Mit Sommerreifen auf den UludaÄŸ

Fünf Freunde und das tückisch-türkische Schneephänomen
Am 1. Januar an der Aya Sofia angekommen, kündigt sich bedeutendes Übelkeitsgefühl an. Kommt davon, wenn man den Neujahrskater mit Schokomilch und Red Bull bekämpft. Letztendlich verlieren wir uns auf dem großen Bazar. Abends in der Unterkunft finden sich die fünf Freunde wieder. Vereint geht es am nächsten Morgen mit dem Mietwagen auf einen Roadtrip gen Kappadokien.

Erster Halt: Bursa am UludaÄŸ, hässlich wie nichts

Aber endlich am Berg. Eigentlich wollen wir nur mit dem ekelhaft süßen Getränk neben einem Schild posen – aus Gründen, die vielleicht mit Fotoaufnahmen zu tun haben. Aber die Skipiste lockt uns auf die Bergspitze. Doch die Straßenpolizei macht uns höflich darauf aufmerksam, dass sie uns eher ungern mit Sommerreifen im Tiefschnee hochfahren lässt. Moment, Sommerreifen? Also mit dem Bus hoch.
Am Berg UludaÄŸ
Foto: Anaïs Scheel
Tatsächlich meistern wir die folgende Reise von über tausend Kilometer mit Sommerreifen, problemlos – bis kurz vor Schluss … Nächster Halt: Das ernüchternde Konya. Anlässlich des Quotentürkens 30. Geburtstags geht es ins Restaurant. Als Vegetarierin finde ich genau nichts auf der Speisekarte, also bekomme ich Salat – gratis, ist aus türkischer Sicht nicht ernst zu nehmendes Kuhfutter. Dann begann die eigentliche Herausforderung: „noch schnell auf ’nen Drink“. Konya macht da nicht mit. Viel zu religiös für ein Schlückchen Bier. Nach stundenlanger Suche nach einer Bar mit alkoholischen Getränken kehren wir resigniert zu unserer Pension zurück. Gegenüber steppt der Bär. Und die Bar hat Bier! Wieso haben wir es nicht gleich hier versucht? Ja genau, weil der Hotelier uns davon abgeraten hat. Wir treten ein und finden uns in einem Bordell wieder. Was tut man als Mitteleuropäer nicht alles für eine Gerstenmalzbrause. Der unbehelligte siebzigjährige Keyboarder, der lächelnd in die Tasten haut, in vier Tasten um genau zu sein, macht die Atmosphäre aber erträglich witzig. Wegen verstörender Tanzeinlagen und zu vielen Avancen der Dragqueen, belassen wir es aber bei einem Bier.

Und dann endlich: Göreme

Was kann Kappadokien so? Unendliche Weiten, aus der Ferne Ameisenhügeln gleichende Felsen, Schluchten türkischer Grand Canyons, mit Sonne und Schnee geschmückte Berge. Eine zurückgelassene Welt aus einem Universum zwischen Star Wars und Das große Krabbeln.
Ich kann nicht oft genug sagen, wir sehr ich den Schnee liebe.
Klar, es sind Minusgrade und die besten Winterstiefel haben wir alle nicht. Aber sieht schön aus und so. Und über allem: Heißluftballons. Gefüllt mit je fünfundzwanzig Asiaten, die nur auf diesen Moment gewartet und die Zeit bisher mit im Hostelbett über den Kopf gezogener Decke verbracht haben, und den zugehörigen Kameras. Bei strahlendem Sonnenschein können sie an unserem letzten Tag aufsteigen. Unsere Reise scheint perfekt.
Ballons im Gebirge
Foto: Anaïs Scheel
Dann kommt der Tag der Abreise, das Grand Final. Was Kappadokien kann, ist Eis und Schnee. Viel Schnee. Was die Autovermietung kann, sind Sommerreifen und Schneeketten mit der Effektivität zerrissener Stoppersocken. Hat ja auch keiner ahnen können, dass es dieses Jahr wieder einen Winter gibt. Entspannt machen wir am Vormittag im Schneetreiben unseren Souvenireinkauf. Erst als wir zum Ford zurückschlendern, dämmert uns, dass wir etwas länger für die Fahrt zum Flughafen einplanen sollten. Wir beruhigen uns gegenseitig mit den zwanzig Minuten Pufferzeit. Eine Stunde und einiges Driften Richtung Leitplanke später stecken wir auf der Auffahrt eines Autobahnkreuzes fest. Beim Aussteigen kann ich meine besorgten Eltern und meine Unfallversicherung diskutieren hören. Wir sind uns einig: Schieben. Dann lachen wir uns selber aus. Verzweifelt versuchen wir es trotzdem. Ich rutsche aus und liege auf der Nase.  
Baum im Schnee
Foto: Anaïs Scheel
Ich kann nicht oft genug sagen, wir sehr ich den Schnee hasse.
Doch irgendwie schaffen wir es, den Wagen auf die Autobahn zu schieben, wo schon einige PKWs Pirouetten drehen. Etappensieg. Für die 45 Kilometer zum Flughafen brauchen wir nur etwas mehr als zwei Stunden. Endlich am Flughafen Kayseri. Alle Flüge gecancelt. Nach eifrigem, deprimiertem Überlegen entscheiden wir uns für die abendliche fünfstündige Busfahrt raus aus dem Schnee nach Adana. Alle zwanzig Minuten macht der Busfahrer ausgiebige Raucher- und Teepausen. Auch uns wird im Bus ständig Tee gereicht. Wir halten an den merkwürdigsten Busbahnhöfen an, die vor türkischer Flaggen kaum zu sehen sind. Der Kommunikationsbeauftragte unserer Gruppe kümmert sich derweil um unsere Unterkunft. Er lernt im Bus zwei Türken kennen, die Freunde in Antalya anrufen, die Freunde in Adana anrufen, die wiederum Freunde haben, die wiederum Freunde anrufen, die … kurzum, Hotel klargemacht, Freundschaftspreis, sie fahren uns hin. Wir fragen uns noch, wie wir zu siebt in ein Auto passen sollen, da steht vor uns ein riesiger Jeep. Der zum Großteil aus Kofferraum besteht. Einige Minuten später stapeln wir uns zu fünft auf der Rückbank, die Türken zu dritt vorne. Dann beginnt die Achterbahnfahrt … Morgens geht es nach königlichem Frühstück auf der Dachterrasse zum Flughafen Adana. Überall Sicherheitskontrollen, die ersten beim Betreten des Flughafens. Ich gehe durch. Es piept. Ich soll noch mal schneller durchgehen, damit es nicht piept. Mache ich. Ohne Piepen. Mit ein bisschen weniger Sicherheitsgefühl. Doch wir haben es geschafft und treten endlich unseren 45-minütigen Flug an. Zurück in den zypriotischen Januar, zu zweistelligen Plusgraden.

Editorial

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