Innovation mit Beigeschmack

Tesla kommt rein, Liebe geht raus und die Politik stolpert hinterher
Erstveröffentlichung am 26.09.2025
Tesla plant ein Forschungszentrum in Köpenick – die Politik jubelt, während Elon Musk mit rechten Gesten und grotesken Auftritten polarisiert. Zwischen Brötchenduft und Zukunftsrausch steht die Frage: Wer gewinnt hier wirklich?
Elon Musk mit goldenen Schwingen im Zuckerwattehimmel mit historischer Grußgeste
Collage: Qwen

Es riecht nach altem Brötchen im Aufgang, der Nachbar keucht die Treppe hoch, irgendwo dudelt ein Radio, draußen gehen Hunde mit ihren Herrchen Gassi. Alltag in Köpenick. Ein bisschen muffig, ein bisschen gemütlich, ein bisschen so, als würde hier die Zeit langsamer ticken. Und plötzlich: Tesla! Forschungszentrum! Zukunft! Innovation! — und die ganze Spießigkeit bekommt plötzlich goldene Engelsflügel aus Alufolie. Auf einmal ist man nicht mehr nur der ruhige Bezirk am Rande Berlins, sondern globaler Schauplatz eines Tech-Theaters.

Politik im Freudentaumel

In der Halle, wo gerade noch die Draka Comteq Berlin GmbH & Co. KG in Tradition des alten Kabelwerk Köpenicks Kabel verdrehte, sollen jetzt die Synapsen von Ingenieuren und Robotern surren. Bezirksbürgermeister Oliver Igel findet das: „Natürlich sehr gut!“ — klar, was soll er sonst sagen? Mit Worten wie „Verkehrsanbindung“, „Zusammenarbeit“ und „Vernetzung“ wirft er glänzende Münzen ins Publikum. Und die Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey gießt Sekt nach und schwärmt von einem „echten Gewinn“.

Der Bezirk jubelt wie beim 1. FC Union nach einem Tor in der 93. Minute. Nur: Wer genau jubelt da eigentlich? Und wer bleibt mit verschränkten Armen am Spielfeldrand stehen?

Die Figur Musk

Auf die Bühne stolpert: Elon Musk. Ein Mann, der zugleich unbeholfener Held, selbsternannter Spitzengamer und cringiger Hofnarr ist. Der mit "my hearth goes out to you"-Gruß und Zustimmung für AfD-Parolen spielt wie andere mit Murmeln. Der, der sich Mitte des Monats in London als Stargast rechter Wutbürger feiern lässt und ihnen zurief: "You either fight back or you die!". Der südafrikanische illegale Einwanderer, der auf X (ehemals Twitter, jetzt digitaler Straßenstrich) zustimmend „right“ flötet, wenn Alice Weidel Hitler zum Kommunisten erklärt und dies kürzlich nochmals bestätigte. Das Nepo-Baby, dass sich seit der Ermordung des rechten Demagogen Charlie Kirk nun auch wieder neben Trump zeigt, gegen mutmaßliche 'radikale Linke' poltert und offenbar spontan die Religiosität für sich entdeckt hat.

Musk ist nicht einfach nur Unternehmer; er ist Projektionsfläche für alle, die an Zukunft glauben wollen – und zugleich für jene, die sich an autoritären Fantasien berauschen und nicht mehr mitkommen in den endlosen Widersprüchen. Und die Politik hierzulande? Sie nickt, als sei nichts gewesen. Vielleicht, weil die Investition lockt. Vielleicht, weil der Glanz blendet.

Realität aus Grünheide

Dabei brennt in Grünheide längst der Boden: Wasserknappheit, Umweltproteste, Gewerkschaftsärger, alles da. Bewohner klagen, Aktivisten protestieren, Experten warnen. Der Konzern aber setzt sich, wie so oft, durch – unterstützt von einer Politik, die zwischen Standortlogik und globalem Prestige schwankt, während LKWs beladen mit Teslas zwischen Grünheide über die Dörfer schrubben zur 'Zwischenlagerung' auf dem Flugplatz in Neuhardenberg. Und jetzt, da Köpenick ins Spiel kommt, scheint all das plötzlich wie eine ferne Fußnote.

Doch was, wenn sich die alten Probleme hier wiederholen? Wenn sich dadurch die Gentrifizierungsprozesse und der Verkehrsinfarkt in Downtown Köpenick zusätzlich verstärken? Wer trägt dann die Kosten? Der Bezirk? Die Anwohner? Oder am Ende doch nur die Spree, die unser aller Müll schweigend weiterträgt?

Das groteske Pas de deux

SPD-Bürgermeister und Tesla-CEO im grotesken Pas de deux. Auf der Bühne der Bezirk, schwitzend im Anzug, immer bemüht um Demokratie und Ordnung. Im Hintergrund Musk, als wirrer Zirkusclown mit Hitlergruß und MAGA-Mütze (Made in China). Es ist eine Szene, die zugleich tragisch und komisch ist: Politik, die auf Zukunft setzt, und ein Unternehmer, der zwischen Selbstinszenierung und Machtspiel pendelt. Und wir Zuschauer klatschen, lachen, schreien, während uns die Spree leise ins Ohr flüstert: „Keule, ihr habt doch alle den Verstand verloren!

Zuckerwatte oder Brötchenkrumen?

Am Ende bleibt die Frage: Wollen wir diesen „Gewinn“ wirklich? Oder tauschen wir hier unsere Brötchenkrumen gegen vergiftete Zuckerwatte? Es geht nicht nur um ein Forschungszentrum, es geht um Glaubwürdigkeit, um Haltung, um das Verhältnis von Politik und Macht. Denn wenn der Jubel verklungen ist, keucht der Nachbar im Treppenhaus immer noch, das Radio dudelt immer noch — nur draußen rauscht vielleicht ein bisschen mehr verbranntes Gummi durch die Luft. Und der Duft von altem Brötchen wird uns wieder daran erinnern, dass Fortschritt nicht automatisch Zukunft bedeutet.


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