Dregger fässt an

Der CDU-Mann will gerne alles mal anfassen. Wenige Tage nach Thüringen und AKKs Rückzug ist Berlins Fraktionschef Burkard Dregger zu Besuch in Treptow. Kann er wenigstens von der AfD die Finger lassen?
Erstveröffentlichung am 14.02.2020
Er will in den Maschinenraum, denn dort müssen Politiker hinwollen. Kohle schippen, den Motor antreiben, die Anstrengung wegschwitzen – tolle Bilder. Doch es ist Februar, der Ausflugsdampfer liegt müde im Treptower Hafen und selbst wenn er liefe, der Motor, dann heutzutage eigentlich von alleine.
Der Lotse geht an Bord
Foto: Nico Schmolke
Also will Burkard Dregger wenigstens mal anfassen und umgreift grinsend das große graue Ding. „Das ist mal ein Motor, nicht so ein langweiliger Elektro-Akku. Wie viel PS hat das Teil?“ Er rechne halt gerne noch in Pferdestärken. Seinen eigenen VW-Bus hat er abgegeben, erzählt er, „zu wartungsintensiv.“ Dann muss eben ein Schiff her, um das Verlangen nach dreckigen Motoren zu stillen, denn auch beruflich fährt Dregger längst ein E-Auto. „Hat meine Tochter verlangt.“ Wie sinnbildlich für die heutige CDU: Macht bei so neumodischem Kram wie Elektro-Autos mit, aber ein bisschen gute alte Dieselzeit soll auch noch sein. Eine orientierungslose Volkspartei, zerrissen zwischen AfD-Paktierern und Schein-Sozialdemokraten. Die Partei wieder einen, das war das Ziel der Bald-nicht-mehr-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie wollte Brücken bauen, wie es immer so schön heißt. Aber wer wenn nicht die Treptow-Köpenicker wissen, dass gerade nicht die beste Zeit für Brücken ist.

Wohin mit der CDU?

Neben der Elsenbrücke, die porös ist und bald abgerissen und neugebaut werden muss, geht er also los, der Kiez-Besuch des Berliner CDU-Fraktionsvorsitzenden. Sturm Sabine klingt so langsam ab, hat in Berlin nur ein Baugerüst umgeweht, aber eben auch die Parteivorsitzende der CDU hinweggefegt, und da stellt sich die Frage, wohin mit der so labilen CDU, die soeben noch zusammen mit dem Faschisten Höcke von der AfD einen Ministerpräsidenten in Thüringen wählte, wozu Burkard Dregger umgehend gratulierte („Das ist eine demokratische Entscheidung, die nicht zu kritisieren ist.“), was er später ein bisschen widerrief („in Zukunft nicht wiederholen“)? Man hat das Gefühl, das könnte das erste und nicht das letzte Mal gewesen sein, dass AfD und CDU gemeinsame Sache machen. Sechs Stunden hat der Reporter nun Zeit, mit Dregger, und mit dem Treptow-Köpenicker CDU-Chef Maik Penn, um herauszufinden: Wo geht’s hin mit der CDU?

