Frauen und Männer ticken unterschiedlich. Schachspieler haben's sogar im Regelwerk. Insbesondere die Damen müssen sich sputen. Bei Frauen-Weltmeisterschaften sind ihnen nur 90 Minuten Bedenkzeit für die ersten 40 Züge gegönnt. Herren dagegen dürfen etwas trödeln, haben zehn Minuten mehr auf der Uhr. Warum das so ist, wird beim Weltschachverband Fide nicht begründet. Immerhin gilt für beide Geschlechter ein Zuschlag von 30 Sekunden – für jeden gemachten Zug. Den ließ sich einst der stets klamme Großmeister Friedrich („Fritz“) Sämisch (1896-1975) bei Mannschaftskämpfen einzeln bezahlen.
Eine Mark kostete jeder Geistesblitz, und wenn die Münze nicht sofort auf dem Tisch lag, verfiel der Berliner in tiefes Grübeln. Schach-Profi Sämisch, einer, der von Turnier zu Turnier eilte, Kettenraucher, schwer verletzt im 1. Weltkrieg, Genuss-Mensch, jahrelanges Leben aus dem Koffer. Könnte der Meister sich im Grab umdrehen, er würde es sicher tun. Denn kaum jemand geriet wegen seiner tiefen Gedankengänge häufiger in Zeitnot als Sämisch. Oft blieben ihm nur Sekunden. Einmal fiel für ihn die Zeitschranke bereits nach 12 (!) Zügen und die Partie ging somit verloren. Verbürgt ist ebenfalls, dass Sämisch bei einem Turnier in sämtlichen Kämpfen unterlag, weil sein Zeit-Management versagte, überhaupt kein Tempo aufnahm.
Ist alles lange her. Damals galten übrigens ganz andere Vorschriften. Sämisch hatte für die ersten 40 Züge noch 150 Minuten. Ihm verdankt die Schachwelt mehrere aggressive Eröffnungs-Strategien, die bis heute hochaktuell sind.
Sämisch-Engel, Brünn 1928. Weiß am Zug setzt matt.
Lösung der Aufgabe aus Maulbeerblatt Nr. 83:
1. Ta3 Kb6, 2. Tg5 Kc7 3. Tc3 Kb8 (Kd8 4.Td5 Ke8 5. Tc8 matt)
4. Lf4 Ka8 5. Tc8 matt
Tick, Tick, Tick …
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