Noch eine Erzählung aus dem Wahlkreis 84

Teil 2 – der Hausierer
Und es begab sich, dass im Wahlbezirk 84 (oder Treptow-Köpenick, wie die Einheimischen es nennen) seit 25 Jahren ein Mann lebte. Und seine Partei sagte zu ihm: „Du musst gegen den kleinen Riesen kämpfen.“ Denn bevor der Riese kam, herrschten sie über das Land der Seen und Hügel. „So soll es wieder sein“, riefen sie.
Direktkandidat Matthias Schmidt (SPD) auf hohem Ross gegen den kleinen Riesen
Collage: Andreas Hartung

„Aber warum ausgerechnet ich?“, rief der Mann. „Warum nicht?! Irgendjemand muss gegen den Riesen verlier … ähm antreten. Wir drucken dir auch schön Plakate mit deinem Gesicht drauf.“ „Das wird ja immer schlimmer“, sagte der Mann und beschloss erstmal über die ganze Angelegenheit zu schlafen.

Als er wieder erwachte, thronte der Riese zwar immer noch auf seinem Platz, aber Matthias Schmidt – so der Name des Mannes – war trotzdem über Nacht in den Bundestag gewählt worden. „Ein Wunder!“, riefen die einen. „Ein guter Listenplatz“, nannten es die anderen. Der Mann schüttelte verwundert den Kopf, krempelte die Arme hoch und machte sich an die Arbeit. Er engagierte sich für neue Sportgeräte, Sanierungsmittel und den Bau eines Bahnhofs Köpenick.


Aber warum ausgerechnet ich?

Nach vier Jahren waren plötzlich vier Jahre vergangen und seine Genossen sagten wieder zu ihm: „Du musst gegen den Riesen kämpfen!“ Diesmal sträubte sich der Mann weit weniger, denn er hatte sich daran gewöhnt Sportgeräte zu beschaffen. Und wenn er mal den Bus verpasste, konnte er sich mit einem kostenlosen Fahrdienst durch die Stadt fahren lassen. Außerdem besagte eine alte Regel, wer zweimal vier Jahre im Bundestag gesessen hat, bekommt eine schöne Rente, während man nach nur einer Legislaturperiode leer aus geht. „Diese Rente könnten wir schon gut gebrauchen“, sagte seine Frau, „denn mit deinen normalen Altersbezügen ist nicht viel los“.

Der Mann nickte und machte sich an die Arbeit. Seine Parteigenossen freuten sich und druckten Plakate mit seinem Gesicht drauf. Sie fragten ihn: „Sollen wir dich diesmal weiter nach hinten auf die Landesliste setzen, um dich so richtig zu motivieren? So musst Du den Riesen wirklich besiegen, um wieder in den Bundestag einzuziehen.“ „Das finde ich jetzt aber nicht so su…“, sagte der Mann zu seinen Genossen, aber die hatten ihn bereits mit den Händen voller Flyer auf die Straße geschoben.

Aber der Mann gab nicht auf. Er sagte: „Der Riese mag eine große Medienpräsenz haben und alle Welt kennt ihn, aber ICH wohne hier vor Ort. Die Einheimischen kennen mich. Ich werde von Tür zu Tür gehen und ihnen meine Liste mit den Sportgeräten und Fördermitteln zeigen.“

Und er schrieb auf seine Webseite: Wir haben für 26% der Stimmen fast alle unsere Wahlziele erreicht. Wussten Sie’s? Und die Menschen sagten: „Äh nee, aber ich verstehe den Satz auch nicht. Der scheint irgendwie keinen Sinn zu machen.“ Aber da war Matthias Schmidt schon verschwunden und klopfte zuversichtlich an die erste Haustür.


Wussten Sie’s?

Als der schlaue Riese davon hörte, ließ er im ganzen Bezirk über Nacht neue Türen aufstellen. Manche behaupten, sogar eine auf dem Dach des Müggelturms. Aber das ist bestimmt erlogen. Wahr ist jedoch, als die Wahl schon lange vorbei war, konnte man noch manchmal in klaren Nächten ein Klopfen hören und der Wind trug ein: „Wussten Sie’s?“ über den Müggelsee.


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