Kfz-Schrauber gegen den Autowahn

MBB_H_Moritz_Portrait_quer Das Maulbeerblatt stimmt seine Leser auf die Wahlen im September ein und stellt die Treptow- Köpenicker Kandidaten für das Berliner Abgeordnetenhaus vor. In dieser Ausgabe: Harald Moritz. Der Kfz-Mechaniker trat 1989 dem Neuen Forum bei, dann dem Bündnis 90. Gut 20 Jahre lang engagierte er sich auf Bezirksebene für grüne Verkehrspolitik. 2006 hat er sich einen Namen gemacht, als er mit einer Bürgerinitiative gegen den Ausbau der Stadtautobahn kämpfte. 2011 zog er über die Landesliste ins Abgeordnetenhaus ein und sitzt als Sprecher für Straßen- und Luftverkehr im Bauausschuss sowie im Untersuchungsausschuss zum BER. Herr Moritz, wie viele Kilometer legen Sie im Jahr mit dem Auto zurück? Im Jahr sind es wohl bis zu 5.000 Kilometer, die ich meist in der Freizeit oder zum Transport von größeren Gegenständen verfahre. Aber für meine täglichen Wege bin ich mit dem Fahrrad, Bussen und Bahnen unterwegs. Sie sind der verkehrspolitische Sprecher Ihrer Fraktion und sagen, dass die Autodichte in Berlin unter 30 Prozent gesunken ist. Was bedeutet das genau? In Berlin werden nur noch 28 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt. Außerdem besitzt weniger als die Hälfte aller Haushalte ein eigenes Auto. Demgegenüber werden 32 Prozent aller Wege zu Fuß erledigt, der Rest fährt Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Berlinerinnen und Berliner sind damit kurioserweise weiter als der Senat, der immer noch autoorientiert handelt und beim Ausbau von Radwegen und Straßenbahnen nur schleppend vorankommt. Bei großen Straßenprojekten ist er aber immer noch zielstrebig unterwegs. Das möchte ich in der nächsten Legislaturperiode verändern. Welche Chancen sehen Sie für Treptow-Köpenick? Treptow-Köpenick ist ein grüner, sehr vielfältiger Bezirk. Man findet Wald und Wasser vom Rahnsdorfer Fischerdorf bis zur Innenstadt, und – mit dem (noch) höchsten Bürohochhaus – alle städtebaulichen Strukturen. Genau darin liegen Potential und Chancen. Der Bezirk ist attraktiv für Alteingesessene wie für die vielen Zuzügler. Nicht zu vergessen die Entwicklung als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort, die gut vorankommt. Was würden Sie anpacken, wenn Sie Bürgermeister des Bezirks wären? Das Wachstum in unserem Bezirk hat Folgen, deshalb muss für genügend Schulen, Kitas und weitere soziale Einrichtungen gesorgt werden. Die Menschen wollen sich engagieren und mitreden, das würde ich durch bessere Informationen in den jeweiligen Ortsteilen unterstützen. Und ganz wichtig: Die Verwaltung muss wieder besser funktionieren, das bekommt ein Bürgermeister nicht im Alleingang hin, aber es ist eine ganz vordringliche Aufgabe. Was schätzen Sie an Ihrem Wahlkreis – Alt-Treptow, Plänterwald und Baumschulenweg? Er ist städtisch geprägt. Die Innenstadt ist schnell erreichbar, aber auch der Stadtrand mit seinem Grün. Und der Wahlkreis hat alles, was man sich wünscht: die Spree, den Plänterwald, Treptower Park, Einkaufsmöglichkeiten, einen Kiez mit Kneipe und Café und nicht zuletzt nette, aufgeschlossene und engagierte Menschen. Natürlich gibt es Probleme mit Verkehr, Lärm, immer weiter zugebauten Flächen, Mietsteigerungen und Verdrängung. Nach zähem Ringen gibt es nun aber Erfolge, ob bei der Schulwegsicherung oder Milieuschutzverordnung. Ich bleibe weiter dran. Glauben Sie noch an den Eröffnungstermin des BER Ende 2017? Nein. Es ist sicher nur noch die Frage, wann für den Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Müller der richtige Zeitpunkt zur Absage ist. Aber irgendwann wird d er BER kommen, mit all seinen Problemen, sei es mit Blick auf den Lärm oder die wirtschaftlichen Fragen. Für die rechtskonforme Umsetzung des Schallschutzprogramms setze ich mich seit Beginn meiner Abgeordetentätigkeit 2011 ein. Genauso für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Und ich befürchte, dass der BER auch im Betrieb noch viele Probleme bereiten wird. Welches sind die wichtigsten grünen Ziele für die kommende Legislatur? Die Berliner Verwaltung muss funktionieren, monatelanges Warten auf einen Personalausweis oder eine Wohnungsanmeldung sind unakzeptabel. Nötig sind zudem Investitionen in die Infrastruktur, auch der Bedarf an eine wachsende Stadt muss angepasst werden: Wir brauchen Wohnungen, günstiger Wohnraum muss erhalten bleiben. Dazu zählt auch eine menschenwürdige Unterbringung geflüchteten Menschen. Berlin braucht schließlich eine moderne Verkehrspolitik, die unsinnige Investitionen in Betonpisten wie die A100 stoppt. Gerade für eine progressive Verkehrspolitik werde ich mich einsetzen. Was halten Sie von der Flüchtlingspolitik in der Stadt? Es ist richtig, dass Berlin Menschen aufnimmt, die Schutz vor Krieg und Terror suchen. Für das Grundrecht auf Asyl und Schutz vor Verfolgung darf es keine Obergrenze geben. Allerdings muss der Senat es endlich schaffen, die Neuankommenden menschenwürdig unterzubringen und ausreichend Wohnungen zu bauen. Auch die Teilhabe von Geflüchteten am gesellschaftlichen Leben muss gewährleistet werden. Damit das gelingen kann, sollten die grünen Vorschläge für eine humane Flüchtlingspolitik und eine Neuorganisation der Verwaltung, umgesetzt werden. Hat die AfD in Berlin eine Chance? Die AfD ist mit ihrem Wahlprogramm die Kampfansage an alles, was Berlin attraktiv und lebenswert macht. Die rechte Partei will den Mindestlohn abschaffen, von dem gerade viele Menschen in Berlin profitieren. Sie will Frauen die Selbstbestimmung verbieten und kämpft gegen Abtreibungen. Außerdem würde die AfD mit ihrem pauschalen Kopftuchverbot die Religionsfreiheit einschränken. All diese Forderungen passen nicht zu einer weltoffenen Großstadt, als die Berlin weltweit beliebt ist und Menschen anzieht. Das sollten wir uns nicht durch die rechte Hetze der AfD kaputt machen lassen. Eine Partei, die Berlin und seine Bevölkerung zu hassen scheint, hat keine Chance verdient.

Wir bedanken uns für das Gespräch.


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