Kleinkrieg um Kulturförderung

In Rüdersdorf gibt's Theater
Anonyme Hass-Kommentare im Internet, Wut-Attacken auf ein Auto, Angst um Jobs, Ansehen und die Zukunft. Im schönen Rüdersdorf liegen hinter den hohen Hecken die Nerven blank. Tief gespalten sind die gut 1 5000 Einwohner der Gemeinde wegen der Kulturförderung, deren Macher und die Politik, die über sie entscheidet. Es gibt reichlich Theater, der an einen Kleinkrieg erinnert. Ob das Drama um Museumspark und Kulturhaus im Happy End endet oder in einer Tragödie, ist offen.

Rüdersdorfer Kultur ohne Rüdersdorfer

Begonnen hat es mit dem bevorstehenden Ende der Rüdersdorfer Kultur GmbH, in deren Kassen zum Jahresbeginn ein Fehlbetrag von knapp 165 000 Euro bilanziert wurde. Geklaut hat die keiner. Die wirtschaftlichen Probleme wurden jedoch nicht auf offener Bühne angesprochen, sondern eher versteckt hinter dicken Vorhängen. Rund 47 000 Euro Schulden beim Finanzamt (Lohnsteuer), dazu 52 000 Euro weitere Verbindlichkeiten. Eine zweckgebundene Spende, die für andere Dinge ausgegeben wurde und 24 500 Euro Stammeinlage, die nicht mehr da ist. Im Juni kam mit Roderik Daul ein neuer Geschäftsführer. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Leiterin der Gastronomie und die Event-Managerin ihre Jobs verloren. Später mussten zudem der technische Leiter, die frühere Prokuristin und die Kulturhaus-Koordinatorin gehen. Alle sind in Rüdersdorf bestens vernetzt und im Internet sammelte sich Wut, gepaart mit Vorwürfen. Zuschüsse von 400 000 Euro jährlich fließen von der Gemeinde in die Kultur GmbH, was Kommentatoren im Netz als „Verrat am Steuerzahler“ bezeichnen, weil der „Geschäftsführer kein Konzept” habe. Weiter heißt es: „Korruption, Vetternwirtschaft und eine große Aufsichtsratslosigkeit können nicht einfach hingenommen werden.“ Dann wird’s patriotisch: „Rüdersdorfer Kultur ohne Rüdersdorfer - alle Kollegen wurden durch Kündigung kurzerhand entfernt.“ Schließlich persönlich: „3,2 Millionen Euro Städtebauliche Förderung stehen seit Januar 2016 bereit. Es gibt keinen Termin für den Baubeginn, aber einen hochbezahlten Projektmanager, der anderthalb Jahre seinen Arbeitsplatz im Kulturbüro seines Freundes eingerichtet hatte, um dessen Interessen umzusetzen.“

Die Alteingesessenen müssen gehen, die Neuen dürfen bleiben.

Gemeint ist Jan Dietrich Jach, der die lange überfällige Sanierung des bröckelnden Freilicht-Kalkstein-Industriemuseums koordiniert. Jenes Parks, der schon als Filmkulisse für Streifen mit George Clooney diente. Beim Projekt geht es um die städtebauliche Anbindung an den Ort und an einen Umbau des historischen Eingangsbereiches. Das bisher leer stehende Kurfürstliche Bergschreiberamt von 1693 soll touristisches Service- und Eingangs-Center mit Gastronomie werden. Jach war zusammen mit Regisseur und Schauspieler Stephan Wapenhans vor sechs Jahren aus Storkow nach Rüdersdorf gekommen. Im Gepäck hatten sie Ball, Jugendmusical und Operetten, die sie überaus erfolgreich etablierten. Dieses Jahr feierte auf der Freilichtbühne „Die Csárdasfürstin“ mit Entertainerin Regina Thoss Premiere. Laut Rüdersdorfs Bürgermeister André Schaller (CDU) seien bei der Kultur GmbH die „Operettenprojekte die einzigen, die Plus machen“. Die Alteingesessenen müssen gehen, die Neuen dürfen bleiben. Da frisst sich Neid und Missgunst in die Köpfe und mündet in sinnloser Gewalt. Rowdys zerschlugen nachts den Wagen von Stephan Wapenhans. Der Saab war eine 20 Jahre alte Rostlaube mit etwa 500 000 Kilometern auf dem Buckel.
Die Operettenprojekte sind die einzigen, die Plus machen.
Die Kultur GmbH nahezu handlungsunfähig, das bringt natürlich Probleme. Kreativkopf Stephen Ruebsam, zuständig für die Veranstaltungswerbung: „Bisher fehlt fürs kommende Jahr die Planungssicherheit.“ Welche Events wann und wo stattfinden, darüber gebe es bisher keine Entscheidungen. Ruebsam: „Die Termine sind aber lebenswichtig, um die Kulturmaschine am Laufen zu halten.“ Etwa fürs Weihnachtsgeschäft, wenn Karten für Rüdersdorfer Veranstaltungen unter dem Tannenbaum liegen sollen. Oder für Unternehmen, die die Anreise auswärtiger Besucher organisieren. Bisher schippert zum Beispiel in der Saison jede Woche ein Berliner Dampfer mit Kultur-Fans nach Rüdersdorf hin. Allerspätestens im März müssten Bus-Unternehmer die Termine wissen, damit sie Fahrteinsatzpläne machen können.

Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende

Inzwischen scheinen sie in Rüdersdorf wieder zur Vernunft zu kommen. Die Gemeindevertreter stimmten vor 14 Tagen gegen den Erhalt der Kultur GmbH, die jetzt in die Liquidation geführt wird. Ruebsam: „Das ist durchaus üblich. Kulturgesellschaften sind in der Branche oft die Bad Banks.“ Geschäftsführer Daul: „Zu schwer wiegen die Versäumnisse, strukturellen Probleme und Altlasten der vergangenen Jahre. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“ Der Schlussstrich ermöglicht gleichzeitig den Neuanfang. Im April 2018 wird eine neue GmbH gegründet, die Richtung Tourismus und Regionalmarketing gehen soll. Ruebsam: „Damit sind alte Zöpfe abgeschnitten und ein Neustart ist möglich.“

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