Jedem seine Botschaft

Dregger besucht regelmäßig Berliner Ortsteile, so eine Art Dauerwerbesendung gegen die rot-rot-grüne Regierungsshow - hallo, uns als Berliner CDU gibt es auch noch. „Raus aus der Parallelwelt des Parlaments“, nennt Dregger das, „zu den Menschen, die was leisten“. Die Leistungsträger in Treptow, das müssen dann also die Kreis- und Sternschifffahrt, die Archenhold-Sternwarte und ein Pflegeheim sein, denn die stehen auf dem Besuchsplan. Nachdem also der Motor ausgiebig angefasst wurde, geht es aus dem Schiff wieder raus, auf sicheren Boden, zum Lieblingsthema der Berliner CDU, der inneren Sicherheit. Nachts würden jetzt immer zwei Securities die Schiffe von Kreis und Stern am Treptower Hafen bewachen, erzählt der Geschäftsführer, weil vor einiger Zeit ein einzelner Mitarbeiter übel zusammengeschlagen wurde. Auch im Treptower Park sei es mittlerweile weniger sicher. So etwas merkt sich Dregger und wird es am Ende des Tages, dazu später mehr, politisch zu nutzen wissen.
Überhaupt geht es hier nicht nur ums Informieren, sondern viel ums Senden. Drei Social-Media-Leute springen mit Kamera, Stativ und Drohne herum, machen Videos für Facebook.
Dregger und Fraktionskollege Penn sagen in die Kamera, dass man beim Abriss und Neubau der Elsenbrücke auch an die Schifffahrt denken müsse, die in den besten Sommermonaten von der Innenstadt ausgesperrt werden könnte. Wochenlang wird die Spree dicht sein, wenn die Kräne kommen. Also lieber bis zum Winter warten, mit dem Brückenabriss, wenn die Dampfersaison vorüber ist? Später, nach der Besuchstour, wenn sich Dregger den Fragen der Bürger stellt, wird er wiederum sagen: Bauvorhaben in Berlin dauern unter Rot-Rot-Grün viel zu lang, das muss schneller gehen. Jedem die Botschaft, die er hören will? Noch ein Thema, bevor es mit dem E-Auto zur Sternwarte geht: Flüchtlinge. Mehrere Syrer hat Stern und Kreis ausgebildet. Vorher fuhren sie Handelsschiffe auf dem Mittelmeer, jetzt Touris über Spree und Müggelsee. Nach dem Thüringer Dammbruch und Dreggers Glückwünschen könnte man jetzt Schulterzucken erwarten, Desinteresse ob der Erfolge der Integration, aber die CDU-Männer wollen ehrlich wissen, wie das funktioniert, mit der Sprache, den Kollegen, den Abschlüssen. Das war ja nicht immer so, bei der CDU im Bezirk. Die Abgeordnete und damalige Parteichefin Katrin Vogel hat vor ein paar Jahren gemeinsam mit Anwohnern, AfD und Neonazis gegen ein Containerdorf in Altglienicke demonstriert. Aber diese Zeiten sind im Bezirk vorbei, um Vogel ist es still geworden („Ein Glück“, sagt dazu Maik Penn, neuer CDU-Chef) und die Grenzen nach rechts sind zumindest hier wieder klar gezogen.

In den Sternen

Zweiter Termin der Tour, die Archenhold-Sternwarte. Hier kann Burkard Dregger keinen Motor anfassen, dafür einen Meteoriten. „Darf ich mal? Können wir den anheben?“ Und so langsam bekommt man Angst, dass Dregger nach Motor und Meteorit gleich im Pflegeheim auch noch die Alten anfassen will. Den Meteorit kann man dann übrigens nicht anheben, sechs Studenten hätten es mal geschafft, erzählt der Sternwarten-Leiter, doch einer hatte beim Ablegen noch seinen Finger drunter. Ging nicht so gut aus. Lieber weiter ins Planetarium, wo man für Schulklassen und Interessierte den Sternenhimmel in eine Kuppel projiziert. Dregger ist von den bequemen Stühlen angetan, „die würde ich mir ins Büro stellen“. „Ich kann Ihnen zeigen, auf welchem der Rackles von der SPD eingeschlafen ist“, sagt der Sternwarten-Leiter, der für jeden Moment die passende Anekdote parat hat. Weil man sich bei jeder Sternschnuppe was wünschen darf, hat die Sternwarte auch noch eine Bitte an die CDU, sich nämlich für eine gute Verkehrsanbindung einzusetzen. Wenn die Stadtautobahn zur Elsenbrücke verlängert ist, soll die Puschkinallee durch den Park stillgelegt werden. Bisher kommen viele Besucher mit Bus oder Auto, doch wie es ohne Straße weitergeht, das steht, entschuldigen Sie, in den Sternen.

Was kann man noch so fordern?

