Bis zu 1.800 Wohnungen sollen am ehemaligen Köpenicker Güterbahnhof entstehen. Das neue Stadtquartier soll in 20 Jahren fertig sein. Jetzt sind die Anwohner-Meinungen gefragt
Es wird eines der größten Bauprojekte in Treptow-Köpenick: Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs am S-Bahnhof Köpenick sollen einmal bis zu 1.800 Wohnungen entstehen. Es ist eines von insgesamt 16 so genannten Entwicklungsgebieten in Berlin, auf denen in den kommenden 20 Jahren neue Stadtquartiere geplant und gebaut werden sollen.
Hier in Köpenick soll Platz für etwa 5.000 Menschen geschaffen werden, die aber dort nicht nur unterkommen sollen, wie es der neue Bausenator Sebastian Scheel (Linke) am Freitag sagte:
„Hier soll man nicht nur wohnen, sondern gern leben.“
Offiziell beschlossen wurde die Entwicklung des knapp 58 Hektar großen Geländes, das hauptsächlich eine Bahnbrache ist, im Mai dieses Jahres; jetzt können alle Interessierten, vor allem die Nachbarn, ihre Vorschläge und Ideen einbringen, aber auch Einwände und Kritik äußern. Bürgermeister Oliver Igel (SPD) drückte es am Freitag so aus: „Wir wollen erfahren, wie es denjenigen mit den Planungen geht, die schon hier sind, die hier wohnen.“ Änderungen der Senats-Pläne sind durchaus möglich.
Netto bleibt
Erste Änderungen gibt es bereits. So wurden an zwei Stellen die Grenzen des Entwicklungsgebietes verändert: Der Netto-Supermarkt an der Seelenbinderstraße, der laut ersten Planungen einer Schule weichen sollte, bleibt jetzt dort. Das heißt, er wird zunächst abgerissen und dann wieder aufgebaut – im Ensemble mit insgesamt rund 240 neuen Wohnungen.
Möglich wurde dies, weil der Eigentümer des Marktes, der unbedingt am Ort bleiben wollte, Grundstück und Immobilie an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft verkauft hatte. Diese realisiert das Projekt jetzt. Die Grundschule sowie eine integrierte Sekundarschule entstehen jetzt weiter nördlich, auf einer Brache.
Eine weitere Grundschule soll nördlich der Bahntrasse, auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerkes am Stellingdamm, entstehen. Für das Areal des Industriedenkmals, auf dem 1891 eine Gasfabrik den Betrieb aufnahm und auf dem heute der Köpenicker Hof mit Pension, Biergarten und Wohnwagenstellplatz untergebracht ist, wird bereits ein Bebauungsplan aufgestellt. Der wurde von den Planern mit in das Entwicklungsgebiet übernommen und hat damit Planungsvorlauf. Das bedeutet, dass das Gaswerk-Areal das erste sein wird, auf dem etwas Neues entsteht.
Die Planer rechnen mit einem Baubeginn 2023/24. Der Mietvertrag für die aktuelle Nutzung des Köpenicker Hofes läuft noch bis Ende 2021, dann sehe man weiter, heißt es. Der Wohnwagenplatz, das steht schon fest, kommt weg. Dort soll die Grundschule gebaut werden. Weil das Gelände mit 1,1 Hektar etwas klein ist, sollen die Sportfreiflächen aufs Dach der Turnhalle verlegt werden. Neu entstehen sollen dort auch ein Nachbarschaftstreff und eine Bibliothek – und vielleicht auch Häuser für betreutes Wohnen. Der Biergarten, so wird betont, soll bleiben.
