deutsche Geschichte genau, sagt sie, und die des Hauptmanns von Köpenick insbesondere. Mit vielen Köpenickern beobachtet sie das Treiben der Faschingssoldaten bei den herkömmlichen Aufzügen zu Cöpenickida oft „mit einem Augenzwinkern“. „Wir lachen darüber“, sagt sie. Beim Anblick von Bürgermeister Igels Rekrutierungsparade ist nicht nur Frau Wichmann das Lachen vergangen.