Zurück in die Zukunft

Was aus den Resten des Spreeparks werden soll
Seit 16 Jahren dreht sich im Spreepark im Plänterwald kein Karussell mehr. Seit Ende 2001, als sich die hoch verschuldeten Betreiber in einer filmreifen Nacht- und Nebel-Aktion mitsamt einiger Fahrgeschäfte nach Peru absetzten, verwahrloste der ehemalige Rummelplatz. Er glich bald einer pittoresken Ruinen-Landschaft, in der Karussellreste unter wuchernder Natur verschwanden.
rostiges Riesenrad
Foto: mompl
Das Gelände wurde zur beliebten Filmkulisse und war bald auch Zielpunkt für Abenteuer-Touristen aus aller Welt. Ein Lost Place, ein verlassener Ort, der in internationalen Reiseführern gerühmt wurde und den es so vermutlich nur im Nach-Wende-Berlin geben konnte. Jetzt kommt Bewegung in die Sache: Der Spreepark wird wachgeküsst. Möglich gemacht hat das der Senat im Jahr 2014: Nachdem die Berliner Politiker damals endgültig eingesehen hatten, dass kein Investor bereit ist, die hohen Pachtschulden zu begleichen und zugleich weitere Millionen in neues Vergnügen zu investieren, wurde man tätig. Der Senat als Eigentümer des Geländes kaufte die Erbbaupacht zurück und konnte nun selbst handeln. Die landeseigene Grün Berlin GmbH wurde beauftragt, ein neues Konzept für das 23 Hektar große Areal im sensiblen Landschaftsschutzgebiet Plänterwald zu entwickeln. Derzeit, so Grün-Berlin-Geschäftsführer Christian Schmidt, befinde man sich noch in Phase Null: „Eines steht aber fest: Wir wollen keinen lauten Vergnügungspark, sondern suchen nach passenden Nutzungen für einen neuen Kultur- und Kunstpark, der sich einpasst in die Natur.“  Sechs Büros aus Architekten, Stadtplanern und Kunstwissenschaftlern arbeiten am Konzept – gemeinsam mit Anwohnern und weiteren Interessierten. Drei öffentliche Dialogveranstaltungen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern gab es bislang, weitere sollen folgen. Mehr als 1.400 Ideen wurden schon gesammelt. Der Landschaftsarchitekt Tilman Latz aus München und seine Kollegen sortieren die Ideen und fügen eigene hinzu. Verlorene Orte faszinierten ihn, sagt Latz. So wie ein ehemaliges Stahlwerk in Duisburg, das sein Team zu einem Landschaftspark entwickelte, mit Theater in alten Fabrikhallen, mit Kletterwänden und Picknickmöglichkeiten im Freien. Für den Spreepark bedeutet das: Man will den besonderen Charme des Ortes beibehalten und behutsam Neues integrieren. Ganz ohne Rummel, dafür mit viel Natur.
Der Spreepark wird wachgeküsst.
