Mehdorn Unchained

Die Stunde der alten Männer
Die Alten sind immer noch die Besten! Das gilt für Herrenwitze und erlesene Weine ebenso, wie für den Wirtschaftsstandort Deutschland, vor allem dann, wenn es schwierig wird. Ist die Not am Größten, raucht Helmut Schmidt im Fernsehen eine nachdenkliche Zigarette und wenn das allein nicht hilft, flattert wenig später Heiner Geißler als Friedensengel herbei.

Marshal Mehdorn Unchained
Illustration: Sebastian Köpcke

Im weiten Land der Exportweltmeister verheißen zukunftsweisende Infrastrukturprojekte die Mobilität von übermorgen und Arbeitsplätzen im Überfluss. Das alles ist grundsätzlich alternativlos, aber man bekommt es – Ehrenwort – zum kleinsten Preis. Berühren derart feuchte Politikerträume den staubtrockenen Boden der Realität, vergehen sie wie Schnee in der Wüstensonne.

Augenblicklich verhallen die futuristischen Computerklänge der virtuellen Promotion-Wunderwelten und der Wind trägt den Klang einer einsamen Mundharmonika über verwaiste Brachen. Science-Fiction wandelt sich zum Western und inmitten unserer aufgeklärten Demokratie rufen Politiker, umtriebige Interessenvertreter und mediale Meinungsmacher in trautem Gleichklang nach dem Einen, dem Richtigen – nach dem Erlöser – nach dem Retter, der erscheint, um ihre kaputte Welt wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Der alte Schamane Horst Amman tanzt seit Monaten einsam durch die leeren Hallen des BER und versucht, die Rauchzeichen der Brandschutzanlage zu deuten. Bis zum heutigen Tag hat der Wunderheiler mehr als 40.000 Baumängel aufgedeckt. Den pensionierten Fluglärm-Enthusiasten Wilhelm Bender wollte man zu seiner Unterstützung aus dem Ruhestand holen. Für eine Handvoll Dollar sollte der 70-Jährige als Chefberater zwei mal pro Woche auf der Baustelle einreiten. Doch Frankfurt ist weit und der Wilde Osten ist gefährlich und für ein Taschengeld von ein paar Hunderttausend seinen Ruf ruinieren – wer will das schon? Das Pferd blieb im Stall. Bender blieb zu Hause.

Und weil das Gute oft so nahe liegt und der Wald vor Bäumen kaum sichtbar ist, schlugen sich alle wissend an den Kopf, als Matthias Platzeck schließlich sein Ass aus dem Ärmel zog und mit der anderen Hand zugleich drei Sechsen würfelte.

Nein, ihn brauchten sie nicht lange bitten und niemand musste ihm drohen. Der alte Haudegen hatte nach einem langen Monat ohnehin die Schnauze voll vom Rentnerdasein und wie John Wayne, Dumbledore und Blücher kennt auch er noch das Eine – die Pflicht.

Unverzüglich schnallte sich Hartmut Mehdorn seinen altgedienten Revolvergürtel um, nahm seinen Hut vom Haken und schwang sich in den Sattel, um ein letztes Mal als Sky- Marshall den amtlichen Versagern den Hintern zu retten. Er ist kein Mann der großen Worte und was er sagt, das sagt er laut. Mit ihm sollen wieder Ruhe und Ordnung in die Stadt einkehren, äh, na wenigstens will er den Fluglärm künftig gerecht zwischen Schönefeld und Tegel über ganz Berlin verteilen.

Seine Herren im Hintergrund konnten gar nicht so schnell dementieren, was ihr Mann fürs Grobe da zum Besten gab. Und zugleich lauschen sie mit großen Ohren auf der Schiene, welches mediale Echo ihr entfesselter Held erzeugt. Wenn Marshall-Mehdorn nach dem letzten Showdown seinen Job erledigt hat, wird er in den Sonnenuntergang reiten. Auf seinen alten Gaul ist immer Verlass. Auf die Berliner S-Bahn leider nicht. Aber das ist natürlich eine ganz andere Geschichte.


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