Neue Straßenführung
Gewerbeflächen als Bestandteil des Quartiers werden rund um den Brandenburgplatz gruppiert. Auch dort gab es bereits eine Änderung: Das Gewerbegebiet in der verlängerten Seelenbinderstraße, wo unter anderem ein großer Fliesenmarkt untergebracht ist, wurde aus dem Entwicklungsgebiet herausgenommen. Es funktioniere jetzt schon und müssen nicht extra noch entwickelt werden, heißt es zur Begründung. In diesem Bereich könnte höchstens noch eine neue Erschließungsstraße gebaut werden.
Apropos Straße: Das Verkehrskonzept ist das Wichtigste in dem neuen Stadtquartier. Man fange erst dann an, Wohnungen zu bauen, wenn die Straßen fertig sind, wird versprochen. Es soll eine völlig neue Straßenführung geben, die umliegende Gebiete entlaste.
Die sogenannte Ostumfahrung der Bahnhofstraße, die vom Brandenburgplatz in Richtung Norden verläuft und die Bahngleise überquert (ob ober- oder unterirdisch, steht noch nicht fest) und dann den Stellingdamm entlangführt, wird zweispurig gebaut. Und die sogenannte Westumfahrung der Bahnhofstraße, die schon seit den 1990er-Jahren im Gespräch ist, aber nie gebaut wurde, wird gerade das dritte Planfeststellungsverfahren erarbeitet.
Das kann also dauern, gerade in Berlin, wo es zum politischen Konzept gehört, möglichst wenig für Autofahrer zu tun. Dafür soll eine neue Buslinie durchs Wohngebiet fahren.
Mit dem Ausbau des Regionalbahnhofs Köpenick, der seit Jahren Thema zwischen Senat und Bahn AG ist, soll es übrigens auch neue Zugänge zum S-Bahnhof und ins neue Wohnquartier geben, das von den Planern als autoarm bezeichnet wird. Das heißt, es gibt dort weder Tiefgaragen noch offizielle Pkw-Stellplätze. Wer ein Auto hat, kann dieses in Quartiersgaragen abstellen.
Zwei Garagen mit jeweils etwa 500 Plätzen sind derzeit geplant, eine am Bahnhof Köpenick, eine am Brandenburgplatz. Ob die Stellplätze reichen, ob auch Pendler aus anderen Gegenden für ihre Pkw Platz in den Garagen finden und wie viele Elektroanschlüsse installiert werden, steht noch nicht fest.
Möglich ist auch, das wurde am Freitag deutlich, dass bei Bedarf am S-Bahnhof Hirschgarten eine weitere Garage entsteht. Auch Fahrradparkhäuser sind Teil der Planungen – diese so genannten Mobilitätsstationen sollen gemischte Angebote für Räder, aber auch Carsharing anbieten.
Wer weiß heute schon genau, wie viele private Pkw es in 20 Jahren noch gibt und wie viele alternative Mobilitätsangebote dann benötigt werden. Die Planer wollen jedenfalls flexibel sein und auf Entwicklungen reagieren.
Alle grünen Brachen sollen übrigens nicht zugebaut werden. Entstehen soll auch ein Stadtteilpark im Osten des Geländes, der ähnlich dem Schöneberger Südgelände an die Vergangenheit als Bahnquartier erinnert. Geplant ist auch, dass Hausfassaden und –dächer begrünt werden und dass hauptsächlich ökologische Baumaterialien verwendet werden, so etwa Holz.
Ein Wunsch von Nachbarn soll auch erfüllt werden: Es soll Flächen geben, auf denen gemeinsam gegärtnert werden kann. Auch an geschützte Tiere wird gedacht: Nördlich vom Bahngelände sollen Zauneidechsen ein neues Zuhause finden.
Die Planungen und Änderungs-Ideen sollen in einiger Zeit auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen veröffentlicht werden.
Covergestaltung: Fourbaux
In solch redaktionell-aussichtlosen Fällen helfen nur radikale Ansätze. Erfahrungen damit hat das Maulbeerblatt in den letzten 250 Jahren zur...
5. Juli 2021VonMatthias VorbauKommentare deaktiviert für MaulbärKLIPP