Aus UMFÜHZTA wird WURST

Die Welt ist voller geheimnisvoller Zeichen.
Sie tauchen wie aus dem Nichts auf kleinen pinken Zetteln auf. Mal steht da GNIETAD und mal AUADRAI. Auch RAIZ und MAMKALT zieren gelegentlich die Möbel. Anfangs habe ich mir große Sorgen gemacht, was mir mein Kind damit wohl sagen möchte. Dass es von legasthenischen Außerirdischen ferngesteuert wird? Dass ich zu blöd bin, um seine hochintelligenten Verschlüsselungscodes zu verstehen? Fast alle Eltern von Fünf- und Sechsjährigen machen ähnliche Erfahrungen. Die Dinge bekommen ganz eigene Namen zugeteilt – und wer Tische, Türen und Klodeckel beschriftet, hat eine magische Macht über sie. Hex hex.
Seit wenigen Wochen geht das Kind zur Schule. Dort bringt man den Kindern mit Knete, Sand und Rasierschaum (kein Witz!) bei, wie sich Buchstaben anfühlen. Leider lernen sie dort auch, die Buchstaben in die richtige Reihenfolge zu bringen. Aus verwunschenen lateinischen Zeichenfolgen werden nach und nach „richtige“ Wörter. Auf der Fensterbank liegt nun nicht mehr UMFÜHZTA, sondern „WURST“. Das alles geht unfassbar schnell. Kaum haben sich die Eltern daran gewöhnt, morgens in aller Herrgottsfrühe mehrere Brotdosen vorzubereiten (weil das Schulessen angeblich „voll ekelig“ schmeckt), stehen schon halbe Sätze in den Übungsheften. „Lola im Haus“ zum Beispiel. In Mathe scheint Mengenlehre auf dem Plan zu stehen. Unsere Tochter ist sich jedenfalls ganz sicher, dass alle anderen Kinder „auf jeden Fall mehr Süßigkeiten“ bekommen als sie. Das scheint zu stimmen, denn die Lehrerin hat jetzt einen wöchentlichen „Obst- und Gemüsetag“ anberaumt – damit die Milchschnitte-Eltern den Unterschied zwischen Gummibärchen und Gurke lernen. Apropos lernen. Bei einem Medienkompetenz-Workshop wurden wir Ü35-jährigen digital dummies über das Treiben der Grundschüler im Internet aufgeklärt. World of Warcraft und Co. sollen ja bald auf dem Lehrplan stehen. Ach ne, das verwechsele ich jetzt mit der BMBF-Strategie „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“. Schulen sollen flächendeckend mit digitaler Technik und den notwendigen pädagogischen Konzepten für digitale Bildung versorgt werden, heißt es da. Darüber hätten wir auch gern gesprochen. Aber die Lehrerin hatte andere Sorgen. Sie kam mit dem Laptop nicht klar.

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