Was ihr wollt

Im künstlerischen Kern Bauhaus und Theater: Im ehemaligen Sendezentrum der Aktuellen Kamera spielt heute das Theater Adlershof
Bis zum 9. November sendet der rbb anlässlich des 30. Mauerfall-Jubiläums die Aktuelle Kamera und die Tagesschau aus dem Jahre 1989. Und schon sind wir mitten in Treptow-Köpenick: Denn die aktuelle Kamera wurde bis zuletzt im Dezember 1990 aus dem Studio 5 in Adlershof gesendet. Heute ist hier das Theater Adlershof beheimatet.
Das Studio 5 ist eine Baustelle
Foto: Björn Hofmann
Am 31. Dezember feiert die Spielstätte um Kathrin Schülein ihr viertes Jahr (Durchhalten!). Nach vielen krassen Auf und Abs, großen Momenten auf, vor und hinter der Bühne sowie bürokratischen Hemmnissen aller nicht vorstellbarer Art durch das Leben und Arbeiten in einem Baudenkmal gibt es genügend Gründe, die Gläser klingen zu lassen. Und das alles noch im 100. Bauhaus-Jahr;) Ein Rückblick in die Architekturgeschichte: Das Franz-Ehrlich-Haus, benannt nach dessen Architekten, steht in Adlershof auf dem ehemaligen Gelände des DDR-Fernsehens. Die große Uhr im Stil der Moderne am Franz-Ehrlich-Haus, einem Turm, hängt jetzt auf dessen Rückseite. Eine Hängung, die Vergangenheit dokumentiert? Eine Versteck-Haltung? Gerade wird das denkmalgeschützte Gebäude des Bauhaus-Schülers von einem parallel errichteten Gebäuderiegel verstellt. Franz Ehrlichs Architekten-Kollektiv baute zwischen 1951 und 1959 das Fernsehzentrum Adlershof. So ist es im „Architekturführer DDR, Berlin – Hauptstadt der DDR von 1973 verbürgt.

Das Bauhaus lässt grüßen

Auch das Studio 5 (S 5), gegenüber des S-Bahnhofes Adlershof und Nachbar des Franz-Ehrlich-Turmes, stammt aus der Feder des Bauhaus-Schülers und vielseitigen Künstlers, der auch für die berühmten Hellerauer Werkstätten als Möbeldesigner arbeitete. Das S 5 ist daher heute ein Denkmal und seit vier Jahren Spielstätte des Theaters Adlershof. Das Gebäude ist in vielfacher Hinsicht ein Denkmal. „Nicht nur die Fassade in Klinker und Werkstein, auch die formale Ausbildung weist auf die Architektursprache der frühen Dreißiger“, das steht im historischen Architekturführer. Es ist zudem das letzte erhaltene Fernsehstudio aus der Zeit des DDR-Fernsehens. Hier wurden die Lichter und der Ton 1990 ein für alle Mal ausgeschaltet. Hier wurde Theater- und Fernsehgeschichte geschrieben und gespielt. So einzigartig und bedeutungsvoll die Geschichte des Hauses ist, um so schwerer ist es scheinbar, die Kunst miteinander zu verknüpfen, die Baukunst auf der einen und die Theaterkunst auf der anderen Seite.

Was für ein Theater!

Die Theaterchefin Katrin Schülein kann ein Lied davon singen, mal tragisch, mal komisch, mal Chanson, mal Kampflied, obwohl sie keine Sängerin, sondern ausgebildete Tänzerin ist. Seit vier Jahren leitet die Wahl-Adlershoferin  das Theater und hat nicht nur Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit für ihre Sache im Umgang mit den Behörden, sondern auch sehr viel Hingabe bewiesen. So etwas trainiert man bei einer ernsthaften Ballettausbildung. Sie hat es bei der berühmten Gret Palucca gelernt. Im Oktober 2015 sagte Schülein in einem Tagesspiegel-Interview:
„Ich bin ganz sicher, dass ein Theater in Adlershof eine Zukunft hätte. Denn es gibt im Treptow-Köpenicker Süden bisher kein Theater.“*
In seinem Ursprung war das S5 als Theater konzipiert. Nach seiner Eröffnung inszenierte man bis in die 60er Jahre hauptsächlich Opern und Schauspielkomödien, die von hier in die Haushalte gesendet wurden. Der Saal bot für 520 Leute Platz und verfügte über ein Parkett und einen Rang. Zeitzeugen behaupten, dass es sich um das erste und einzige Fernsehtheater in Deutschland handelte. 1956/57 fanden bauliche Veränderungen statt, der Theatersaal wurde entkernt, das Bühnenhaus das Theater in ein Fernsehstudio umfunktioniert. Von nun an wurde von hier bis zum Tage der Schließung des Deutschen Fernsehfunks die bedeutendste Nachrichtensendung in der Geschichte der DDR ausgestrahlt.