Bislang stehen zwei Dinge fest: Das ehemalige Ausflugslokal Eierhäuschen wird für sieben Millionen Euro saniert, es soll Ateliers für Künstler beherbergen. Natürlich wird es dort auch ein Restaurant mit Biergarten und einen Schiffsanleger geben. Und, was Spreeparkfans besonders freuen dürfte: Ein Gutachen hat ergeben, dass das 45 Meter hohe Riesenrad, einst Highligt im Park und zuletzt stummer Zeuge des Verfalls, noch gut in Schuss ist. Der 220 Tonnen schwere Stahlkoloss, in dessen Gondeln einst 240 Besucher Platz fanden, kann wiederhergestellt werden. Ebenso die alte Parkeisenbahn, die eine neue Streckenführung erhalten soll. Aus den Kanälen der einstigen Wildwasserbahn könnten gewundene Wanderwege werden, auf denen man den Wildwuchs der Natur beobachten kann. Mit futuristischen 3D-Helmen könnten Besucher neben den umgestürzten Pappmaché-Dinos Animationen von Dinosauriern anschauen. Im ehemaligen Englischen Dorf könnten Gebäude, die vor einigen Jahren abgebrannt waren, wieder aufgebaut werden. Die ehemalige Montagehalle könnte als Veranstaltungsort dienen, zirka 500 Menschen passen dort hinein. Für Kleinkunstdarbietungen ist im Freien viel Platz. Auch ein Kino und ein Klettergarten zählen zu den Ideen, die bis zum Frühjahr 2018 geprüft werden. Dann soll eine Art Masterplan vorliegen, sagt Grün-Berlin-Chef Schmidt. Mindestens 20 Millionen Euro werde es kosten, den Spreepark als Kultur- und Kunstpark zum Laufen zu bringen. Derzeit stehen zehn Millionen Euro bereit, eingerechnet sind da schon die sieben Millionen für das Eierhäuschen. Ob das Gelände eingezäunt bleibt und ob der Parkeintritt Geld kosten soll, ist noch unklar. Neben Zuspruch gibt es auch Kritik an den Plänen. Klaus Mannewitz von der Anwohnerinitiative Pro Plänterwald etwa bezeichnet die Planungen als zu überladen: „Jeder der Beteiligten hat sein Konzept. Übereinander gelegt ist alles zu viel für die dortige Natur“, sagt er. Zudem sei noch unklar, wie die Besucher zum Park kommen sollen. Dass der schmale Dammweg durch den Plänterwald verbreitert werden soll, sieht man ebenso kritisch wie den Plan, etwa hundert neue Parkplätze am Parkrand zu schaffen. „Das hat das Bezirksamt im vorauseilenden Gehorsam schon so bestätigt“, kritisiert Mannewitz. Die Planer selbst wollen, dass die Besucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, auch Leih-Fahrräder sind im Gespräch. Und die Linken im Bezirksparlament schlagen vor, Parkplätze auf dem ehemaligen Rundfunkgelände an der Nalepastraße gegenüber dem Spreepark zu schaffen; die Besucher sollten dann per Fähre über die Spree kommen. Ob eine neue Fährverbindung allerdings überhaupt rentabel sein kann, ist zu bezweifeln. Ungeachtet aller Probleme wird eine Aufgabe im Spreepark dieser Tage in Angriff genommen: In der Nähe der Dino-Reste ist der Boden verseucht. Hochgiftiges Arsen wurde dort gefunden. Eine Spezialfirma ist bis Ende Januar damit beschäftigt, in bis zu 2,50 Meter Tiefe das betroffene Erdreich auszutauschen und belastete Bäume und Büsche zu roden. Sicherungsarbeiten an Wegen und Gebäuderesten sind auch an anderen Stellen notwendig. Frühestens 2019, so heißt es, könnten Teile des Parks freigegeben werden.  
HISTORIE
1969 wird der Spreepark als Kulturpark Berlin eröffnet. Er ist der einzige Vergnügungspark der DDR und hat jährlich 1,5 Millionen Besucher. 1991 wird der Rummelplatz, auf dem auch Kulturveranstaltungen stattfinden, privatisiert. Pächter wird die Spreepark GmbH der Hamburger Schaustellerfamilie Witte. 2001 kündigt der Betreiber den Pachtvertrag. Er meldet Involvenz an und setzt sich hochverschuldet mit sechs Fahrgeschäften nach Peru ab. Später wird Norbert Witte in Berlin wegen versuchten Kokain-Schmuggels zu vier Jahren Haft verurteilt. Sein Sohn Marcel sitzt zunächst in Lima im Gefängnis, seit 2016 in Berlin. 2014 kauft das Land Berlin die Erbbaupacht für zwei Millionen Euro zurück. Die Gläubiger verzichten auf hohe Forderungen. Die landeseigene Grün Berlin GmbH ist seit 2016 zuständig für ein neues Konzept für das 23 Hektar große Gelände im Plänterwald. Mehr zur Historie hier, hier, hier und hier.
  Foto: mompl

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