Genauso unklar ist die Zukunft der Pflege, zu wenig Personal, zu schlecht bezahlt, also los zum nächsten Termin. Auf Bundesebene müht sich CDU-Minister Spahn um Besserung, und auch hier im Pflegeheim im Plänterwald ist die CDU öfter da, singt, backt Pizza, und der Bruder vom ehemaligen Bürgermeister Diepgen wohnt zufällig auch hier. Die Jacken werden unten abgelegt, „bei alten Leuten ist es immer warm“, sagt der Heimleiter.
„Nicht so kalt wie in deinem Büro“, beschwert sich Dreggers Referentin, „du arbeitest im Kühlschrank.“
Im Alter ist Bewegung wichtig, weiß der Heimleiter, „das beugt Alzheimer vor“. Vielleicht läuft deswegen die gesamte Besucher-Gruppe sieben Stockwerke zu Fuß nach oben, obwohl es einen Fahrstuhl gibt, „irgendwann sitze ich auch da und wackle mit dem Kopf“, sagt Dregger, er also vorneweg und oben kein bisschen müde. 20 Senioren bedienen sich am Buffet, Käse, Wurst, Kartoffelsalat, und Dregger fässt diesmal nichts an, obwohl man nach drei Stunden Kiez-Tour auch mal hungrig sein dürfte. Beim Essen hilft den Senioren eine Albanerin, ohne Ausländer würde hier gar nichts gehen. Anders als die Chinesen bleiben die Albaner auch, sagt der Heimleiter, die lernen gut Deutsch und freunden sich mit den Kollegen an. Nur die Ämter brauchen ewig für Anerkennungen, endlich mal wieder etwas, wofür man Rot-Rot-Grün kritisieren kann. „Was kann man denn noch so fordern?“, fragt der Social-Media-Mensch, der Dregger und Penn für das nächste Video in Position bringt. „Es muss kurz sein, wobei die Aufmerksamkeitsspanne bei interessanten Themen auch länger ist“, sagt er noch, was klar macht, wie spannend er das hier gerade findet.

Bauamtsleiter wählt man nicht

Die Kiez-Tour ist vorbei, zum Abschluss noch eine öffentliche Veranstaltung für die Bewohner des Treptower Nordens. Bevor es in einem italienischen Restaurant gleich unter anderem um die Verkehrssituation geht, sucht Maik Penn noch einen Parkplatz. Drinnen begrüßt Dregger und eröffnet das Buffet.
„Weil der Rechnungshof Angst hat, dass ich alles alleine esse, bitte einmal hier unterschreiben, dass Sie da sind“, sagt er, und wird selbst bis zum Ende nicht ein Pizza-Stück essen.
15 Gäste sind gekommen, auch vier junge, und Dregger kann jetzt mal erklären, wofür es in Berlin die CDU braucht, während im Hintergrund indifferente Restaurant-Musik läuft. Nirgendwo sonst in Deutschland werden so wenige Straftaten wie in Berlin aufgeklärt, sagt er, klagt über den Drogenhandel und die Rigaer Straße, und natürlich wirft er nun auch die Anekdote aus dem Treptower Park ein und dass sich die Dealer mittlerweile in fast alle Grünanlagen Berlins ausbreiten. Man möchte ihm zurufen, dass vor nicht allzu langer Zeit fünf Jahre lang CDU-Mann Henkel das Innere verantwortet hat, aber der Dregger macht ja nur seinen Job als Oppositionsführer. Und man freut sich ja fast, dass er das nicht der AfD überlässt und man auch ohne dumme Hetze für mehr Sicherheit werben kann. Ein Statement zu Thüringen, zur offenen Machtfrage an der CDU-Spitze? Nein, und nach dem Referat gibt es nur eine Wortmeldung zu diesem Thema. Stattdessen Verkehrschaos, Ortsumfahrung, Bauabschnitte, das interessiert die Leute viel mehr als Görli, Linksextreme und Annegret, und der Bezirksverordnete Dustin Hoffmann weiß alles zu beantworten, spricht dabei so gelocht und abgeheftet, dass man ihn glatt als Bauamtsleiter einstellen möchte. Leider schneidet der Typus Bauamtsleiter bei Wahlen nicht so gut ab.

Nicht anfassen

Was bleibt also hängen von CDU in Land und Bezirk, nach sechs Stunden Kiez-Tour? Von Thüringen sind wir weit entfernt, die CDU-Leute hier anständig, sie fahren sogar Elektro-Auto und sind für Car-Sharing. Kein Geifern wie bei der AfD, wo am Parksuchverkehr in Alt-Treptow vermutlich die Ausländer schuld wären, stattdessen tiefe Sachkenntnis und der ehrliche Wunsch, dass die Dinge besser laufen. Doch wo ist bei all dem Pragmatismus der große Unterschied zur SPD? Dregger spricht gerne über innere Sicherheit, da würde Rot-Rot-Grün versagen. Doch noch vor wenigen Jahren war ein CDU-Mann Senator für Inneres, ohne wirklichen Erfolg. Im Senat vermisst die Konservativen in Berlin derzeit keiner so wirklich. So muss die CDU sich jetzt wohl weiter an die Rolle in der Opposition gewöhnen und hat reichlich Zeit, sich mit ihrem Verhältnis zur AfD zu beschäftigen. Anders als bei Motoren und Meteoriten gilt dabei: Bitte nicht anfassen.

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