Köfer, Feldmann, Gysi, Höllmer und Troegner

2008 hat Kathrin Schülein das Haus zum ersten Mal gesehen. Sie suchte Proberäume für ihr Ballett sowie ihre Compagnie „art changé“.
„Als ich das Haus zum ersten Mal betrat und das Treppenhaus sah, schlug mein Herz schon höher.“
Sie wusste, dass dieser Ort ihr Wohlfühl- und Arbeits-Ort werden würde. Kathrin Schülein tanzte nach ihrer Ausbildung bei Gret Palucca an der Dresdner Palucca-Schule an verschiedenen Theatern und zum Schluß sechs Jahre am Metropol-Theater in der Friedrichstraße, später leitete sie das Kino „Casablanca“ in Adlershof. Einer der ersten Schauspieler, die hier im Studio 5 auf der Bühne standen, war Herbert Köfer. Was von ihm kaum bekannt ist: er war auch der erste Nachrichtensprecher im Deutschen Fernsehen (1952). Der Volksschauspieler und auch Klaus Feldmann, Nachrichtensprecher der Aktuellen Kamera, sind immer wieder Gäste im Theater Adlershof.
„Dass es das Theater noch gibt, verdanke ich vor allem Gregor Gysi. Er hat sich für den Erhalt stark gemacht.“
Auch er ist oft zu Gast. Auch Baustadtrat Rainer Hölmer ist inzwischen Stammgast. Er gehörte auch zu ihren Unterstützern, als es bspw. um Brandschutz-Themen im Haus ging. „Ihm bin ich sehr dankbar.“

Tränen der Rührung

Heute hat sich das Theater etabliert. Musik, Theater, Film. Alles im Foyer des Hauses, das etwa 90 Leuten Platz bietet. Franziska Troegner hat eine eigene Talk-Reihe mit „Menschen am Sonntag“ und kürzlich interviewte Kathrin Schülein die Schauspiel-Diva selbst ganze drei Stunden.
„Ich habe zwei Tage nichts gegessen, so aufgeregt war ich. Meine Herausforderung war, ihr, der Grand Dame, ganz und gar gerecht zu werden.“
So hat sie sich mit Trögners Werk eine Woche beschäftigt und viele Einspieler gezeigt. Es flossen einige Tränen der Rührung auf beiden Seiten. „Die drei Stunden haben nicht gereicht. Das Publikum wollte mehr, wir waren noch gar nicht fertig. Also machen wir einen weiteren Abend.“ Während im Erdgeschoss die Bühnenbretter wackeln, ist im ehemaligen Spiegelsaal, dem Ort, an dem Schülein probte mit Kindern und Ensemble, tote Hose: Hier hängen die Kostüme, stehen heute die Requisiten. Der alte Sendesaal ist noch Baustelle, wir, der Fotograf und ich durften mal für ein paar Minuten Bauluft schnuppern. Hier will der Architekt Stefan Klinkenberg einen Veranstaltungsraum aufbauen, den man mieten kann. Dass sich Kathrin Schülein nicht so leicht erschüttern lässt und das Theater nicht nur gewünscht, sondern auch gebraucht wird immer wieder deutlich. Demnächst soll das Theater umbenannt werden. Mehr Statement geht nicht. Und frei nach Shakespeare`s „Was Ihr wollt“, ist das Haus offen und offen für alle Wünsche.
*Wir bitten um Nachsicht der Köpenicker Theaterschaffenden. Heute ist Frau Schülein sicher bekannt, dass es in Treptow-Köpenick u.a. mit dem Schlossplatztheater, dem Figurentheater Grashüpfer dem Stadttheater Köpenick und Zilles Stubentheater eine lebendige Theaterlandschaft gibt. (Anm. der Redaktion)

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