Ich werde nicht lange um den heißen Brei herumreden. Wie die Fotos unschwer erkennen lassen, ist mein Thema Hundekacke. Dem interessierten Leser möchte ich schildern, was mich dazu bewog, meine Aufmerksamkeit dieser Materie zu widmen. Wer bis zum Ende des Artikels durchhält, dem kann ich womöglich zu völlig neuen Einsichten in vermeintlich Bekanntes verhelfen. Jeder Bewohner der Bundeshauptstadt weiß, worum es hier geht, und auch Sie haben zu dieser Thematik wohl Ihre kleinen und großen Erfahrungen. Sicher gehe ich richtig in der Annahme, dass Straßen voller Hundehaufen Ihnen ein dauerhaftes Ärgernis sind und allein der Gedanke daran höchstens Regungen des Ekels in Ihnen hervorzurufen vermag. Und doch ist es genau dieses Bild, das sich uns Berlinern tagtäglich bezirksübergreifend bietet. Diverse Witze sind sogar schon über uns im Umlauf: „Woran erkennt man einen Berliner? – An dem gesenkten Blick beim Hundehaufenslalom.“ Oder: „Ich geh noch mal mit Waldi raus, …
… der muss noch seinen Berliner machen.“ Vielleicht hegen Sie deshalb schon Hassgefühle für den besten Freund des Menschen, was völlig falsch und ungesund wäre, tun die treuen Kläffer doch nur, was sie tun müssen. Wenn, dann sollte man Frauchen und Herrchen zum Gegenstand des kollektiven Unmuts machen. Doch selbigen und ihren vierbeinigen Freunden, die mit nicht enden wollendem Eifer Gehwege verzieren und unsere Vorgärten so selbstlos düngen, sind wir zu Dank verpflichtet. Danken wofür?, fragen Sie sich jetzt sicher. Dafür, dass es in meinem Auto auf dem Weg zur Arbeit mal wieder so unverkennbar würzig riecht und ich schon wieder eine neue Fußmatte kaufen kann? Dafür, dass ein netter Mitmieter das Hundeglück vom Hauseingang bis in den zweiten Stock verteilt hat? Danken für den Anblick einer Sache, für die es doch schon seit langem ein ausgeklügeltes Kanalisationssystem gibt, Kot, gleich welchen Ursprungs, also nicht mehr zwingend das Straßenbild ganzer Stadtteile prägen müsste? Sicher hat auch diese Medaille ihre zwei Seiten, was ich hier nicht wegdiskutieren möchte. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, sagt man. Doch ich sage, wenn Sie erst Ihren Blick für die Ästhetik im Alltäglichen geschärft haben, werden Ihnen diese Unannehmlichkeiten als klein und unbedeutend erscheinen. Entscheidend ist, was Sie durch einen Blickwechsel in dieser Angelegenheit für sich gewinnen können. Seitdem ich bei Hundekacke genauer hinsehe und besonders gelungene Exemplare sogar photografisch dokumentiere, konnte ich eine unerwartete Quelle der Überraschung und des Glücks für mich erschließen (die Fliegen haben es ja schon lange begriffen). Wahre Künstler scheinen da am Werk zu sein und ich bevorzuge es mittlerweile, in dieser Sache von Streetart zu sprechen. Und was gibt es da nicht alles zu entdecken? Von filigranen Feinarbeiten über geheime Symbol- sprachen bis hin zum mahnend aufgetürmten Monolithen ist alles möglich. Ja gerade auch beim „gemeinen Gehwegschiss“ entsteht ein sehr schöner Kontrast zwischen Organik und Mineralik. Wenn Sie sich erst einmal überwunden haben, sich diesen Kostbarkeiten am Wegesrand unvoreingenommen hinzugeben, wird es nicht lange dauern und Ihr geübter Blick erkennt in seinem Kiez den unverwechselbaren Duktus einzelner Vierbeiner. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich da rede. Da wir schon einmal bei der Kunst sind: Warum nicht Hundekot als künstlerisches Material verwenden? Das Zeug liegt tonnen- weise in der Stadt herum und jeden Tag kommt wieder frische Ware hinzu, alles kostenfrei und vor die eigene Haustür geliefert. Hat sich eigentlich schon mal jemand darüber Gedanken gemacht, dass Berliner Straßenstaub fast ausschließlich aus pulverisierter Hundekacke besteht? Vielleicht ziehen gerade deshalb so viele kreative Leute hierher, ihre Ideen stoßen in Berlin auf wahrlich fruchtbaren Boden. Doch zurück zur Kunst. In frischem Zustand müssten die Materialeigenschaften von Hundekot denen des Tones sehr ähneln und eine breite Palette an erdigen Farben stünde zur Auswahl. Zugegeben, da wäre noch das Geruchsproblem zu bedenken. Wer kennt ihn und schätzt ihn nicht, diesen süßlich warmen Dunst, der sich nach kräftigen Gewitterregen während der Sommerzeit in unseren Straßen entfaltet? Besonders Mieter im Erdgeschoss können hiervon wohl ein Liedchen singen. Doch vielleicht ließe sich durch eine Modifizierung des Hundefutters für dieses Problem eine Lösung finden. Auf diesem Wege wäre es auch möglich, zum Osterfest der Stadt einen ganz besonderen Putz zu verleihen. Vor meinem geistigen Auge breiten sich bunt gepflasterte Straßenzüge in Friedrichshain-Kreuzberg aus und natürlich hätte Köpenick da auch einiges zu bieten. -Hach, so könnt ich seitenweise weitermachen und z. B. von Großmutters feuchtwarmen Hundekot- umschlägen berichten, die sich bei rheumatischen Beschwerden sehr bewährt haben Auch die wirtschaftlichen Faktoren wären noch genauer zu beleuchten. So auch das Heizen mit Dörrkot, den man in der Sommerzeit einfach nur vom Asphalt aufzulesen braucht. Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, im Hundekot schlummern ungeahnte Möglichkeiten und vieles gibt es zu entdecken, allein auf die richtige Perspektive kommt es an. Jenen unter Ihnen, die ich hier von meinen Ansichten noch nicht so ganz überzeugen konnte, sei gesagt: Neben ihren zweifellos streitbaren Seiten hat meine Methode doch einen sehr praktischen und spürbaren Nutzen: Ich bin schon seit geraumer Zeit nicht mehr in „Hassos Bestes“ geglitten und diese Tatsache ist für Berliner Verhältnisse geradezu sensationell!
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