Ich nix verstehn… ich Karlshorst

Das Dahlem des Ostens
Im Viertel nördlich der Wuhlheide war das früher mal eine erhabene Antwort auf eine Vielzahl von Fragen wie zum Beispiel auf die nach der Uhrzeit. Seit Marschall Schukow und seine Kampfgenossen im Siegesrausch im Frühjahr ‘45 dieses Viertel zu ihrem persönlichen Hauptquartier erkoren, prägte der Abdruck des russischen Soldatenstiefels lange Zeit dieses Quartier.
Dabei bewiesen die alten Stalinisten durchaus Geschmack, denn Karlshorst war einst betitelt als das Dahlem des Ostens. (Wer immer Dahlem kennt, der weiß, wie viel oder wenig so ein Vergleich wert ist.) Malerisch verfielen die Villen, die hier dicht an dicht um die Wende des letzten Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden geschossen waren und senkten sich im Laufe der Jahrzehnte ins Einheitsgrau der Erosion. Sonderlich schonend gingen auch die Towarischs nicht mit ihrem Kleinod um und deshalb befreite die Umsetzung des 2+4 Vertrages Deutsche Einheit Karlshorst von einer schweren Bürde. 1994 rollten die russischen Panzer ein letztes Mal über die Hermann-Duncker-Straße und nahmen auch gleich den Namen dieser Allee mit. Der beflissene deutsche Beamte – an sich nicht unrege – kramte in der historischen Schublade, wurde fündig und würdigte von Treskows Bemühungen um den Ort mit einer Allee. Der Karlshorster – ebenso an sich nicht unrege – stürzte sich ins Baugeschäft und verpasste dem Kiez einen zeitgemäßen Anstrich und opferte auf diese Art die neue Freiheit dem schnöden Mammon und musste nun den Zuzug vieler Bonner Bonsais auf sich nehmen. Wie es sich gutbürgerlich gehört, ist es nur latent spürbar, das der K.-Mensch froh ist über den geringen Migrantenanteil an der Bevölkerung. Tja, und nun hat er in Karlshorst ein Preisniveau geschaffen, das sich bloß noch reiche Russen leisten können. Wenn diese das auch wollen, dann ist das wohl nicht nur die Ironie des Ortschronisten. Der neue Wohlstand ließ die Streitfrage aufkommen, wem denn nun die Wuhlheide gehört. Ich hoffe nicht, dass Lichtenberg diesen Streit gewinnt, sonst ziehen die ihren Karlsgarten-Reihenhaus-Vorort noch bis vor meine Haustür? Gastronomisch ging‘s aufwärts in Karlshorst. Speisen aus aller Herren Länder kommen in zahlreichen Lokalen aus fester arabischer Hand auf den deutschen Eichentisch. Einige Lokale sind aber auf jeden Fall erwähnenswert. So finden wir im ehemaligen Russentheater an der Ehrenfelsstraße gut versteckt und durch keinerlei Werbung hervorgehoben das Trattoria Gattopardo, das selbst einem notorischen Schlechte-Laune-Menschen wie mir die Spur eines Lächelns in den rechten Mundwinkel treibt, die Havanna-Bar baut den Bordstein zu und das Cafe´ Elvis bietet Edles, wo einst die Troika im Namen des Volkes von Lenin und Co. gepanschtes Pilsner literweise in durstige Kehlen spülte. Und jetzt? Da erhält das Kaff auch noch nen generalüberholten Bahnhof mit Anschluss an den Rest der Welt und einen sanierten Dorfplatz. Auf was man nicht alles stolz sein kann!

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